Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Golfstaaten und Israel: Abraham mit Gänsehaut
> Es ist formell: Die Emirate und Bahrain erkennen Israel an. US-Präsident
> Trump setzte die Unterzeichnung der Abkommen pompös in Szene.
Bild: Die Könige fehlen: Netanjahu mit den Außenministern der Emirate und Bah…
Berlin taz | Also gleich zwei: Nicht nur mit den Vereinigten Arabischen
Emiraten, auch mit Bahrain hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
am Dienstag Abkommen unterzeichnet, die eine Normalisierung der Beziehungen
mit dem jüdischen Staat vorsehen. Mit einer feierlichen Zeremonie in
Washington setzte US-Präsident Donald Trump die Annäherung, die seine
Regierung in den vergangenen Wochen verstärkt vorangetrieben hatte, pompös
in Szene.
Es waren ungewöhnliche Szenen, die sich vor den mehreren hundert Gästen im
Garten des Weißen Hauses abspielten. Zwischen den Nationalflaggen Bahrains
und der Emirate wehte der blaue Davidstern Israels. Auf der Terrasse
darüber standen dicht an dicht (nicht nur für Pandemiezeiten, auch für
nahöstliche Verhältnisse): Netanjahu und die Außenminister der Emirate und
Bahrains, Abdullah bin Zajid al-Nahajan und Abdullatif bin Raschid
al-Zajani.
Mit großen Worten sparte am Dienstag niemand: Von einem „neuen Nahen Osten“
sprach der US-Präsident, von einer Zukunft, in der Muslime, Juden und
Christen friedlich Seite an Seite lebten. Einen großartigen Tag für die
„Kinder Abrahams“ sah Netanjahu. Und von einem „Wandel der Region“ und
einer „besseren Zukunft“ sprach Abdullah bin Zajid.
In letzter Minute hatte Bahrain am Freitag angekündigt, sich den Emiraten
anzuschließen, Israel ebenfalls anzuerkennen und einen Vertreter nach
Washington zu entsenden. Im Gegenzug zur Anerkennung sagte Netanjahu zu,
die mehrfach angekündigte Annexion von Teilen des besetzten
Westjordanlands, das die Palästinenser für einen eigenen Staat
beanspruchen, „auszusetzen“.
Zwar muss auf israelischer Seite jetzt noch die Knesset ihre Zustimmung
geben, doch dies gilt als Formsache. Damit wächst die Zahl der arabischen
Staaten, die diplomatische Beziehungen mit Jerusalem unterhalten, auf vier.
Ägypten und Jordanien hatten mit Israel 1979 respektive 1994 Frieden
geschlossen. Die Abkommen vom Dienstag sind im strengen Sinne keine
Friedensabkommen, auch wenn sie offiziell so betitelt sind, da weder die
Emirate noch Bahrain mit Israel im Krieg waren.
Zusätzlich zu den beiden Abkommen unterzeichneten alle vier Parteien am
Dienstag ein weiteres Dokument: das sogenannte Abraham-Abkommen, benannt
nach dem Patriarchen der drei großen monotheistischen Religionen
Christentum, Judentum und Islam.
## Palästinenser*innen fehlten
Die feierliche Atmosphäre konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen,
dass wichtige Akteur*innen im Weißen Haus fehlten. Nicht nur die Monarchen
von Bahrain und den Emiraten waren zu Hause geblieben und hatten
stattdessen nur ihre Außenminister geschickt. Auch Vertreter*innen der
zweiten zentralen Partei im Nahostkonflikt, der Palästinenser*innen,
fehlten vollständig. Die Führung in Ramallah lehnt die Annäherung strikt ab
und betrachtet sie als Verrat.
Im Westjordanland protestierten Palästinenser*innen im Vorfeld der
Zeremonie gegen die Unterzeichnung der Abkommen. Bei Demonstrationen in
verschiedenen Städten schwenkten Demonstrierende palästinensische Flaggen.
Auf Schildern stand „Nein zur Normalisierung mit der Besatzungsmacht“.
Berichten zufolge blieb eine Massenmobilisierung jedoch aus; nur einige
Hundert Teilnehmer*innen folgten den Protestaufrufen.
Am Abend während der Rede Netanjahus in Washington heulten in Südisrael
dann die Sirenen. Nach Angaben des israelischen Militärs wurden zwei
Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Das Abwehrsystem „Iron
Dome“ habe eine Rakete abgefangen, teilte die Armee mit. Medienberichten
zufolge wurden in der Stadt Aschdod zwei Menschen verletzt.
## Folgen weitere arabische Staaten?
Ob es bei den Emiraten und Bahrain bleibt, ist unklar. Trump zeigte sich in
einer Pressekonferenz vor der Zeremonie überzeugt, dass andere arabische
Staaten sich den beiden Golfstaaten anschließen werden. „Wir haben viele
Nationen, die bereit sind zu folgen“, so der Präsident. Von „mindestens
fünf oder sechs“ Staaten sprach Trump, der die Abkommen vom Dienstag vor
der US-Wahl im November als außenpolitischen Erfolg verbucht.
Als Kandidaten gelten die Golfmonarchie Oman sowie der Sudan und Marokko.
Aber auch Saudi-Arabien hat in den vergangenen Wochen signalisiert, dass es
einer Annäherung zwischen arabischen Staaten und Israel zumindest nicht im
Wege steht. So gestattete Riad es Flugzeugen auf dem Weg von Israel in die
Emirate und zurück, den saudischen Luftraum zu nutzen.
Dass die Saudis allerdings die nächsten sein werden, die ihre Beziehungen
mit Israel komplett normalisieren, gilt als unwahrscheinlich. Zum einen
dürfte Riad größere Schwierigkeiten haben als die autoritären Kleinstaaten
Emirate und Bahrain, einen solchen Schritt der eigenen Bevölkerung
gegenüber zu legitimieren. Zum anderen war es die saudische Führung, die
2002 die sogenannte Arabische Friedensinitiative ins Leben rief, die die
Politik der Staaten der Arabischen Liga 18 Jahre lang prägen sollte.
Die Arabische Friedensinitiative sieht vor, dass die arabischen Staaten
Frieden beziehungsweise eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel nur
gemeinsam beschließen – nicht einzeln wie jetzt die Emirate und Bahrain.
Außerdem könne es eine Anerkennung Israels nur dann geben, wenn der
Konflikt mit den Palästinenser*innen gelöst ist und Israel einem eigenen
Staat Palästina zustimmt.
„Die arabische Friedensinitiative war ein Hindernis auf dem Weg, Frieden
mit uns zu schließen“, sagte Yossi Beilin, einstiger israelischer
Friedensunterhändler, am Dienstag im Vorfeld der Zeremonie in Washington
gegenüber Journalisten. Über die Unterzeichnung der Abkommen mit Bahrain
und den Emiraten zeigte er sich dementsprechend erfreut: Sie seien eine der
Errungenschaften, „von denen man denkt, dass man sie im Leben nicht mehr
sehen wird.“
KritikerInnen halten dem entgegen, dass die US-Administration einen äußerst
einseitig proisraelischen Kurs fährt, in dem die eine Konfliktpartei, die
Palästinenser*innen, schlichtweg nicht vorkommen. Eine ausgehandelte
Konfliktlösung in Nahost rücke damit nicht näher. Tatsächlich hatte Trump
von Beginn seiner Präsidentschaft an die Palästinenser*innen vor den Kopf
gestoßen, etwa indem er die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem
verlegte, dessen Ostteil die Führung in Ramallah als künftige
palästinensische Hauptstadt beansprucht.
Auch in Europa überwiegt die Skepsis gegenüber der US-Nahostpolitik.
Auffällig war, dass die EU am Dienstag im Weißen Haus nicht vertreten war.
Auch die EU-Staaten waren fast komplett abwesend. Allein der ungarische
Außenminister Péter Szijjártó hatte angekündigt, an der Zeremonie
teilzunehmen.
15 Sep 2020
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Palästina
Vereinigte Arabische Emirate
Bahrain
Donald Trump
Jared Kushner
Palästinenser
Israel
Ägypten
Israel
Vereinigte Arabische Emirate
Israel
Israel
US-Wahl 2024
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Unruhen in Libyen: Diplomatisches Eigentor
Mit dem Bekanntmachen des Außenministertreffens hat sich Israel selbst
geschadet. Für die libyschen Oppositionellen ist es ein gefundenes Fressen.
Sudans Beziehungen zu Israel: Normalisierung mit Vorbehalt
Nach den Emiraten und Bahrain will auch Sudan Beziehungen zu Israel
aufnehmen. Im Land findet der Schritt nicht nur Befürworter.
Israel und die Emirate: Visafreiheit und eine neue Pipeline
Jerusalem und Abu Dhabi treiben ihre Annäherung voran. Neue Deals über
Checkpoints und Öl verärgern die Palästinenser, aber auch Ägypten.
Israel und Emirate in Berlin: Symbolik mit der Brechstange
Bin Sajid stellt die Annäherung der Emirate an Israel in den Kontext des
Holocausts. Ein Versuch, die Europäer wieder ins Boot zu holen.
Israel und Emirate UAE in Berlin: Treffen am Holocaust-Mahnmal
Historisches Zusammenkommen in Berlin: Für ihr erstes Treffen haben die
Außenminister Israels und der Emirate die deutsche Hauptstadt gewählt.
Abkommen zwischen Israel und Golfstaaten: Frieden rückt in weite Ferne
Die amerikanisch-israelisch-golfarabische Machtpolitik schwächt die
kompromissbereiten palästinensischen Stimmen.
Nach Raketenangriffen aus Gaza: Israel greift Hamas-Ziele an
Am Dienstag waren aus dem Gazastreifen Raketen abgefeuert worden. Am
Mittwochmorgen antwortete die israelische Luftwaffe mit Gegenangriffen.
Mike Pompeos Nahostreise: Mit Israel in den Wahlkampf
Israel und die Araber sind für die US-Administration ein Mittel zum
Stimmenfang. Außenminister Pompeo instrumentalisiert sie schamlos.
US-Außenminister in Nahost: Pompeo und die 22-Staaten-Lösung
Der US-Außenminister wirbt in arabischen Staaten für Beziehungen zu Israel.
Im Koffer hat er US-Sanktionen – und einen heiklen Waffendeal.
Verhältnis zwischen VAE und Israel: Dominostein zum Frieden
Die Annäherung zwischen Abu Dhabi und Jerusalem könnte eine regionale
Lösung der Konflikte in Nahost zurück auf die Tagesordnung bringen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.