# taz.de -- US-Militärexperte über Nahost-Deal: „Zweistaatenlösung ist tot… | |
> Das Abkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten | |
> überrascht Lawrence Wikersohn nicht. Die USA arbeiten schon lange daran. | |
Bild: Proteste in Nablus gegen die US-Politik und die Annäherung von Israel un… | |
taz: Donald Trump hat ein Abkommen zwischen Israel und den Vereinigten | |
Arabischen Emiraten angekündigt, das die USA vermittelt haben. Er nennt es | |
historisch. Hat Sie die Erklärung überrascht? | |
Lawrence Wilkerson: Die USA arbeiten schon lange daran, einzelne Länder aus | |
der arabischen Welt heraus zu brechen und zu Abkommen zu führen, die | |
vergleichbar sind mit den Friedensabkommen von Jordanien und Ägypten mit | |
Israel. Andererseits suchen die Emirate die Gunst der USA. Dazu kommt die | |
Neigung der Regierung in Washington, die Palästinenser zu umgehen. All das | |
deutete darauf hin, dass so etwas früher oder später passieren würde. | |
Warum kommt die Ankündigung ausgerechnet jetzt? | |
Trump sackt in Umfragen ab. Und im Gegensatz zu dem, was er tweetet, weiß | |
er genau, dass [1][Kamala Harris] von vielen guten Kandidaten für die | |
Vizepräsidentschaft die gefährlichste ist. Er sieht, wie das Biden-Team | |
Kontur annimmt. Das führt ihn zu Verzweiflungstaten. Die sollen aussehen | |
wie Dinge, die kein anderer Präsident tun würde. In der nächsten Zeit | |
werden wir mehr davon sehen. Je aussichtsloser seine Lage wird, desto | |
gefährlicher wird er werden – nicht nur für die USA, auch für die Welt. | |
Eigentlich ist es doch gut, dass Trump ein Friedensabkommen vermittelt. | |
Selbst wenn das Motiv Verzweiflung ist. | |
Es kommt darauf an, was man unter einem Friedensabkommen versteht. Hier | |
wird die arabische Welt noch weiter von den Palästinensern abgedrängt. Wir | |
nehmen ihnen jede Unterstützung. Und wir tun das, um ein Großisrael möglich | |
zu machen, dessen Vater Benjamin Netanjahu sein kann. | |
Was meinen Sie mit Großisrael? | |
Das Ziel, das Netanjahu schon lange verfolgt. Er will so viel Territorium, | |
so viel Land, Wasser und Potenzial für Gas- und Ölfunde haben, wie irgend | |
möglich. Dazu gehört es, Araber und Palästinenser voneinander zu isolieren. | |
Nicht nur Jared Kushner (Schwiegersohn von Trump, Anm. d. Red.) und Trump | |
treiben diesen Prozess voran. Da ist auch der Krieg in Jemen, der gezeigt | |
hat, dass die US-Regierung selbst gegen den Protest des US-Kongress auf der | |
Seite von Saudi-Arabien und damit auch von den Emiraten stehen. | |
Sie sagen, die Verlierer seien die Palästinenser. Was bedeutet das | |
angekündigte Abkommen denn für [2][die Zweistaatenlösung]? | |
Wenn sie nicht schon vorher tot war, dann ist sie es hiermit. | |
Wer hilft mit diesem Abkommen wem? Netanjahu Trump, oder umgekehrt? | |
Ein bisschen von beidem, aber es wird für keinen der beiden funktionieren. | |
Ich glaube, Trump wird im November entscheidend geschlagen werden. | |
Allerdings gibt es die Riesenfrage, wie er mit der Niederlage umgehen wird. | |
Und ich glaube, [3][Netanjahu ist auf dem Absprung]. Die Frage ist, wer und | |
was ihn ersetzen wird. Und ob die Nachfolgeregierung [4][seine | |
Apartheids-Politik] fortsetzen wird. | |
Wieso sind die Emirate bereit für ein Abkommen mit Israel? | |
Sie bemühen sich in Washington schon eine Weile darum, dass die größte | |
US-Militärbasis am Golf von Katar in die Emirate verlegt wird. Israel | |
unterstützt sie dabei. Katar liegt mit den meisten anderen arabischen | |
Ländern über Kreuz (seit eine Koalition – angeführt von Saudi-Arabien – | |
2017 die Beziehungen zu Katar gekappt hat, d. Red.). Ich weiß nicht, ob das | |
eine Gegenleistung ist, aber ich vermute, dass es MBZ (Mohammed bin Zayed, | |
Kronprinz von Abu Dhabi, d. Red.) das Gefühl gibt, dass dies seine Chancen | |
erhöht. | |
Wer treibt die Verlegung in Washington voran? | |
John Hannah, der ehemalige Berater für Nationale Sicherheit von George W. | |
Bushs Vizepräsident Richard Cheney, und die Foundation for Defense of | |
Democracies, FDD, spielen eine zentrale Rolle. Nahost-Experten versuchen, | |
das zu verhindern. Aber wir schaffen es kaum in die Medien. | |
Was spricht gegen die Verlegung der Basis? | |
Sie würde Katar ohne reale Verbindung zu den USA lassen. Der Boykott gegen | |
Katar hat eine ungeheuer destabilisierende Wirkung. Er hat Katar in die | |
Arme Erdoğans und des Iran getrieben. Das alles hat die Versuche der USA, | |
eine Sicherheitsorganisation in der Region aufzubauen, geschwächt. Und der | |
Boykott hat Saudi-Arabien gestärkt. Seit Bush das Gleichgewicht der Kräfte | |
am Golf zerstört hat, suchen wir nach etwas, das die Rolle ersetzen könnte, | |
die Saddam Hussein gegenüber dem Iran gespielt hat. Der Irakkrieg 2003 hat | |
den Iran gestärkt. Manche Leute argumentieren, dass der Iran genau das | |
wollte. Aber andere sagen, dass der Iran das weder wollte noch ausgenutzt | |
hat. Sie wollen, dass die USA eine Annäherung mit dem Iran suchen. Wie | |
Präsident Obama es getan hat. | |
Israel spricht von einer nuklearen Bedrohung durch den Iran. | |
Netanjahu ist gegen jede Annäherung zwischen dem Iran und den USA. Er ist | |
besorgt, dass die USA wieder eine effektive Beziehung zu dem Iran | |
entwickeln könnten, wie zwischen 1953 und 1979. Mit Atomwaffen hat das | |
nichts zu tun. | |
In den USA geht die Sorge um, Trump könnte sich in der verbleibenden Zeit | |
bis zu der Wahl im November gegen den Iran wenden. Befürchten Sie eine | |
solche Überraschung? | |
Nein. Wenn Trump irgend etwas starten würde, das auch nur entfernt nach | |
militärischer Aktion aussieht, wäre das sein Sargnagel. Ein bedeutender | |
Teil seiner sogenannten Basis hat für ihn gestimmt, weil er versprochen | |
hat, die USA in keine neuen stupiden und endlosen Kriege zu führen. | |
Wo sehen Sie die anderen internationalen Krisen, die Trump in den | |
verbleibenden 82 Tagen bis zu den Wahlen auslösen könnte? | |
China macht mir sehr große Sorgen. Und es hat sehr viele Dimensionen. Eine | |
davon ist, dass Xi Jinping in Peking ein komplett neues Militär hat, sowie | |
einen Militärisch Industriellen Komplex, der nicht sehr unterschiedlich von | |
unserem ist. Er wird jeden Tag einflussreicher. Auch wenn das Politbüro | |
noch nicht so militärisch dominiert ist wie unsere Spitze in Washington. | |
Diese Entwicklung liegt nicht in unserem Interesse. | |
Sie vergleichen Peking mit Washington? | |
Lockheed Martin hat so viel Einfluss auf den Entscheidungsprozess in | |
Amerika wie der Präsident der USA. | |
Wieso nennen Sie von allen Rüstungskonzernen Lockheed Martin? | |
Er ist am produktivsten, ist am finanzstärksten und hat das meiste Geld für | |
seine Lobbyarbeit, um die Entscheidungen über die nationale Sicherheit zu | |
beeinflussen. Daran liegt es auch, dass das Militär Mittel aus dem | |
Pandemie-Fonds bekommen hat. Mit Covid-19 hat das nichts zu tun. Es war | |
nicht für ein Krankenhausschiff, das nach nach New York geschickt wurde. | |
Sondern, damit das Militär mehr F 35 Ersatzteile und mehr F35 kaufen kann. | |
Wie äußert sich die neue Macht des Militärisch-Industriellen Komplexes in | |
China? | |
Anfang des Jahrtausends baute Peking noch seine Ökonomie aus. 20 Jahre | |
später würde die chinesische Navy liebend gern einen US-Flugzeugträger | |
versenken. | |
Wie kommen Sie darauf? | |
Die zivile Führung in China hat echte Probleme, ihr Militär unter Kontrolle | |
zu halten. Das ist vergleichbar mit der Situation in Japan ab 1935. Wenn | |
das Militär so mächtig wird und so viel von dem Etat bekommt, ist es fast | |
unvermeidlich, dass es Ausschau nach einem Kampf hält. | |
Politisch würde das Trump nutzen. Warum sollte die chinesische Führung, die | |
ihn nicht schätzt, ihm diesen Gefallen tun? | |
Ich wage zu sagen, dass sie es vorziehen, dass Donald Trump im Amt bleibt. | |
Unter seiner Präsidentschaft hat China mehr Fortschritte gemacht, als mit | |
jedem anderen Präsidenten. Und das gilt vermutlich auch für Joe Biden. | |
Sowohl Moskau als auch Peking sehen – trotz ihrer gelegentlichen Proteste – | |
in Donald Trump wahrscheinlich die Person, die sie im Amt vorziehen. Weil | |
es so leicht ist, um ihn herumzukommen. | |
Und was ist der Zusammenhang zwischen den Wahlen in den USA und Peking? | |
Anfang August haben wir ein Regierungsmitglied nach Taipeh geschickt: | |
Gesundheitsminister Alex Azar. Das war die höchstrangige Reise eines | |
US-Regierungsmitglieds seit dem Bruch der offiziellen diplomatischen | |
Beziehungen 1979. Mag sein, dass Donald Trump keine Idee hat, was er da | |
tut. Aber die Leute um ihn herum wissen es. Sie haben den Präsidenten dazu | |
gebracht, Abkommen zu verletzen, die Nixon und Kissinger und später Carter | |
mit China gegeschlossen haben. | |
Welche Absicht vermuten Sie dahinter? | |
Es ist der destabilisierendste Schachzug, den die USA gegenüber China in | |
mehr als einem halben Jahrhundert getan haben. Vielleicht wollen sie keinen | |
offenen Krieg. Aber es sieht auf jeden Fall nach einer Krise in der South | |
China Sea aus. Die können sie ausnutzen, um Trumps Stellung in den | |
Meinungsumfragen zu stärken. Oder um sicherzustellen, dass wir zum | |
Zeitpunkt der Wahlen eine Pattsituation mit China haben. Das könnte dazu | |
führen, dass das amerikanische Volk Trump im Amt hält. | |
Sie sagen, dass Washington einen Konflikt mit Peking generiert hat? | |
Er entsteht an beiden Orten. Und zwar seit mindestens sechs Monaten. Der | |
letzte Schachzug von Trump, die Entsendung von Azar nach Taipeh, ist eine | |
Missachtung unserer Abkommen. Sie ist vergleichbar mit dem Mordanschlag auf | |
Qasem Soleimani (iranischer Kommandeut einer Quds-Einheit, der Anfang | |
Januar 2020 bei einem US-Anschlag auf Bagdad getötet wurde, Anm. d. Red.) | |
im Januar im Iran. Aber der Unterschied ist, dass China nicht der Iran ist. | |
14 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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