| # taz.de -- Todesfall Hans-Jürgen Rose: Nicht zuständig | |
| > Hans-Jürgen Rose starb, nachdem er im Polizeirevier Dessau war. Vieles | |
| > deutet auf Polizeigewalt hin. Doch der Generalbundesanwalt lehnt den Fall | |
| > ab. | |
| Bild: Hans-Jürgen Rose, Anfang der 1990er Jahre | |
| Berlin taz | Der Generalbundesanwalt hat es abgelehnt, Ermittlungen im | |
| [1][Todesfall Hans Jürgen Rose aus Dessau] aufzunehmen. Eine Strafanzeige | |
| der Familie Rose gegen Beamte des Dessauer Polizeireviers gab die | |
| Karlsruher Behörde nun an die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg in | |
| Sachsen-Anhalt ab. | |
| Der damals 36-jährige Rose war im Dezember 1997 an schwersten inneren | |
| Verletzungen gestorben, unmittelbar nachdem er aus dem Polizeirevier Dessau | |
| entlassen worden war. Die NGO Recherche Zentrum hatte nach jahrelangen | |
| Recherchen im März dieses Jahres Erkenntnisse präsentiert, die nahelegen, | |
| dass Rose nach einer Alkoholkontrolle durch Polizeibeamte auf dem Revier | |
| tödlich verletzt wurde. Roses Familie und das Recherche Zentrum hatten | |
| daraufhin Anzeige wegen Mordes gegen vier Dessauer Polizeibeamte beim | |
| Generalbundesanwalt erstattet. | |
| Unter anderem hatten sie ein Schriftgutachten vorgelegt, das die | |
| Manipulation von Eintragungen im Lagefilm des Reviers belegen soll. Der | |
| Lagefilm ist eine Art Logbuch, in dem die Geschehnisse einer Schicht | |
| eingetragen werden. Zudem erklärte die damals mit der Untersuchung von | |
| Roses Leichnam betraute Rechtsmedizinerin, sie habe schon damals | |
| festgestellt, dass die Verletzungen Roses unter anderem auf Schlagstöcke | |
| zurückzuführen seien müssen. | |
| Die Verletzungen – unter anderem eine Querschnittlähmung – seien nicht mit | |
| den Gegebenheiten am Fundort Roses, auf der Straße nahe dem Revier, in | |
| Einklang zu bringen, so die Medizinerin. In den Polizeiakten finden sich | |
| Hinweise darauf, dass Rose in den Speisesaal des Reviers gebracht und dort | |
| möglicherweise misshandelt wurde. Die Liste der Indizien ist lang – die | |
| Justiz in Sachsen-Anhalt hatte die Ermittlungen aber 2002 und 2014 | |
| eingestellt. | |
| Hans-Jürgen Rose starb nach dem Aufenthalt im selben Polizeirevier, in dem | |
| 2002 Mario Bichtemann und 2005 [2][Oury Jalloh] starben. | |
| ## GBA: kein Staatsschutzbezug | |
| Der Generalbundesanwalt erklärte nun, nicht für den Fall zuständig zu sein. | |
| Die Begründung, die der taz vorliegt, hat es in sich: Sollte Rose | |
| tatsächlich von Polizisten getötet worden sein, sei dies eine „spontane“ | |
| Reaktion auf dessen Verhalten gegenüber den Polizisten. In diesem Fall | |
| handele es sich zwar um ein „gravierendes Verschulden einzelner Beamter“, | |
| ohne aber dass ein „zielgerichteter Angriff auf (…) wesentliche, die | |
| freiheitliche Verfassungsordnung tragende Belange festzustellen wäre“, so | |
| begründete der Generalbundesanwalt die Ablehnung. Die Tat sei in ihrer | |
| Motivation und Wirkung nicht geeignet, Verfassungsgrundsätze zu | |
| untergraben. | |
| Der Generalbundesanwalt wies die Annahme, dass Rose von Polizisten getötet | |
| wurde, also nicht per se zurück – stellte sich aber auf den Standpunkt, | |
| dass dies nicht ausreiche, um eine Zuständigkeit seiner Behörde zu | |
| begründen. | |
| Die „in der Tat ungewöhnliche – möglicherweise auf Fehlverhalten von | |
| Beamten des Reviers Dessau-Roßlau hindeutende – Häufung | |
| erklärungsbedürftiger Todesfälle“ lasse keinen „über Vermutungen | |
| hinausgehenden Schluss auf eine politische oder rassistische Motivation der | |
| behaupteten Handlungen“ zu, so der Generalbundesanwalt weiter. Es gebe | |
| keine Hinweise darauf, dass die möglichen Tötungsakte „aus einer | |
| Verfassungsgrundsätzen elementar widersprechenden, minderheitenfeindlichen | |
| Motivation heraus erfolgt wären.“ | |
| Wenn Polizeibeamte im Amt schwere Straftaten bis hin zu Tötungsdelikten | |
| begingen, „wäre eine solche Tat mit Sicherheit geeignet, das Vertrauen | |
| vieler Bürgerinnen und Bürger in die Polizei und deren gesetzestreue | |
| Aufgabenerfüllung zu untergraben“, so die Behörde weiter. „Allerdings | |
| genügt die Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung durch | |
| eine Straftat nicht, um deren Staatsschutzbezug zu begründen“ – es fehle | |
| der „für den Staatsschutzcharakter notwendigen übergreifenden Charakter der | |
| Tat(en).“ Aus diesen Gründen sei die oberste Strafverfolgungsbehörde in | |
| Karlsruhe nicht zuständig. | |
| Das Recherche Zentrum kritisierte, dass nun wieder sachsen-anhaltinische | |
| Staatsanwälte ermitteln sollen. Der Aufklärungswille der Behörde sei | |
| „zweifelhaft“. | |
| ## Familie und Anwalt kritisieren die Entscheidung | |
| Iris Rose, die Witwe des Toten, sagte zur Entscheidung des | |
| Generalbundesanwalts der taz, die Begründung sei nicht nachvollziehbar. | |
| „Besonders die Mutter von Jürgen ist wahnsinnig enttäuscht. Sie wünscht | |
| sich so sehr, dass das nach so vielen Jahren endlich geklärt wird.“ Auch | |
| Iris Rose hat Zweifel, dass die Behörden in Sachsen-Anhalt nun aufklären | |
| werden, wer für den Tod verantwortlich war: „Was soll dabei herauskommen? | |
| Wir haben gar kein Vertrauen, weil die das ja die ganzen Jahre mit Absicht | |
| nicht geklärt haben. Die sind doch einfach voreingenommen.“ | |
| Rechtsanwalt Sebastian Scharmer, der die Familie vertritt, kritisierte, der | |
| Generalbundesanwalt drücke sich um seine Verantwortung, „teilweise absurd“ | |
| sei die Begründung. „Nach dem Motto: Selbst wenn auf einem Polizeirevier | |
| drei Menschen aus menschenverachtenden Motiven von Polizeibeamten ermordet | |
| und diese Taten vertuscht werden, würde doch deswegen das Vertrauen in den | |
| Rechtsstaat nicht gefährdet sein.“ Scharmer forderte, es brauche endlich | |
| unabhängige Stellen, die für Ermittlungen gegen Polizeibeamt:innen | |
| zuständig sind. „Das wäre auch im Interesse einer Polizei, die auf eine | |
| konsequente Verfolgung von Gewalt und rechten Umtrieben in den eigenen | |
| Reihen setzen würde.“ | |
| 6 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Polizeigewalt-in-Dessau/!5998023 | |
| [2] /Mordfall-Oury-Jalloh/!5823891 | |
| ## AUTOREN | |
| Kersten Augustin | |
| Christian Jakob | |
| ## TAGS | |
| Hans-Jürgen Rose | |
| Oury Jalloh | |
| Dessau | |
| Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
| Sachsen-Anhalt | |
| Generalbundesanwalt | |
| GNS | |
| Dessau | |
| JVA | |
| Hans-Jürgen Rose | |
| Oury Jalloh | |
| IG | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Mutmaßliche Polizeigewalt in Dessau: Wer hat Hans-Jürgen Rose getötet? | |
| Der Ingenieur Hans-Jürgen Rose starb 1997 unter ungeklärten Umständen in | |
| Dessau. Vieles deutet auf Polizeigewalt hin. Die Staatsanwaltschaft lehnt | |
| neue Ermittlungen ab. | |
| Gefängnisskandal in Augsburg: „Keine Matratze, splitterfasernackt am Boden�… | |
| In einem Augsburger Gefängnis sollen Häftlinge über Jahre misshandelt | |
| worden sein. Im Zentrum der Vorwürfe steht die stellvertretende | |
| JVA-Leiterin. | |
| Polizeigewalt in Dessau: Sein Name war Rose | |
| Ein Familienvater stirbt 1997 schwerverletzt, kurz nachdem er in einem | |
| Dessauer Polizeirevier war. Jetzt zeigen seine Angehörigen vier Polizisten | |
| an. | |
| Verfassungsgericht zu Fall Oury Jalloh: Aussitzen nach Aktenlage | |
| Die Karlsruher Richter lehnen neue Ermittlungen im Fall Oury Jalloh ab. Das | |
| Urteil markiert den Schlusspunkt von 18 Jahren deutschem Justizversagen. | |
| Mordfall Oury Jalloh: „Ich schwöre, ich wars nicht“ | |
| Vor 17 Jahren verbrannte Oury Jalloh. Wenn er sich nicht selbst getötet | |
| hat, wer dann? Die taz fragte am Einsatz beteiligte Polizisten. |