# taz.de -- EU-Behörde über Pestizid: Grünes Licht für Glyphosat | |
> EU-Experten halten den Unkrautvernichter für unbedenklich, dabei ist sein | |
> Effekt auf die Artenvielfalt unklar. Die Ampel streitet über die | |
> Zulassung. | |
Bild: Ein Landwirt bringt das Pflanzenschutzmittel Glyphosat auf einem Feld aus, | |
BERLIN taz | Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat keine | |
wissenschaftlichen Einwände gegen eine weitere Zulassung des | |
Pestizidwirkstoffs [1][Glyphosat]. „Bei der Bewertung der Auswirkungen von | |
Glyphosat auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie auf die Umwelt | |
wurden [2][keine kritischen Problembereiche] festgestellt“, teilte die | |
Efsa am Donnerstag mit. Sie räumte jedoch ein, dass sie wegen fehlender | |
Daten mehrere Fragen unbeantwortet lassen musste. | |
Dazu zählt „die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher | |
und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen“. Die verfügbaren | |
Informationen lassen demnach auch „keine eindeutigen Schlussfolgerungen“ | |
dazu zu, wie der Unkrautvernichter sich auf die Artenvielfalt auswirkt. | |
Ungewiss ist laut Efsa zudem noch, wie giftig ein bestimmter Stoff ist, der | |
Glyphosat beigemischt wird. Klar sei bereits, dass bei 12 von 23 | |
vorgeschlagenen Verwendungen von Glyphosat „ein hohes langfristiges Risiko | |
für Säugetiere“ bestehe. | |
Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Die | |
Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO | |
bewertete ihn 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“. Denn mit Glyphosat | |
gefütterte Ratten und Mäuse hatten Tumore entwickelt. | |
In den USA verurteilten daraufhin mehrere Gerichte einen der Hersteller, | |
die deutsche Bayer AG, zu hohen Schadenersatzzahlungen an Kläger, die ihre | |
Krebserkrankung auf das Mittel zurückführen. Bayer beruft sich dagegen auf | |
mehrere Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher einstufen. Das Gift | |
tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und so auch | |
Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr | |
für die Artenvielfalt. | |
## „Arbeit von Dutzenden von Wissenschaftlern“ | |
Die Efsa verließ sich in puncto Krebs auf die EU-Chemikalienbehörde (Echa). | |
Diese hat 2022 festgestellt, dass Glyphosat nach EU-Recht nicht als | |
krebserregender, Mutationen auslösender oder die Fortpflanzungsfähigkeit | |
störender Stoff eingestuft werden dürfe. | |
Die jetzt abgeschlossene Risikobewertung sei „das Ergebnis der Arbeit von | |
Dutzenden von Wissenschaftlern der Efsa und der Mitgliedstaaten in einem | |
Verfahren, das sich über drei Jahre erstreckte“, so die Behörde. Sie hätten | |
Tausende von Studien und wissenschaftlichen Artikeln analysiert. | |
Nun müssen EU-Staaten entscheiden, ob sie die Glyphosat-Zulassung erneuern, | |
die am 15. Dezember abläuft. Darüber, wie Deutschland abstimmen wird, bahnt | |
sich ein neuer Streit in der Ampelkoalition an. Das vom Grünen Cem Özdemir | |
geführte Agrarministerium sieht auch nach dem Efsa-Bericht eine Erneuerung | |
der Erlaubnis „als nicht gerechtfertigt an, da die Auswirkungen auf die | |
Artenvielfalt nicht berücksichtigt werden“. Gero Hocker, agrarpolitischer | |
Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dagegen schrieb bei Twitter: „Wer | |
Wissenschaft und Fakten als Grundlage seiner politischen Entscheidung | |
betrachtet, muss der Empfehlung der Efsa und der Wiederzulassung von | |
Glyphosat [3][zustimmen].“ Im [4][Koalitionsvertrag] der Ampelparteien | |
steht: „Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt.“ | |
Der [5][Bayer-Konzern] begrüßte, dass die Efsa erneut bestätigt habe, dass | |
die Chemikalie „sicher und nicht krebserregend“ sowie unbedenklich für die | |
Umwelt sei. „Das Ergebnis steht im Einklang mit den jahrzehntelangen | |
Analysen von Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt“, teilte das | |
Leverkusener Unternehmen mit. | |
## „Wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ | |
Daniela Wannemacher, Agrarwissenschaftlerin beim Bund für Umwelt und | |
Naturschutz Deutschland (BUND), kritisierte, dass die Efsa „einen | |
Freifahrtschein“ für Glyphosat ausstelle, „obwohl die Behörde selbst | |
Daten-Lücken einräumt“. Sie negiere „die zahlreichen unabhängigen Studie… | |
die zeigen, dass Glyphosat ein gravierendes Gesundheits- und Umweltproblem | |
ist“. | |
Viele dieser Studien belegten, dass Glyphosat das Nervensystem schädigen | |
könne und die Darmflora beeinflusse. „Immer noch gilt es als wahrscheinlich | |
krebserregend beim Menschen.“ Es verursache gravierende Schäden im Boden, | |
im Wasser und bei Nützlingen, so Wannemacher. „Die Empfehlung der Efsa | |
zeigt erneut, dass die europäische Pestizid-Zulassung die Gefahren für | |
Gesundheit und Ökosystem weitgehend ignoriert.“ Dieses System müsse | |
reformiert werden, um Mensch und Umwelt vor Risiken zu schützen und die | |
Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. | |
Die Verbraucherorganisation Foodwatch kündigte zusammen mit der Deutschen | |
Umwelthilfe (DUH) rechtliche Schritte gegen die Zulassung in Deutschland | |
an. Die Efsa-Bewertung widerspreche vielen wissenschaftlichen Studien, | |
sagte DUH-Chef Jürgen Resch. „Produkte mit Glyphosat dürfen nicht länger in | |
Deutschland zugelassen werden.“ | |
6 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Glyphosat/!t5008469 | |
[2] https://www.efsa.europa.eu/de/news/glyphosate-no-critical-areas-concern-dat… | |
[3] https://twitter.com/GeroHocker/status/1676898789297119234 | |
[4] https://www.spd.de/koalitionsvertrag2021/ | |
[5] https://twitter.com/BayerDialog/status/1676888172372938752 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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