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# taz.de -- Umstrittenes Pestizid Glyphosat: Bayer nutzt Greenpeace-Methode
> Glyphosat ist EU-weit nur noch bis Mitte Dezember zugelassen. Der
> Leverkusener Agrarchemiekonzern wirbt für die Neuzulassung – mit einer
> Petition.
Bild: Manche finden Glyphosat effektiv und billig, andere umweltschädlich und …
Berlin taz | Grundsätzlich kann jede und jeder sich mit einer Petition, mit
einer Bitte oder Beschwerde direkt an den Bundestag wenden und
Mitstreitende dafür finden. Das ist ein Bürgerrecht, verbrieft im
Grundgesetz. Aber nun bittet der Leverkusener [1][Chemiekonzern Bayer] die
Parlamentarier um Hilfe – wegen des Unkrautvernichters Glyphosat. Die
Unterschriftenaktion dazu läuft jetzt an. Wer gedacht hat, der Kampf gegen
das berühmte Ackergift sei beendet, irrt. Er beginnt spätestens jetzt
wieder, in neuer Form.
Das Herbizid darf in der EU nur noch bis zum 15. Dezember dieses Jahres
gespritzt werden. In den kommenden Wochen müssen die EU-Kommission und die
Mitgliedstaaten entscheiden, ob die Zulassung verlängert wird. Das Mittel
steht in Verdacht, krebserregend zu sein. Die maßgebliche [2][Europäische
Behörde für Lebensmittelsicherheit, Efsa], hat vor Kurzem allerdings erst
bekräftigt, dass sie keine inakzeptablen Gefahren sieht.
In seiner Petition „Glyphosat: Kein Verbot ohne Alternative“ ruft Bayer die
Abgeordneten dazu auf, sich für eine Verlängerung der Genehmigung für
Glyphosat einzusetzen: „Sorgen Sie für klare rechtliche Rahmenbedingungen
und Planbarkeit, verhindern Sie Handelsbarrieren und ermöglichen Sie, dass
Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat auch in Zukunft weiterhin
sachgerecht angewendet werden können.“ Denn es gebe „in vielen
Anwendungsgebieten keine wirtschaftliche Alternative zu Glyphosat“.
Für ein einzelnes Unternehmen ist es ungewöhnlich, sich politisch so offen
einzumischen. Christina Deckwirth von der Organisation Lobbycontrol
beobachtet, wie Firmen Politik beeinflussen: „Zur alten Schule des
Lobbyismus der Wirtschaft gehört es eher, Abgeordnete zu
Hintergrundgesprächen einzuladen, persönliche Kontakte zur Politik zu
nutzen.“ Eine Petition zu starten, das sei eher ein „klassisches Ding von
Nichtregierungsorganisationen, von NGOs“.
## Bayer ahmt NGO nach
Auch Lobbycontrol macht das. Berühmt für Petitionen ist die
Kampagnenorganisation Campact, die sich damit in alle möglichen
Debatten einklinkt, etwa zum Klimaschutz oder zur Kindergrundsicherung,
manchen darum auch als Empörungs- und Protestmaschine gilt. Beim
Umweltverband Greenpeace läuft gerade auch eine Petition:
„Glyphosat-Verbot jetzt!“ heißt sie. Bayer ahmt die Methode Greenpeace,
also die der NGOs, nach und kämpft so gegen sie? „Verwerflich ist das
nicht“, sagt Deckwirth, „aber es zeigt, wie wichtig Bayer Glyphosat ist.“
Der Druck: hoch.
„Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt“, haben SPD, Grüne und FDP in
ihrem Koalitionsvertrag geschrieben. Die Efsa-Einschätzung ist umstritten.
Umweltverbände wie der BUND beklagen Datenlücken im Efsa-Bericht, wie die
Behörde auch selbst zugibt. Da geht es unter anderem um etwaige Risiken für
die Ernährung der Verbraucher oder für die Artenvielfalt. Bis zu 40 Prozent
der deutschen Äcker werden mit Glyphosat gespritzt, es zerstört alle
störenden Gräser und Kräuter.
Seit 2019 ist der ehemalige Grünen-Politiker Matthias Berninger
Cheflobbyist beim Bayer-Konzern. In der Petition heißt es weiter, ein
generelles Verbot ab 2024 stelle „nicht nur Landwirtinnen und Landwirte
sowie Winzerinnen und Winzer in Deutschland vor große Probleme. Auch würde
es die Erzeugung heimischer Lebensmittel auf unseren Feldern einschränken.
Wir fordern eine nichtideologische und evidenzbasierte Politik.“
Die Deutsche Bahn, die einst der größte Abnehmer von Glyphosat in
Deutschland war, bekämpft die Pflanzen, die zwischen den Gleisen wachsen,
mittlerweile auch anders: mit Mähermaschinen und der als umweltschonender
geltenden Pelargonsäure, hergestellt etwa aus Rapsöl. Ökobauern kommen ganz
ohne diese Ackerchemie aus. Bayer hält dagegen, Glyphosat gestatte eine
Bodenbearbeitung ohne Pflug, was die Äcker vor Erosion schütze, das
Bodenleben schone und die CO2-Speicherkapazität des Bodenreichs erhalte.
## Bayer übernahm 2018 Monsanto
Der Agrarchemie-Konzern hat große Hoffnungen in den Stoff gesetzt. Er
übernahm 2018 den [3][US-Saatguthersteller Monsanto] und damit auch den
Unkrautvernichter für sagenhafte 63 Milliarden Dollar, erntete bisher aber
vor allem Ärger. So schrieben Zehntausende in den USA ihre Krebserkrankung
Glyphosat zu und klagten. Und auch wenn Bayer stets bestritten hat, dass
Glyphosat krebserregend ist, hat das Unternehmen schon mehrere Milliarden
Euro für Vergleiche ausgegeben.
Viele Landwirte dürfte Bayer aber auf seiner Seite haben, weil Glyphosat
auch als effektiv und günstig gilt. Bayer hat die Petition nicht direkt
beim Parlament eingereicht, sondern sammelt die Unterschriften auf einer
eigenen Internetseite. So machen es die Nichtregierungsorganisationen
zumeist auch. Die gesammelten Unterschriften würden dann
öffentlichkeitswirksam an Bundestagsabgeordnete übergeben, sagt Deckwirth
von Lobbycontrol. „Das schafft mehr Aufmerksamkeit, auch in der
Öffentlichkeit.“
Hinweis: Eine frühere Version dieses Artikels war mit einem Foto bebildert,
das zeigte, wie ein Landwirt in Niedersachsen Pflanzenschutzmittel auf
blühenden Raps ausgebracht hat. Dabei handelte es sich nicht um Glyphosat.
Um Missverständnisse zu vermeiden, haben wir das Foto geändert.
23 Aug 2023
## LINKS
[1] /Deutsche-Position-zur-neuen-Gentechnik/!5949763
[2] /EU-Behoerde-ueber-Glyphosat/!5945721
[3] /Personalwechsel-bei-Pestizidkonzern/!5911171
## AUTOREN
Hanna Gersmann
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