# taz.de -- Verfassungsgericht zu Fall Oury Jalloh: Aussitzen nach Aktenlage | |
> Die Karlsruher Richter lehnen neue Ermittlungen im Fall Oury Jalloh ab. | |
> Das Urteil markiert den Schlusspunkt von 18 Jahren deutschem | |
> Justizversagen. | |
Bild: Gedenken an Oury Jalloh in Dessau im Jahr 2018 | |
Ganze 40 Monate hat das Bundesverfassungsgericht gebraucht um im Fall des | |
2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten [1][Oury Jalloh] zu | |
entscheiden: Die Akten bleiben zu, das Verfahren wird nicht wieder | |
aufgerollt. Normal ist für solche Verfahren ein Bruchteil dieser Zeit – im | |
Schnitt dauern sie etwa ein Jahr. Die Initiative „Gedenken an [2][Oury | |
Jalloh]“, die mit dem Bruder des Toten hinter der Verfassungsbeschwerde | |
stand, hatte sich indes auf die Ablehnung eingestellt. | |
Für sie stellte das Karlsruher Urteil nur einen notwendigen Zwischenschritt | |
auf dem Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dar. Denn dort | |
will sie das Verfahren neu aufrollen lassen. Dies ist erst dann möglich, | |
wenn der nationale Instanzenweg ausgeschöpft wurde. Das wurde mit der | |
extrem langen Verfahrensdauer verschleppt. | |
Dass die Karlsruher Richter die Einstellung der Ermittlungen in | |
Sachsen-Anhalt bestätigten, verwundert nicht. Ihr Urteil fusst auf den | |
Akten der Justiz. Und die hat in dem Verfahren von Beginn an fast alles | |
unterlassen, was nötig gewesen wäre, um dem Verdacht eines anderen | |
Tathergangs nachzugehen als einem Suizid Jallohs. Beweismittel, Asservaten, | |
Einsatzprotokolle verschwanden, Videoaufnahmen wurden gelöscht, offene | |
Widersprüche Sachverständiger nicht aufgeklärt, offensichtliche [3][Lügen | |
von Beamten] vor Gericht auf sich beruhen gelassen. | |
Je länger die Liste solcher Versäumnisse wurde, desto mehr fehlt es heute | |
in den Akten an hinreichenden Grundlagen für einen „Tatverdacht gegen einen | |
konkreten Beschuldigten“, wie es die Verfassungsrichter jetzt feststellten. | |
Die Indizien, die die Initiative in jahrelanger Arbeit sammelte, fanden in | |
die Akten keinen Eingang. Und geht man von der Aktenlage aus, die die | |
Staatsanwaltschaft gesammelt hat, sind weitere Ermittlungen tatsächlich | |
„nicht aussichtsreich“, auch das schreiben die Karlsruher Richter. | |
Ob am Ende in Straßburg ein anderes Urteil steht, sei dahin gestellt. Doch | |
der Gang dorthin ist die logische Konsequenz aus einem Versagen der | |
deutschen Justiz, das 18 Jahre zurück reicht und heute seinen absehbaren, | |
vorläufigen Schlusspunkt fand. | |
23 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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