# taz.de -- Verfassungsschutz und AfD-Einstufung: Showdown in Köln | |
> Das Verwaltungsgericht verhandelt ab Dienstag die Einstufung der AfD als | |
> rechtsextremen Verdachtsfall. Die Partei inszeniert sich derweil als | |
> Opfer. | |
Bild: Anhänger der Jungen Alternative protestieren in Berlin gegen eine Impfpf… | |
BERLIN taz | Der erste große Showdown zwischen dem Bundesamt für | |
Verfassungsschutz (BfV) und der AfD steht an. Am Dienstag und Mittwoch | |
verhandelt das Verwaltungsgericht Köln vier Klagen der Partei, die unter | |
anderem gegen die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall vorgeht. | |
Gewinnt der Verfassungsschutz, darf er die Partei mit | |
nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen, Kommunikation auswerten und | |
V-Leute anwerben. Wegen der Coronapandemie und gleichzeitig großem | |
öffentlichem Interesse hat das Gericht den Prozess in die Messe Köln | |
verlegt. | |
Schon länger stehen die Landesverbände der AfD in den Bundesländern | |
Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als Verdachtsfälle unter | |
Beobachtung. Im Verfahren in Köln geht es nun um die Einstufung der | |
Gesamtpartei. | |
Der Verfassungsschutz hatte diese [1][2019 zunächst als rechtsextremen | |
Prüffall eingestuft]. Seitdem sammelt und analysiert er systematisch | |
öffentliche Quellen der Partei und Darstellungen über sie. Nach zwei Jahren | |
Prüfzeit stufte das Amt die AfD Anfang 2021 [2][zum rechtsextremen | |
Verdachtsfall hoch], weil es „gewichtige Anhaltspunkte für | |
verfassungsfeindliche Bestrebungen“ sah. | |
## Insgesamt vier Klagen | |
Dagegen klagte die AfD und erzielte in einem Eilverfahren am Kölner | |
Verwaltungsgericht [3][zunächst einen Teilerfolg]: Weil die Einstufung in | |
die Öffentlichkeit durchgesickert war, sah das Gericht darin einen Eingriff | |
in die Chancengleichheit der Parteien und legte die Einstufung vorerst auf | |
Eis. Ob die Einstufung inhaltlich gerechtfertigt ist, soll die nun | |
anstehende Verhandlung zeigen. Es ist offen, ob bereits diese Woche ein | |
Urteil fällt. Sollte es dazu kommen, ist mit Berufungsverfahren zu rechnen. | |
Verhandelt werden insgesamt vier Klagen der AfD. Neben der Einstufung der | |
Bundespartei geht es auch um die Einstufung der AfD-Jugendorganisation | |
Junge Alternative als Verdachtsfall. Ebenso geht es um die Einstufung einer | |
„gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ des formal aufgelösten extrem | |
rechten Flügels, der völkischen Parteiströmung um den Thüringer Landeschef | |
und Rechtsextremisten Björn Höcke. | |
Zudem geht es um die Frage, wie groß das Flügelnetzwerk ist. Der | |
Verfassungsschutz geht von 7.000 Personen aus, auch gegen diese | |
Einschätzung klagt die AfD, die derzeit rund 30.000 Mitglieder hat. | |
Mit einer Bestätigung der Einstufung als Verdachtsfall würde insbesondere | |
der Druck auf Beamt*innen innerhalb der Partei steigen. Die unterliegen | |
als Staatsdiener*innen grundsätzlich einer Verfassungstreuepflicht. | |
## Beamte mit Rechtsdrall | |
Disziplinarverfahren müssten dennoch weiter im Einzelfall begründet werden, | |
wie es vom Beamtenbund DBB heißt. „Wir lehnen die AfD und jede | |
Zusammenarbeit mit ihr ab“, sagte Sprecherin Britta Ibald der taz. „Man | |
kann nicht im Dienst des Staates stehen und gleichzeitig unsere | |
demokratische Ordnung aushöhlen wollen.“ Aber solange die | |
Verfassungsfeindlichkeit nicht höchstrichterlich festgestellt sei, sei | |
immer der Einzelfall zu prüfen. | |
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kündigte auf taz-Anfrage an, bei einer | |
Einstufung als Verdachtsfall Konsequenzen gegen Mitglieder zu ziehen. | |
GdP-Mitglieder, die offensichtlich für die AfD werben oder sich in | |
Parteiämtern befinden, würden mit einem Ausschlussverfahren konfrontiert, | |
sagte GdP-Bundessprecher Oliver Malchow. | |
Die GdP hatte bereits kurz nach der Einstufung als Verdachtsfall vor rund | |
einem Jahr eine Unvereinbarkeitserklärung abgegeben und als AfD-Politiker | |
aktive GdP-Mitglieder [4][zum Austritt aufgefordert]. | |
Die meisten Beobachter*innen gehen davon aus, dass das Gericht der | |
Einschätzung des BfV folgen wird. Politikwissenschaftlich und | |
journalistisch ist vielfach belegt, dass die AfD eine extrem rechte Partei | |
ist. Sie vertritt rassistische, sexistische und revisionistische Positionen | |
und versucht in radikaler Systemfeindschaft, die parlamentarische | |
Demokratie auszuhöhlen. | |
## Interne Kämpfe | |
Die noch immer andauernde Radikalisierung der Partei hat durch | |
[5][verschwörungsideologische Coronaproteste einen erneuten Schub] erlebt – | |
zuletzt fantasierten AfD-Abgeordnete in [6][Chatgruppen gar vom | |
Bürgerkrieg.] | |
Zudem gewann die völkische Strömung um Björn Höcke stetig an Einfluss und | |
prägt zunehmend Programmatik und Spitzenpersonal. Nach anhaltenden | |
parteiinternen Machtkämpfen zog der damalige Co-Parteichef Jörg Meuthen mit | |
seinem Parteiaustritt Ende Januar einen Schlussstrich. Er hatte lange mit | |
der völkischen Strömung paktiert und scharfe Reden auf deren | |
Kyffhäusertreffen gehalten. | |
Seit der Einstufung der AfD als Prüffall hatte er sich allerdings als | |
bürgerliches Gesicht der AfD inszeniert und die völkische Strömung | |
parteiintern bekämpft – auch, um eine Beobachtung durch den | |
Verfassungsschutz zu verhindern. Seit seinem Austritt warnte er in diversen | |
Talkshows vor der Radikalisierung der AfD. Seine Aussagen sind nun | |
[7][Steilvorlage für den Verfassungsschutz], der den langjährigen | |
Parteichef in aktuellen Schriftsätzen breit zitiert. | |
„Das ist ein medialer Schauprozess“, sagte der verbliebene Parteichef Tino | |
Chrupalla der taz. Der selbst aus dem bereits als Verdachtsfall | |
eingestuften Landesverband Sachsen stammende Chrupalla will alle Strömungen | |
integrieren und galt selbst immer als Wunschkandidat der Völkischen. Mit | |
Höcke stehe er im kritischen Austausch, rechtsextreme Entgleisungen | |
beantworte seine Partei mit Ordnungsverfahren. | |
## Selbstverharmlosung und Opferinszenierung | |
Angst vor einer möglichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz habe er | |
keine, wie Chrupalla mit Hinweis auf seine DDR-Herkunft sagte: „Der | |
Geheimdienst wird gegen die Opposition instrumentalisiert, das kenne ich | |
schon aus düsteren Zeiten.“ Die Doppelstrategie der AfD für den Prozess ist | |
damit gesetzt: Selbstverharmlosung und geschichtsvergessene | |
Opferinszenierung. | |
Vertreten wird die AfD wie so oft von der Kanzlei Höcker. Pikant: Dort war | |
zwischen 2019 und 2021 auch der ehemalige Verfassungsschutzpräsident | |
Hans-Georg Maaßen beschäftigt, bei dem viele retrospektiv den Eindruck | |
gewannen, er habe während seiner Amtszeit eine schützende Hand über die AfD | |
gehalten. | |
Aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit könnten folgenreiche | |
Interessenkonflikte vorliegen. Die Rechtsanwaltskammer Köln [8][prüft den | |
Vorgang noch immer berufsrechtlich], wie es auf taz-Anfrage heißt. | |
Theoretisch könnte der Kanzlei [9][sogar das Mandat entzogen werden]. Die | |
AfD-Klagen wären damit zwar nicht unwirksam, wohl aber die Prozessstrategie | |
im Eimer. | |
7 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Pruefung-durch-den-Verfassungsschutz/!5564111 | |
[2] /Verfassungsschutz-stuft-Partei-ein/!5755634 | |
[3] /Schlappe-fuer-Verfassungsschutz/!5756121 | |
[4] https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-03/rechtsextremismus-polizei-gewerksc… | |
[5] /Desinformation-in-der-Coronakrise/!5824346 | |
[6] /Rechtsextreme-Chatgruppen/!5819500 | |
[7] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_91635822/joerg-… | |
[8] https://www.lto.de/recht/juristen/b/maaen-verlaesst-hoecker-rechtsanwaelte-… | |
[9] https://www.lto.de/recht/juristen/b/hans-georg-maaen-kanzlei-hcker-afd-klag… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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