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# taz.de -- Unbekannter Kameramann: Der Weltenbildermacher
> Kameramann Bernd Meiners kann eine große Zahl von Arbeiten vorweisen,
> viele preisgekrönt. Den 63-jährigen Hamburger kennen wenige.
Bild: Bleibt gerne im Hintergrund: Bernd Meiners.
„Ach, der ist auch von ihm?!“ So was mag man denken, wenn man sich die
Filmografie von Bernd Meiners ansieht: Mit immerhin 106 Einträgen stellt
sie nur einen „Auszug“ dar. Seit 1983 dreht der in Hamburg lebende
Kameramann professionell Filme, die auch so manchen Preis gewonnen haben.
Aber Meiners selbst bleibt immer im Hintergrund, hat bis heute keinen
Wikipedia-Eintrag und freut sich, als der taz-Fotograf Aufnahmen von ihm
macht: So bekomme er vielleicht endlich ein „passables Foto“ von sich.
Auch im Gespräch ist er bescheiden, und wenn dabei Namen von Stars wie
Charlotte Rampling, Isabelle Rosselini, John Malkovich oder Robert Wilson
fallen, ist das kein eitles „Namedropping“: Mit der gleichen Zuneigung und
Begeisterung spricht der 63-Jährige von seiner Arbeit in einer Siedlung für
Demenzkranke oder mit singenden Cowboys. Bei der Arbeit mache er „keine
Kompromisse“, sagt er, habe in der Folge aber auch „kein Eigenheim“ wie
fast alle seiner Kollegen. Er hat nie Werbung gemacht und „keinen Bock auf
Fernsehspiele“, drehte auch keinen „Tatort“ – obwohl es an Angeboten ni…
fehlte. Und er will erklärtermaßen kein „Schnipsel-Lieferant“ für
Fernsehredaktionen sein, in denen die Beiträge dann routiniert und
uninspiriert zusammengeschnitten würden.
Stattdessen ließ er sich stets von seiner Neugier leiten – und davon, ob
ihn die Visionen der jeweils Regieführenden faszinierten. Die fragt er bei
ersten Gesprächen gerne, ob sie ihren Film „schon gesehen“ hätten – und
lässt ihn sich dann von ihnen erzählen. Dabei erkennt Meiners rasch ihr
visuelles Konzept – und ihr Engagement. „Je schräger, desto besser“, ist
dabei einer von Meiners‘ Grundsätzen: „Alles andere ist Wiederholung.“
So hat er sich etwa dafür entschieden, für die Filmemacherin Angelina
Maccarone deren Spielfilm „Verfolgt“ aufzunehmen, den ein Fernsehredakteur
„nicht mal nachts um 3“ im Programm sehen wollte: Es geht darin um die
sado-masochistische Beziehung zwischen einer Bewährungshelferin und ihrem
16-jährigen Klienten. Wegen des äußerst geringen Budgets arbeitete Meiners
dann ohne Bezahlung an dem Film, der 2006 den Goldenen Leoparden in Locarno
gewann – wohl auch wegen seiner ausgesucht schönen Schwarzweiß-Bilder.
Mit Maccarone drehte er dann auch das Porträt von Charlotte Rampling, „The
Look“. Aber wenn er davon erzählt, dann nicht von der glamourösen Premiere
in Cannes, sondern davon, wie schwer es für ihn war, mit der
High-Definition-Digitalkamera Bilder von der 63-jährigen Schauspielerin zu
machen, die nicht wie „ein Schlag ins Gesicht“ wirkten. Da mussten
altmodische Filter verwendet werden, und dennoch bangten Kameramann und
Regisseurin, ob Rampling den fertigen Film überhaupt freigeben würde.
Meiners‘ Familie betrieb seit den frühen 1950er-Jahren einen Fotoladen im
niedersächsischen Cloppenburg, und seine erste Erinnerung an das
Bildermachen besteht darin, dass er als kleines Kind mit seinem Vater zu
einer Hochzeit auf dem Land fuhr, wo dann mit einer großen Plattenkamera
ein einziges Gruppenfoto der 200 Hochzeitsgäste entstand. Da er von klein
auf im Laden helfen musste und den chemischen Gestank in der Dunkelkammer
nicht mehr in der Nase haben wollte, entschied Meiners sich, Organist zu
werden. Aber gefragt waren immer seine handwerklichen Fähigkeiten als
Fotograf. Bei der Bundeswehr war er für Flugzeug-Fotos zuständig, nach der
Verweigerung, im Zivildienst, machte er im Krankenhaus Bilder von
Operationen.
Nach dem Tod seiner Mutter absolvierte er 1974 die Meisterprüfung in
Fotografie in Hamburg – sie hatte es sich in ihrem Testament so gewünscht.
Als er dann schließlich an der HFBK Visuelle Kommunikation studierte, war
er unter seinen Kommilitonen „der einzige, der einen Belichtungsmesser
bedienen konnte“.
Die perfekte Beherrschung seines Handwerks zeichnet Meiners aus. Bei der
Arbeit nutzt er die Technik intuitiv: „Wenn du anfängst, darüber
nachzudenken, ist es vorbei.“ Und bei den Dokumentationen, die den größten
Teil seines Schaffens ausmachen, will er bei Dreh „möglichst nicht präsent
sein“: Er gibt den Menschen, die er aufnimmt, grundsätzlich keine
Anweisungen und hat oft „acht Stunden lang die Kamera auf der Schulter“, so
dass „die nicht wissen, wann ich drehe“. Im Glücksfall entstehen
wahrhaftige Bilder, und von denen erzählt Meiners mit leuchtenden Augen.
1990 war er Kameramann bei Hermine Hundtgeburths Debütfilm „Im Kreise der
Lieben“, der als bester Nachwuchsfilm mit einem Bundesfilmpreis
ausgezeichnet wurde. Im gleichen Jahr drehte er mit „Black Rider“ für den
WDR eine Dokumentation über die Inszenierung des Theaterstücks mit Robert
Wilson, Tom Waits und William S. Burroughs. 1991 folgte mit Jan Schüttes
„Nach Patagonien“ sein erster großer Reisefilm, für den er sich auf die
Spuren von Bruce Chatwin begab. Seitdem hat ihn die Wanderlust gepackt:
Außer in Australien hat er schon auf allen Kontinenten gedreht, etwa die
Hälfte eines Jahres ist er auf Reisen – und hatte inzwischen „alle
Tropenkrankheiten“.
Mit Georg Stefan Troller drehte er in den späten 90er-Jahren
Künstlerporträts, und mit der Bremer Dokumentaristin Beatrix Schwehm hat er
seit 1999 für jeden ihrer Filme zusammengearbeitet. Und als im Jahr 2000
die US-amerikanischen Dokumentarfilmer Rob Ebstein und Jeffrey Friedman
einen deutschen Kameramann für ihr Projekt „Paragraph 175“ über die
Verfolgung von Homosexuellen im „Dritten Reich“ suchten, setzten auch sie
auf Meiners – der Film war dann der Gewinner auf dem Sundance Filmfestival.
20 Aug 2015
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Doku
Interview
Kino
zeitgenössische Kunst
Debütfilm
Fotografie
Ehe
Nazis
Streitfrage
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