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# taz.de -- EU will Pestizid-Zulassung verlängern: Noch mindestens ein Jahr Gl…
> Die EU wird das umstrittene Pestizid wohl wenigstens ein weiteres Jahr
> zulassen – auch mit deutscher Hilfe. Umweltschützer fürchten um den
> Ausstieg.
Bild: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir
Berlin taz | Das unter Krebsverdacht stehende Pestizid [1][Glyphosat] darf
in der EU wahrscheinlich mindestens ein Jahr länger als bisher beschlossen
benutzt werden. Bei einer Abstimmung der Mitgliedstaaten im zuständigen
Ausschuss gab es am Freitag laut Europäischer Kommission nicht die nötige
„qualifizierte“ Mehrheit, um einen Vorschlag der Behörde auf Verlängerung
der Zulassung zu stoppen. Dazu trug auch Deutschland bei, das sich
enthielt.
Die Kommission will nun einen Berufungsausschuss der Mitgliedsländer
befragen, aber dort ist ebenfalls kein gültiges Veto zu erwarten, da die
Befürworter der vorläufigen Verlängerung bis 15. Dezember 2023 bei Weitem
in der Überzahl sind. Die Kommission kann dann ihren Antrag allein umsetzen
– und das wird sie Beobachtern zufolge auch tun, denn sonst hätte sie ihn
ja nicht gestellt.
Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Die
Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der
Weltgesundheitsorganisation WHO bewertete den Unkrautvernichter 2015 jedoch
als „wahrscheinlich krebserregend“. Denn mit Glyphosat gefütterte Ratten
und Mäuse hatten Tumore entwickelt. In den USA verurteilten daraufhin
mehrere Gerichte einen der Hersteller, die deutsche Bayer AG, zu hohen
Schadenersatzzahlungen an KlägerInnen, die ihre Krebserkrankung auf das
Mittel zurückführen. Bayer beruft sich auf mehrere Zulassungsbehörden, die
das Mittel als sicher eingestuft haben. Das Gift tötet so gut wie alle
nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel
und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die
Artenvielfalt.
Die Kommission begründete die Verlängerung [2][in ihrem Antrag] damit, dass
ihre Fachbehörden nicht vor Juli 2023 ihr endgültiges Gutachten zu den
Risiken von Glyphosat abgeben könnten. Der erste Entwurf des Gutachtens kam
zwar zu dem Schluss, dass der Stoff sicher sei. Aber daraufhin habe die
EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit bei einer Befragung der
Öffentlichkeit sehr viele Kommentare bekommen. Zudem habe die Behörde
zusätzliche Daten von den Glyphosatherstellern angefordert und erhalten.
Die ExpertInnen müssten nun „eine sehr hohe Zahl von Punkten“ diskutieren.
Das dauere und sei nicht die Schuld der Industrie. Deshalb müsse die
Zulassung laut EU-Recht verlängert werden, bis das Gutachten fertig ist.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland kritisierte die
Entscheidung. „Ich habe Sorge, dass der Glyphosatausstieg in dieser
Legislaturperiode nicht mehr gelingt“, sagte Katrin Wenz,
Agrarpolitikexpertin der Organisation, der taz. Die Pestizidlobby sei
„personell unheimlich gut aufgestellt“ und werde die zusätzliche Zeit
nutzen. Wenz hatte vor der Abstimmung Bundeslandwirtschaftsminister Cem
Özdemir (Grüne) aufgefordert, gegen die Verlängerung zu stimmen. Die
Umweltschützerin verlangte nun erneut, dass die Bundesregierung sich an den
[3][Koalitionsvertrag der Ampelparteien] hält. Darin steht wörtlich: „Wir
nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt.“ Kritisch äußerte sich auch
Deutschlands größter Ökobauernverband Bioland: „Wenn man aussteigen will
aus Glyphosat, ist Enthaltung ein falsches politisches Signal“, sagte
Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik und Kommunikation.
[4][Das Agrarministerium] erklärte seine Enthaltung damit, dass man der
EU-Kommission nicht im Weg stehen wolle, Glyphosat rechtssicher zu
bewerten. Somit solle sichergestellt werden, dass eine endgültige
Entscheidung über eine weitere Zulassung vor Gerichten Bestand habe.
Das Pestizid-Aktionsnetzwerk Europa wandte dagegen ein, dass ein Verbot
schon jetzt möglich sei. Dabei könne sich die EU angesichts zahlreicher
wissenschaftlicher Hinweise auf Risiken auf das Vorsorgeprinzip berufen.
14 Oct 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Glyphosat/!t5008469
[2] https://food.ec.europa.eu/system/files/2022-09/pesticides_renew_glyphosate_…
[3] https://www.spd.de/koalitionsvertrag2021/
[4] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/142-glyphosat.html
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
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Landwirtschaft
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