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# taz.de -- Mutmaßliche Polizeigewalt in Dessau: Wer hat Hans-Jürgen Rose get…
> Der Ingenieur Hans-Jürgen Rose starb 1997 unter ungeklärten Umständen in
> Dessau. Vieles deutet auf Polizeigewalt hin. Die Staatsanwaltschaft lehnt
> neue Ermittlungen ab.
Bild: Hans-Jürgen Rose, Anfang der 1990er Jahre
Berlin taz | Ein Mann stirbt. Wenige Meter von der Polizeiwache entfernt
liegt er schwer verletzt an einer Hauswand. Obwohl Dezember ist und Schnee
liegt, trägt er nur ein T-Shirt. Der Mann wurde schwer misshandelt, unter
anderem wohl mit Schlagstöcken, wie die Gerichtsmedizinerin später
feststellen wird. Vier Stunden vorher hatten Polizisten ihn mit auf die
Wache genommen.
Wie starb Hans-Jürgen Rose? Auch fast 30 Jahre [1][nach seinem gewaltsamen
Tod im Jahr 1997 in Dessau] ist der Fall nicht abschließend aufgeklärt. Im
vergangenen Jahr hatte Roses Familie vier Polizisten angezeigt. Sie
vermutet, dass diese für den Tod verantwortlich sind. Doch die
Staatsanwaltschaft Halle hat eine Wiederaufnahme der Ermittlungen nun
abgelehnt.
Sebastian Scharmer, der Rechtsanwalt der Familie Rose, kritisiert die
Entscheidung der Staatsanwaltschaft gegenüber der taz: „Da ist ein Mensch
zweifelsfrei durch Gewalt zu Tode gekommen, und es gibt noch nicht mal
einen Anfangsverdacht?“ Es sei „absurd“, dass die Staatsanwaltschaft die
neuen Hinweise auf Polizeigewalt als „Mutmaßungen“ abtue und keinerlei
eigene Ermittlungen durchführen wolle.
Die Familie Rose hat deshalb gegen die Einstellung Beschwerde eingelegt und
wirft der Generalstaatsanwältin von Sachsen-Anhalt Befangenheit vor.
[2][Zudem ist am Donnerstag eine Petition online gegangen], die den
öffentlichen Druck erhöhen und der Forderung nach neuen, unabhängigen
Ermittlungen Nachdruck verleihen soll.
Hans-Jürgen Rose, Maschinenbauingenieur und Vater dreier Kinder, war im
Dezember 1997 von der Polizei nachts auf die Wache gebracht worden, nachdem
er betrunken Auto gefahren war. Was danach geschah, ist unklar. Der damals
36-Jährige wurde wenige Stunden später in der Nähe der Polizeiwache
gefunden: querschnittsgelähmt, mit schwersten inneren und äußeren
Verletzungen und Knochenbrüchen. Er starb wenig später an seinen
Verletzungen.
## Hat die Polizei Dokumente manipuliert?
Rose ist einer von drei Männern, die innerhalb weniger Jahre zu Tode kamen,
während oder nachdem sie auf demselben Revier der Dessauer Polizei waren.
2002 wurde Mario Bichtemann mit einem Schädelbasisbruch in einer Zelle
gefunden. 2005 verbrannte Oury Jalloh in derselben Polizeizelle.
Zweimal hat die Justiz die Ermittlungen bereits eingestellt. Es sei „nicht
auszuschließen“, dass Rose von Unbekannten getötet wurde oder aus dem
Fenster fiel. Doch im vergangenen Jahr wurden neue Fakten öffentlich, die
diese Szenarien mindestens unwahrscheinlich machen – und darauf hindeuten,
dass Rose durch Polizeigewalt ums Leben kam.
Viele dieser neuen Erkenntnisse gehen auf das Recherche Zentrum zurück,
eine Gruppe, die aus der Initiative Gedenken an Oury Jalloh hervorgegangen
ist. Sie hat den Fall Rose rekonstruiert und gemeinsam mit der Familie
Strafanzeige gestellt. Unter anderem präsentierte das Recherche Zentrum das
Gutachten eines Forensikers der Londoner Metropolitan Police.
Dieser kam zu dem Ergebnis, dass das Logbuch, in dem die Polizisten des
Dessauer Reviers die Geschehnisse der Tatnacht protokollierten,
nachträglich verfälscht worden war. Die Einträge, die Hans-Jürgen Rose
betreffen, wurden demnach mit Tipp-Ex verändert. Zudem präsentierte das
Recherche Zentrum ein Interview mit der Gerichtsmedizinerin, die nach dem
Tod die Leiche von Rose obduziert hatte. Sie stellte fest, dass Rose vor
seinem Tod misshandelt wurde, vermutlich mit Schlagstöcken. Seine
Verletzungen seien nicht durch einen Fenstersturz zu erklären.
[3][Auch die taz hat im vergangenen Jahr zum Todesfall Rose recherchiert.]
Der Polizist Michael N. erzählte der taz von den Ereignissen in jener
Nacht. Als Rose in der Tatnacht schwer verletzt gefunden wurde, war er als
erster Polizist vor Ort. Er gab an, dass zwei seiner Kollegen, die
dazukamen, nervös wirkten, und behaupteten, Rose nicht zu erkennen, obwohl
sie es waren, die ihn wenige Stunden zuvor auf die Wache gebracht hatten.
Zudem sagte N. der taz, dass er am Morgen nach der Tat im Pausenraum der
Polizeiwache einen Kollegen gehört habe, der erzählte, er habe jemanden
verprügelt.
## Generalbundesanwalt sieht sich nicht zuständig
Im Frühjahr 2024 hat die Familie Rose die vier Polizisten beim
Generalbundesanwalt angezeigt. [4][Dieser erklärte sich im vergangenen
Herbst jedoch für nicht zuständig.] Zwar sei die Häufung von Todesfällen im
Zusammenhang mit dem Polizeirevier Dessau „in der Tat ungewöhnlich“, was
das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in die Polizei untergraben
könne. Doch eine mögliche spontane Tötung durch Polizeibeamte ziele nicht
darauf, Verfassungsgrundsätze zu untergraben, sei kein „zielgerichteter
Angriff“ auf die Verfassungsordnung.
Der Generalbundesanwalt leitete die Anzeige weiter an die
Staatsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt, obwohl die Behörden dort die
Ermittlungen bereits mehrfach eingestellt hatten. Nun entschied die
Staatsanwaltschaft Halle erneut, keine neuen Ermittlungen aufzunehmen.
Rechtsanwalt Scharmer sagt, er habe zumindest erwartet, dass die
Staatsanwaltschaft den Polizisten Michael N. befragt, der gegenüber der taz
Angaben zur Tatnacht gemacht hatte. Ein Tod durch einen Sturz aus dem
Fenster oder durch zufällige, unbekannte Täter sei völlig unplausibel.
Dagegen spreche der Fundort Roses, seine Verletzungen, das manipulierte
Logbuch der Polizei und viele weitere Indizien. „Die Staatsanwaltschaft ist
offenbar nicht gewillt, die Tat objektiv und unvoreingenommen aufzuklären“.
Die Begründung der Staatsanwaltschaft für ihre Entscheidung liegt der taz
vor. Tatsächlich basiert diese fast ausschließlich auf dem
Einstellungsvermerk von 2018. Eine Tat durch Unbekannte oder ein Sturz aus
dem Fenster, ob Unfall oder Suizid, sei weiterhin nicht auszuschließen. Auf
die neuen Erkenntnisse geht die Staatsanwaltschaft kaum ein. Das Gutachten
zu Manipulationen im Logbuch der Polizei bezeichnet sie als „Mutmaßungen“.
Zu den Aussagen des Polizisten Michael N. gegenüber der taz verweist die
Staatsanwaltschaft auf eine Vernehmung des Polizisten im Jahr 2014. Damals
hatte Michael N. ausgesagt, er könne sich nicht erinnern. Eine erneute
Vernehmung sei „nicht zielführend“.
## Familie wirft Staatsanwaltschaft Befangenheit vor
Auf taz-Anfrage weist die Staatsanwaltschaft Halle den Vorwurf, sie wolle
den Tod Roses nicht aufklären, zurück. „Die Bearbeitung des Verfahrens
erfolgte und erfolgt unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben
sowie im klaren Bewusstsein eines überragenden öffentlichen Interesses an
vollständiger Aufklärung.“ Das Verfahren sei eingestellt worden, da nach
eingehender Prüfung keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für
eine Wiederaufnahme strafrechtlicher Ermittlungen festgestellt worden
seien.
Familie Rose hat dagegen nun Beschwerde eingereicht. Sie hat zudem Sorge,
dass die Staatsanwaltschaft den Fall nicht unvoreingenommen prüft, weil sie
Hinweisen auf Polizeigewalt im Komplex rund um die Todesfälle Hans-Jürgen
Rose und Oury Jalloh bisher nicht nachgegangen sei. Dies betreffe auch die
oberste Staatsanwältin des Bundeslands, Generalstaatsanwältin Heike Geyer.
Die Staatsanwaltschaft Halle widersprach auf taz-Anfrage den
Befangenheitsbedenken gegenüber der Generalstaatsanwältin. Diesen werde
„aus hiesiger Sicht ausdrücklich widersprochen. Für einen entsprechenden
Verdacht bestehen keine objektivierbaren Anhaltspunkte.“
Rechtsanwalt Scharmer hat auch deshalb erneut beantragt, dass der
Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernimmt. Sollte dieser sich
weiterhin für nicht zuständig erklären, müsse das Justizministerium in
Sachsen-Anhalt veranlassen, dass Staatsanwälte ohne Bezug zu dem Komplex
die Ermittlungen übernehmen.
12 Jun 2025
## LINKS
[1] /Todesfall-Hans-Juergen-Rose/!6035054
[2] https://www.openpetition.de/petition/online/offener-brief-der-fall-juergen-…
[3] /Polizeigewalt-in-Dessau/!5998023
[4] /Todesfall-Hans-Juergen-Rose/!6035054
## AUTOREN
Kersten Augustin
## TAGS
Dessau
Oury Jalloh
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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