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# taz.de -- Behörde wird neue Zulassung empfehlen: EU-Kommission will weiter G…
> Die Brüsseler Behörde will vorschlagen, die Zulassung des Pestizids zu
> erneuern. Um die Folgen für die Natur sollen sich die Mitgliedsländer
> kümmern.
Bild: Wirkt Glyphosat indirekt auch auf Vögel? Die EU-Behörden sind sich da b…
Berlin taz | Trotz der nicht abschätzbaren Auswirkungen von [1][Glyphosat]
auf die Artenvielfalt will die EU-Kommission vorschlagen, die Zulassung des
Pestizidwirkstoffs zu erneuern. Sie wird dem zuständigen Ausschuss der
Mitgliedstaaten im September eine entsprechende Verordnung präsentieren,
wie aus einem Berichtsentwurf der Behörde über die Risikoprüfung des
Unkrautvernichters hervorgeht. Der vorläufige Bericht, der der taz
vorliegt, delegiert die Verantwortung letztlich an die einzelnen
EU-Staaten: Wenn ein Mitgliedsland „berechtigte Bedenken“ wegen Folgen für
die Biodiversität habe, die nicht durch Auflagen für die Benutzer
ausreichend begrenzt werden könnten, dürfe es Pestizidprodukte mit
Glyphosat verbieten, schreibt die Kommission.
Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Die
Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO
bewertete ihn 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“. Denn mit Glyphosat
gefütterte Ratten und Mäuse hatten Tumore entwickelt. In den USA
verurteilten daraufhin mehrere Gerichte einen der Hersteller, die deutsche
Bayer AG, zu hohen Schadenersatzzahlungen an Kläger, die ihre
Krebserkrankung auf das Mittel zurückführen. Bayer beruft sich dagegen auf
verschiedene Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher einstufen. Das
Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und
damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern
als Gefahr für die Artenvielfalt.
Doch wie diese indirekten Auswirkungen zu analysieren sind, dafür gebe es
„derzeit keine vereinbarten harmonisierten Methoden“, erklärt die
EU-Kommission in ihrem Berichtsentwurf. Die zuständige EU-Behörde für
Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat in ihrer Abschlussanalyse zu Glyphosat
kritisiert, dass die Pestizidhersteller keine systematische
Literaturzusammenstellung zum Thema geliefert hätten, obwohl dies
angefordert worden sei. Aus diesen Gründen seien „keine eindeutigen
Schlussfolgerungen“ dazu möglich, wie der Unkrautvernichter sich auf die
Artenvielfalt auswirkt.
## Umweltschützer: EU-Kommission unverantwortlich
Dennoch ist die Kommission offenbar der Meinung, dass die Mitgliedsländer
das Problem leichter in den Griff bekommen können als die EU und die Efsa:
„Aufgrund der komplexen und multifaktoriellen Elemente sind die
Mitgliedstaaten am besten in der Lage, die indirekten Auswirkungen auf ihr
Hoheitsgebiet unter Berücksichtigung ihrer nationalen und regionalen
Umweltbedingungen zu bewerten“, schreibt die Brüsseler Behörde. Sie könnten
dann gegebenenfalls auch Bedingungen für die Anwender festlegen, um das
Risiko zu reduzieren. Die Kommission nennt als Möglichkeiten zum Beispiel
Pufferzonen, spezielle Düsen, die Abdrift des Pestizids mindern, und
Feldränder etwa mit Hecken.
Die Efsa hatte noch auf weitere Fragen hingewiesen, die sie nicht klären
konnte: Dazu zählt „die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für
Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen“. Ungewiss ist
laut Efsa zudem, wie giftig ein bestimmter Stoff ist, der
produktionsbedingt Glyphosat verunreinigt. Klar sei bereits, dass bei 12
von 23 vorgeschlagenen Verwendungen von Glyphosat „ein hohes langfristiges
Risiko für Säugetiere“ bestehe.
Auch die Reaktion auf diese Probleme will die Kommission dem jeweiligen
EU-Staat überlassen. Er solle diesen Punkten „besondere Aufmerksamkeit“
schenken, wenn er die fertigen Pestizidprodukte zulasse. Das ermöglicht der
Kommission auch ihr Fazit, „dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel die
Sicherheitsanforderungen weiterhin erfüllen werden“. Die Krebsvorwürfe
sieht die Efsa ohnehin für widerlegt an.
Die Umweltorganisation Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) kritisierte, die
Kommission weigere sich, die Verantwortung für den Schutz der Bürger und
der Umwelt zu übernehmen. „Stattdessen versucht sie, die [2][Last auf die
Mitgliedstaaten abzuwälzen], die nun mit den peinlichen Efsa-Ergebnissen
zur Toxizität des Herbizids umgehen sollen“, sagte der Geschäftsführer von
PAN Europa, Martin Dermine. Die EU-Kommission ging in einer Stellungnahme
für die taz nicht konkret auf die Vorwürfe ein. Sie schrieb im Wesentlichen
nur, dass regulatorische Entscheidungen auf der Basis von Wissenschaft und
Evidenz fielen.
Nun müssen EU-Staaten entscheiden, ob sie die Glyphosat-Zulassung erneuern,
die am 15. Dezember abläuft. Bundesagrarminister Cem Özdemir sieht die
Efsa-Untersuchung kritisch. Sie berücksichtige die Auswirkungen auf die
Natur nicht ausreichend, sagte er vor kurzem in Brüssel. „Das ist, wie wenn
Sie ein Fahrzeug fahren und auf alles testen, außer auf die Bremse“, so der
Grünen-Politiker.
Sein Koalitionspartner FDP dagegen hat sich für eine Neuzulassung
ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien steht: „Wir nehmen
Glyphosat bis 2023 vom Markt.“ Wenn sich die Ampelkoalition nicht einigen
kann, muss sich Deutschland bei der Abstimmung in Brüssel enthalten. Das
könnte sich am Ende wie eine Zustimmung auswirken.
31 Jul 2023
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Glyphosat/!t5008469
[2] https://www.pan-europe.info/press-releases/2023/07/leaked-eu-commission-pla…
## AUTOREN
Jost Maurin
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