| # taz.de -- Pestizide und ihre Auswirkungen: Das Gift kommt von oben | |
| > In einem Ort im Norden Argentiniens erkranken die Bewohner:innen – | |
| > durch Pflanzenschutzmittel. Ein Unfall, sagt das Agrarunternehmen. | |
| > Wirklich? | |
| An dem Tag, als das Dorf krank wird, fegt ein ungewöhnlich starker Wind | |
| durch die staubigen Straßen von Presidencia Roca. Das ist ein verschlafener | |
| 5.000-Einwohner-Ort im Norden Argentiniens, in dem die Hitze über den | |
| Dächern flimmert, mittags die Läden geschlossen bleiben und nur hin und | |
| wieder ein Roller über die einzige Hauptstraße rattert. | |
| An diesem Mittag des 22. Oktober 2021 durchbricht das Geräusch von | |
| Flugzeugmotoren die Siesta im Dorf, so werden es die Bewohner:innen | |
| später berichten. Gerade ist die Schule aus, als eine silberne Maschine | |
| über ihren Köpfen fliegt, über die Dächer, den naheliegenden Fluss Bermejo, | |
| den Schulgarten, in dem Araceli Gonano arbeitet. | |
| Gonano, eine Frau mit tief klingendem Lachen, ist an das Geräusch gewohnt, | |
| doch etwas fällt ihr auf: Das Flugzeug zieht diesmal ungewöhnlich hoch | |
| weite Kreise, wie ein Kunstflieger. Nur dass es keine bunten | |
| Kondensstreifen an den Himmel malt, sondern etwas in die Atmosphäre sprüht. | |
| Aus Erfahrung weiß Gonano, im Bauch der Maschine befinden sich Pestizide, | |
| Herbizide, Insektizide – Pflanzenschutzmittel, importiert aus der ganzen | |
| Welt, für die sie nur ein Wort benutzt: Gift. | |
| Gift, das Gonano, ihre drei Kinder, die Nachbarinnen und Nachbarn bald | |
| darauf erkranken lässt. Gift, dessen Ursprung mutmaßlich auch in der EU | |
| liegt. Gift, gegen dessen Verbreitung kaum jemand etwas unternimmt. | |
| Wenige Tage später klagen viele Dorfbewohner:innen über Pusteln am | |
| Körper, brennende Haut, Magenkrämpfe – und sie haben Angst vor | |
| Folgeschäden: Krebserkrankungen treten in der Region, in der Gonano lebt, | |
| viermal so häufig auf wie im Rest Argentiniens. Verlässt man sich auf die | |
| letzte staatliche Untersuchung von 2009, haben sich in den sogenannten | |
| Pueblos Fumigados – den von Pestiziden „eingenebelten Dörfern“ – | |
| Fehlbildungen bei Neugeborenen verfünffacht. | |
| Das Flugzeug, das für Gonano das Unheil bringt, gehört dem Agrarunternehmen | |
| Marfra S. A. Sieben Kilometer außerhalb des Dorfes betreibt die Firma eine | |
| Plantage, auf der Soja, Mais und Baumwolle angebaut werden. Marfra ist ein | |
| Riese unter den vielen kleinen Landwirtschaftsbetrieben in der Gegend. Was | |
| sich an diesem Tag ereignet, bezeichnet das Unternehmen später als Unfall, | |
| ausgelöst durch starken Wind, „höhere Gewalt“. Doch ist es wirklich so | |
| einfach? Und wer trägt die Verantwortung? | |
| Araceli Gonano, 35 Jahre alt, ist eine, die man in Presidencia Roca eine | |
| „Campesina“ nennt, spanisch für Bäuerin, was aber auch so viel heißt wie: | |
| „eine von hier“. Als Gonano noch ein Kind war, begann sich ihre Umgebung zu | |
| verändern. Früher war ihr Dorf eingerahmt von einem dichten Wald aus | |
| Dornbüschen und majestätisch hohen Bäumen. Das Zuhause indigener | |
| Gemeinschaften, Lebensraum von Ameisenbären und Leoparden. Doch dann musste | |
| der Wald weichen. | |
| Auf Satellitenbildern der letzten 30 Jahre lässt sich nachverfolgen, wie | |
| aus den einst grünen Flächen zunehmend braune wurden: riesige Felder, auf | |
| denen Baumwolle, Mais oder Soja angebaut werden. Rohstoffe, die am Ende der | |
| Lieferkette auch in billigen T-Shirts oder Geflügelwurst in Deutschland | |
| landen. | |
| Einen Monat nach dem unsichtbaren Pestizidregen manövriert Araceli Gonano | |
| ihren Roller durch das schachbrettartige Straßenraster ihres Heimatortes, | |
| vorbei an frei herumlaufenden Hühnern und Zitrusbäumen. Gegen die pralle | |
| Sonne trägt sie eine Cappy. Gegen die Chemikalien, die noch in der Luft | |
| sein könnten, gibt es nichts, was sie schützen könnte. | |
| Gonano parkt ihren Roller vor einem einstöckigen Haus. Hier wohnt sie mit | |
| ihrer Familie. Im Inneren des Hauses brummt die Klimaanlage. Es ist | |
| angenehm dunkel und kühl – und es fühlt sich sicherer an als vor der Tür. | |
| Früher arbeitete Gonano beim Argentinischen Institut für Agrartechnik | |
| (Inta). Mit den Nebenwirkungen von Pestiziden kennt sie sich also aus. | |
| Daher ist sie Ende Oktober auch eine der Ersten, die versteht, dass etwas | |
| nicht stimmt. Sie legt ihr Smartphone auf den Küchentisch und zeigt, was | |
| sich nach dem 22. Oktober in ihrem Dorf ereignete. | |
| ## Kranke Menschen, verkümmerte Pflanzen | |
| Araceli Gonano scrollt durch Chatverläufe, archivierte Bilder, Nachrichten. | |
| „Sie haben mal wieder gesprüht“, schreibt eine Nachbarin. Gonano zeigt | |
| Fotos von gelblichen Malen auf Pflanzen. Es sind Bilder, die später in | |
| einem Bericht einer Gesundheitsorganisation zusammengefasst werden: Eine | |
| Palme auf dem Schulhof hat sich braun verfärbt, aber nur dort, wo sie nicht | |
| überdacht ist. Zitrusbaumblätter, die sich zusammenziehen, als müssten sie | |
| sich schützen. Anders als gezüchtete Nutzpflanzen vertragen viele andere | |
| Pflanzen die Pestizide nicht. An diesem Tag ging Gonano in ihren Vorgarten | |
| und sah auch dort die braunen Male auf den Blättern. „Alles war bespritzt“, | |
| erinnert sie sich. Als ob eine unsichtbare Substanz Löcher in die Blätter | |
| gebrannt hätte. | |
| Im örtlichen Radiosender verkündete Bürgermeister Gustavo Martínez, die | |
| Ernten der Kleinerzeuger:innen seien vollständig beschädigt. An | |
| normalen Tagen rollen Lastwagen mit Gemüse oder Obst aus Presidencia Roca. | |
| Nach dem Vorfall war man vorsichtig, die Ware aus dem Dorf zu verkaufen. | |
| Kurz nachdem die Pflanzen krank geworden sind, erkrankten auch die | |
| Menschen. Ihre Zwillinge hätten Fieber bekommen, durchgehend geweint, sich | |
| erbrochen, dann kamen die Pusteln, erinnert sich Gonano. Sie reicht ihr | |
| Handy über den Küchentisch. Auf dem Foto das Gesicht eines der Zwillinge, | |
| das mit winzigen roten Punkten überzogen ist. Auf einem anderen hat das | |
| Kind einen aufgeblähten Bauch wie ein Ballon. Ein paar Tage später sei sie | |
| selbst krank geworden, erzählt Gonano. Als sich die Bewohner:innen in | |
| diesen Tagen von ihren Krankheitsverläufen erzählten, habe sich das immer | |
| gleich angehört: die Koliken, das Fieber, die Pusteln auf der Haut. | |
| Im Krankenhaus aber hätten die Ärzt:innen den Bewohner:innen die | |
| üblichen Diagnosen gestellt. Es sei nur ein Magen-Darm-Virus, eine | |
| Allergie. Man möge die Hautcreme wechseln. In den darauffolgenden Tagen | |
| wurde die Schlange vor dem Krankenhaus immer länger, irgendwann war sie 50 | |
| Meter lang. An Tag 18 berichtete die Lokalpresse, 700 Bewohner:innen | |
| seien in das örtliche Krankenhaus eingewiesen worden. Auf Anfrage der taz | |
| wollte sich das Krankenhaus nicht zu den Krankheitsfällen Ende Oktober | |
| äußern. | |
| Für Gonano ist der Zusammenhang zwischen dem hoch fliegenden Sprühflugzeug | |
| am 22. Oktober, den verkümmerten Pflanzen und ihren kranken Kindern klar. | |
| „Das Gift kam mit dem Wind“, sagt sie. Der sei an diesem Tag besonders | |
| stark gewesen und habe die Pestizide weit über Presidencia Roca verteilt. | |
| Dort, wo sie eigentlich nicht landen sollten. Ohne es zu bemerken, seien | |
| die Bewohner:innen von dem unsichtbaren Giftnebel eingehüllt worden, | |
| glaubt sie. „Weil wir draußen waren, wurden wir alle kontaminiert.“ | |
| Das Gift rieselte herab in den schlammigen Fluss, in die Wassertanks auf | |
| den Dächern, ins Wasserwerk, das zum Himmel offen ist, in die Brunnen. | |
| Womöglich steckte es im Wasser, mit dem Gonano morgens die Babynahrung | |
| anrührt, im Leitungswasser, mit dem sie ihr Gesicht wäscht, im Matetee, den | |
| sie trinkt. Das Gift benetzte das Dorf. | |
| Was die Bewohner:innen von Presidencia Roca nur ahnen, können | |
| Wissenschaftler:innen mittlerweile belegen: [1][Das Umweltinstitut | |
| München geht davon aus, dass Pestizide sich nicht nur durch das Grundwasser | |
| oder den Wind verbreiten, sondern auch durch feine Luftpartikel]. | |
| Rückstände können noch mehrere Kilometer vom Ort, wo sie versprüht wurden, | |
| gemessen werden. | |
| Wer in Presidencia Roca die Frage nach der Verantwortung für all das | |
| stellt, stößt auf unterschiedliche Antworten: | |
| Schuld ist der Wind. | |
| Schuld sind die Landwirte. | |
| Schuld sind die internationalen Agrarriesen. | |
| Schuld ist der Kapitalismus. | |
| Schuld sind die Konsument:innen. | |
| Fragt man Araceli Gonano, ist die Antwort eindeutig: Marfra. | |
| ## Die Heuschrecke Marfra | |
| Marfra ist ein Unternehmen, das sich nach außen als regionales | |
| Familienunternehmen darstellt, aber in Wirklichkeit Teil des Agrarriesen | |
| Unitec Agro ist. Die Unternehmensgruppe gehört dem Geschäftsmann und | |
| fünftreichsten Argentinier Eduardo Eurnekian. Groß geworden als | |
| Textilhersteller, besitzt er neben quadratkilometerweise Baumwoll- und | |
| Sojaplantagen heute etwa 50 Flughäfen weltweit. Don Panos heißt der | |
| Standort in der Nähe von Presidencia Roca. Hier baut Marfra Baumwolle, Mais | |
| und Soja an – auf knapp 170 Quadratkilometern, in etwa der Fläche von | |
| Wuppertal. | |
| An einem gewittrigen Tag Ende November 2021 sitzt Araceli Gonano versunken | |
| auf dem Beifahrersitz, während tiefhängende Stromleitungen und ein | |
| abgemähter Grünstreifen vorbeiziehen. Die Plantagen rechts und links vom | |
| Weg gehören zu Marfra. Gonano würde sich gerne anschauen, was aus der | |
| Baumwolle geworden ist, wegen der sie und die Dorfbewohner:innen krank | |
| geworden sind. Doch das Betreten des Geländes ist Unbefugten untersagt. | |
| Von der Straße aus sieht man nicht mehr als ein Schild mit dem Namen der | |
| Firma, Zierpalmen, die im Wind wehen, ein Bürogebäude. „Es ist eine Welt | |
| für sich“, sagt Gonano, die nur vom Hörensagen weiß, was alles dazugehört: | |
| Sogar ein eigenes Aquädukt und ein Elektrizitätswerk sollen sich auf dem | |
| Gelände befinden. Don Panos soll über die größte Industrieanlage des Landes | |
| verfügen, in der Baumwolle zu Fasern verarbeitet wird. Fragt man Gonano, | |
| wohin die Baumwollfasern gefahren oder verschifft werden, zuckt sie mit den | |
| Schultern. In ihrem Dorf würden sie sicher nicht gebraucht. | |
| Die Baumwollfasern sind für den ausländischen Markt bestimmt. Ein Großteil | |
| der Baumwolle aus der Provinz Chaco, in der Presidencia Roca liegt, wird in | |
| den etwa 900 Kilometer entfernten Hafenort Rosario gefahren. Geschätzt | |
| kommen jeden Tag rund 4.000 Lkws dort an. Der Hauptanteil der Fasern | |
| [2][wird von dem weltweit größten Reis- und Baumwollunternehmen Louis | |
| Dreyfus nach Vietnam, Pakistan und Singapur exportiert] und dort zu | |
| Textilien verarbeitet. Die billigen T-Shirts, Hosen und Hemden landen dann | |
| auch auf dem deutschen Markt. | |
| Für Argentinien – nicht erst seit der Coronapandemie in einer | |
| wirtschaftlichen Krise – ist Baumwolle ein vergleichbar wichtiges Exportgut | |
| wie für Deutschland Autos und Pharmaprodukte. Die Regierung hat gute | |
| Gründe, die Landwirtschaft zu fördern – und Gesetze, die sie einschränken | |
| könnte, zu vermeiden. Auch hier in der Provinz Chaco sind die Lokalpolitik | |
| und das Agrarunternehmen Marfra eng miteinander verflochten. [3][Nach | |
| Angaben des lokalen Portals Infoqom] hielt der Gouverneur von Chaco, Jorge | |
| Capitanich, auf dem Gelände von Marfra Wahlkampfveranstaltungen ab. Die | |
| Firma bezeichnete er als inspirierend für das gesamte argentinische Volk. | |
| ## Ein Schweigegeld stoppt die Klagen | |
| „Don Panos ist makro“, sagt Araceli Gonano. Die Kleinbäuer:innen, die die | |
| Region mit Nahrungsmitteln versorgen, seien winzig im Vergleich. Die | |
| Autofahrt führt nun vorbei an ihren Feldern. Sie sind kaum einen Hektar | |
| groß, voller Kürbisse, Wassermelonen, Bohnen. Daneben ein vertrockneter | |
| Grünstreifen – auch eine Konsequenz des Pestizidregens, sagt Gonano. Sie | |
| hält vor einem Hof. Er gehört einem früheren Arbeitskollegen aus dem | |
| Agrarinstitut. Weil er nicht offen sprechen will, soll er in dieser | |
| Geschichte Juan Gonzales heißen. | |
| „Hola“, ruft Gonano in eine Halle. Gonzales begrüßt seine Bekannte in | |
| Arbeitskleidung. Er stemmt die Hände in die Hüften. Auch die Bilder auf | |
| seinem Smartphone zeigen, dass seine Pflanzen den Pestizidregen nicht | |
| unbeschadet überstanden haben: Sie zeigen Tabakpflanzen, die ihre Blätter | |
| hängen lassen und Male aufweisen. | |
| Drei Tage nach dem Vorfall legten rund 30 Landwirt:innen eine Beschwerde | |
| bei den örtlichen Behörden ein. Ihre Felder liegen nur wenige Kilometer von | |
| Don Panos entfernt. Doch ihre Wut schien nicht lange anzuhalten. Gonzales | |
| betont, dass er sich nicht negativ gegenüber dem Unternehmen äußern möchte. | |
| „Sie können machen, was sie wollen“, sagt er und zuckt resigniert mit den | |
| Schultern. | |
| Seine Verschwiegenheit habe einen Grund, wirft ihm Gonano vor. Nachdem die | |
| Landwirt:innen Beschwerde eingereicht hatten, seien Vertreter:innen | |
| von Marfra bei ihnen vorbeigekommen und hätten jedem umgerechnet rund 600 | |
| Euro pro Hektar als „Entschädigung“ angeboten, erzählt sie – vermutlich, | |
| damit sie schweigen. Eine Woche später lassen sie ihre Beschwerde fallen | |
| und mindern so den Druck auf Marfra, den Vorfall aufzuklären. „Es ist | |
| vielleicht schmerzhaft“, rechtfertigt Gonzales sich dafür, aber für sie, | |
| die Landwirt:innen, die nicht wissen, wie sie am nächsten Tag über die | |
| Runden kommen, sei jede noch so kleine finanzielle Zuwendung willkommen. | |
| Auch über die Frage, wie gefährlich die Pestizide wirklich sind, sind sich | |
| die früheren Arbeitskolleg:innen uneinig. Gonzales glaubt, dass die | |
| Pestizide nach 5 bis 15 Tagen verschwunden seien. „Und wenn es regnet, und | |
| wenn sie in den Boden sickern?“, fragt Gonano gegen das Auto gelehnt. Sie | |
| zieht an ihrer Zigarette und scrollt hektisch auf ihrem Smartphone, googelt | |
| das Herbizid, von dem sie gehört hat, dass es hier eingesetzt wurde. | |
| „Harness“, liest sie vor. | |
| Im Sicherheitsdatenblatt steht, es kann beim Kontakt mit dem Körper unter | |
| anderem allergische Reaktionen auslösen, Husten oder Erstickungsgefühle, | |
| Kopfschmerzen und Schwindel. Das Blatt listet auch Informationen darüber | |
| auf, wie das Pflanzenschutzmittel gelagert und genutzt werden darf. Wie das | |
| aber kontrolliert wird, ist weltweit unterschiedlich geregelt. | |
| Anders als in Deutschland gibt es in Argentinien kein nationales Gesetz, | |
| das festlegt, wie Pestizide eingesetzt werden, erklärt der Agraringenieur | |
| Javier Souza bei einem Besuch in der Hauptstadt Buenos Aires. Er ist einer | |
| derjenigen, die seit Jahren ein einheitliches Gesetz fordern – bisher | |
| vergeblich. Bislang gebe es nur regionale Gesetze, die aber den | |
| Lokalpolitiker:innen unterstünden. Gouverneuren, die sich auch für | |
| die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Provinz starkmachen. | |
| In der Provinz Chaco heißt das Regelwerk [4][„Gesetz über Biozide der | |
| Provinz Chaco“]. Es listet Vorsichtsmaßnahmen, Abstandsregeln und | |
| Freiheitsstrafen von bis zu 25 Jahren bei schweren Pestizidunfällen auf. | |
| „Das Gremium, das das überwachen soll, gibt es aber nicht“, sagt Souza. Es | |
| liege also im Ermessen der Betroffenen, selbst eine Beschwerde – etwa bei | |
| den lokalen Polizeistationen – einzureichen. Oft seien diese Beschwerden | |
| das einzige Mittel, das die Betroffenen hätten – und es sei selten | |
| effektiv. | |
| Erst einen Monat nachdem das silberne Flugzeug über Presidencia Roca | |
| kreiste, wurden die lokalen Behörden doch aktiv und schalteten die | |
| Staatsanwaltschaft ein. Am 10. November werden gerichtlich alle weiteren | |
| Sprüheinsätze vom Boden und aus der Luft auf die Anbauflächen von Marfra in | |
| der Provinz Chaco gestoppt. Eine vorsorgliche Vorsichtsmaßnahme, [5][die | |
| kurze Zeit später überraschenderweise wieder aufgehoben wird]. Marfra wolle | |
| seine Ernte sichern, glaubt Gonano, dem Unternehmen gehe es nur um seinen | |
| Gewinn. | |
| Sie ist noch immer sauer auf ihren früheren Arbeitskollegen, der sich | |
| scheinbar mit Geld hat bestechen lassen. Welches Geld der Welt würde eines | |
| ihrer Kinder wieder zum Leben erwecken, falls es durch die Folgen des | |
| Pestizid-Einsatzes stirbt?, fragt sich Gonano einen Tag später. Mit der | |
| einen Hand füttert sie ihre fünfjährige Tochter mit Omelett, mit der | |
| anderen schiebt sie den Doppelkinderwagen hin und her. Zum Glück schläft | |
| zumindest einer der Zwillinge. | |
| „Hier gibt es sehr viele Kinder mit Behinderungen und viele Menschen mit | |
| Magenkrebs, Gastritis, Geschwüren und anderen Krankheiten“, sagt Gonano. | |
| Doch Untersuchungen dazu gebe es kaum. Gonano sorgt sich um ihre Kinder. | |
| Das Unternehmen Marfra sei auch der Grund, warum sie manchmal gern den Ort | |
| verlassen würde. Aber für sie, die schon hier kaum über die Runden kommt, | |
| wäre es unmöglich, ohne den Job im Schulgarten, ohne das Gemüse aus dem | |
| eigenen Garten, ohne die Freundin, die ab und zu nach den Kindern schaut, | |
| zu überleben, sagt sie. | |
| ## Showdown zur Aufklärung | |
| Es ist Ende November. Im Gemeindehaus gibt es eine Versammlung, die | |
| aufklären soll, was am 22. Oktober passiert ist. Vor dem Gebäude parken | |
| schwarze Jeeps mit Nummernschildern aus Resistencia, der Hauptstadt der | |
| Provinz Chaco. Vertreter:innen von Umweltorganisationen, Ministerien | |
| und Bewohner:innen drängen durch die Tür in den Versammlungsraum. | |
| Stühle quietschen über den Boden, an der Decke surren zwei Ventilatoren. | |
| Ein Gemeindevertreter stellt die Redner:innen vor. Bei einem der Redner | |
| stockt er, dreht sich um und fragt nach dem Namen. „Ein Ingenieur“, sagt er | |
| schließlich, ohne seinen Namen zu nennen. Auch für wen der Ingenieur | |
| arbeitet, sagt er nicht. Im Besprechungsraum wird getuschelt. | |
| Zu den Redner:innen gehört auch Alejandra Gómez. Die Frau in schwarzem | |
| Kleid und Outdoor-Schuhen arbeitet als Anwältin für die Gesundheits-NGO Red | |
| de Salud Popular Dr. Ramón Carrillo, die erhob, wie viele Menschen nach dem | |
| Pestizidvorfall in das örtliche Krankenhaus eingeliefert wurden. Seit im | |
| Oktober auf Gómez’ Smartphone die Bilder von Gonanos kranken Zwillingen | |
| eingegangen sind, ist sie immer wieder zu Besuch in Presidencia Roca und | |
| leistet die Arbeit, die die Lokalregierung nicht leisten kann oder will: | |
| Untersuchungen anstoßen, die laut Biozidgesetz eigentlich den Behörden | |
| zufallen. | |
| In einem Bericht, in dem ihre NGO den örtlichen Regierenden mangelnde | |
| Transparenz vorwirft, heißt es etwa, dass, erst zwei Wochen nachdem die | |
| Bewohner:innen Vergiftungserscheinungen meldeten, die Direktion für | |
| Umweltkontrolle zu Besuch gekommen sei. Das Gesundheitsamt habe sich | |
| dennoch nicht eingeschaltet. | |
| Was viele in der Gemeindehalle nicht wissen: Einige der in Don Panos | |
| eingesetzten Pestizide stammen aus Europa, obwohl sie gleichzeitig in der | |
| EU verboten sind. Die meisten stehen auf der Liste der hochgefährlichen | |
| Pflanzenschutzmittel. Dokumente des Unternehmens belegen, dass ein Pestizid | |
| im Herbst 2021 besonders oft eingesetzt wurde: Harness. Ein Produkt, das | |
| der Anwältin Gómez noch nie untergekommen sei, sagt sie, obwohl sie schon | |
| einige Klagen aufgrund von Pestizidunfällen angestoßen hat. | |
| Monsanto, das Unternehmen, das vor vier Jahren von der [6][Bayer AG] | |
| übernommen wurde, brachte das Produkt 1994 auf den Markt. Es beinhaltet | |
| Acetochlor, einen Wirkstoff, den das Institut für Arbeitsschutz der | |
| Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung [7][auf der Liste der | |
| krebserzeugenden, keimzellmutagenen und reproduktionstoxischen Stoffe] | |
| führt. In Deutschland ist kein Pflanzenschutzmittel mehr zugelassen, das | |
| diesen Wirkstoff beinhaltet. Eine [8][Studie von 2019] zeigt, dass | |
| Acetochlor bei Hautkontakt Genitalschwellungen verursachen kann. Viele der | |
| Vergiftungserscheinungen, die bei der Produktbeschreibung von Harness | |
| aufgelistet sind, passen zu den Symptomen, die die Bewohner:innen von | |
| Presidencia Roca nach dem 22. Oktober 2021 beschrieben. | |
| Auf Anfrage der taz am 11. Juli bestreitet ein Sprecher von Bayer | |
| CropScience zunächst, dass das Unternehmen Pflanzenschutzmittel an Marfra | |
| verkaufe. Einen Tag später äußert die Bayer AG: „Wir gehen derzeit | |
| Hinweisen auf den Vorfall vom Oktober vergangenen Jahres nach“. Bisher | |
| scheint es noch nicht aufgefallen zu sein, dass Marfra zum wiederholten | |
| Male ein missbräuchlicher Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vorgeworfen | |
| wurde. | |
| Und auch viele Kilometer weiter bemängelt die Anwältin Gómez einen | |
| mangelnden Aufklärungswillen. Dass die Regierungsvertreter:innen | |
| erst Wochen nach den Vergiftungserscheinungen aktiv wurden und sogar das | |
| örtliche Krankenhaus zu den vielen eingelieferten Bewohner:innen | |
| schweige und nichts von einem Zusammenhang mit dem Pestizideinsatz wissen | |
| will, so etwas sei ihr schon öfter begegnet, sagt Gómez. „Denn wenn die | |
| staatlichen Stellen diesen Zusammenhang erkennen würden, müssten sie auch | |
| anerkennen, dass wir vor einer Gesundheits- und Umweltkatastrophe stehen.“ | |
| Der am Anfang ohne Namen vorgestellte Ingenieur, kurze graue Haare, | |
| Polohemd, sitzt am Rand der Versammlung und schreibt mit. Dann ist er an | |
| der Reihe, das Wort zu ergreifen. Er erhebt sich und klammert sich beim | |
| Reden an dem Stuhl vor sich fest. | |
| „Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich arbeite für die Firma, die | |
| den Pestizideinsatz durchgeführt hat“, sagt er. Doch er werde hier nicht | |
| als Vertreter von Marfra sprechen, sondern als Pablo Ariel Markonich. Auch | |
| er sei ein Campesino, beteuert er, in der Region aufgewachsen. Er sei es | |
| gewesen, der den Pestizideinsatz am 22. Oktober angeleitet hat, sagt er. | |
| Nun habe er Angst, aus der Dorfgemeinschaft ausgestoßen zu werden. | |
| In seinen 23 Jahren als Ingenieur sei ihm so etwas noch nicht passiert, | |
| betont Markonich. Doch nun habe er einen Fehler gemacht. „Und deshalb bin | |
| ich hier, zeige mein Gesicht und gebe es zu“, sagt er, während er immer | |
| wieder von seinem Notizblock zum Boden und wieder zurück schaut. | |
| Er sei bei Marfra die Person, die für die Zusammensetzung der Pestizide | |
| verantwortlich sei und dafür Sorge trage, dass aus den ausgesäten Samen | |
| auch etwas werde, erzählt er bei einem Interview nach der Dorfversammlung. | |
| Unter normalen Wetterbedingungen habe er ein Zeitfenster von bis zu 72 | |
| Stunden von der Aussaat bis zur Geburt der Setzlinge. Am Tag des 22. | |
| Oktober, als ein ungewöhnlich starker Wind durch das Dorf blies, habe er | |
| nur noch wenige Stunden gehabt, um zu entscheiden, ob er den Sprühflug | |
| anordne – und die keimenden Pflänzchen etwas werden. „Wenn wir die Produkte | |
| nicht in diesem Zeitfenster anwenden, können wir sie auch später nicht mehr | |
| anwenden“, erklärt Markonich. | |
| Er faltet die Hände, damit man nicht sieht, wie stark sie zittern, als er | |
| erzählt, was aus seiner Sicht zu dem Unfall geführt hat: Es habe gerade | |
| aufgehört zu regnen, als er das Sprühflugzeug starten ließ, sagt er. Da sei | |
| eine „kleine Brise“ herübergeweht, ein Wind aus dem Süden. Völlig | |
| unvorhersehbar, so behauptet Markonich es einen Monat nach dem Vorfall. Er | |
| habe sich entscheiden müssen: Schickt er das Flugzeug in die Luft und | |
| sichert die Aussaat, oder lässt er es am Boden und geht das Risiko eines | |
| wirtschaftlichen Schadens ein? | |
| Er entscheidet sich für den Sprüheinsatz, gibt dem Piloten grünes Licht. | |
| Was dann passiert, beschreibt er als höhere Gewalt: Ein plötzlicher | |
| Wetterwechsel hätte zu einem Wolkenbruch geführt. Da sei es aber schon zu | |
| spät gewesen, versucht sich Markonich herauszureden. Der Wind habe einfach | |
| nicht aufgehört und mit dem Regen die Pflanzenschutzmittel in das Dorf | |
| transportiert. | |
| Dokumente und Bildmaterial, die die NGO nach dem Vorfall sammelt und die | |
| der taz vorliegen, sowie Gespräche mit Betroffenen und dem verantwortlichen | |
| Agraringenieur erhärten jedoch den Vorwurf, dass es keine höhere Gewalt und | |
| auch kein Unfall war – sondern dass das Unternehmen an diesem Tag | |
| wissentlich das Risiko in Kauf genommen hat, mit dem Sprüheinsatz die | |
| Gesundheit der Anwohner:innen zu gefährden. Sie legen nahe, dass | |
| Markonich an jenem Tag nicht nur die Wetterlage ignoriert hat, sondern | |
| zudem Angaben auf einem wichtigen Dokument überging und damit mutmaßlich | |
| gegen Vorsichtsmaßnahmen des Biozidgesetzes der Provinz Chaco verstieß. | |
| Dieses wichtige Dokument nennt sich „agronomisches Rezept“ und ist das | |
| entscheidende Beweisstück. Es enthält Informationen zum jeweiligen | |
| Sprüheinsatz – Hinweise zur Anwendung und Dosierung der | |
| Pflanzenschutzmittel, Angaben zum Hersteller, Daten über die aktuelle | |
| Wetterlage. | |
| In dem agronomischen Rezept vom 22. Oktober, das der taz vorliegt, steht: | |
| Drei Pestizide sollten auf Don Panos, in sieben Kilometer Entfernung vom | |
| Ortskern von Presidencia Roca, abgelassen werden: Prometrex FW, Fury 20 EW | |
| und Harness. Zur Anwendung der Pestizide, die klingen wie | |
| Computerspielfiguren, heißt es in den Sicherheitsdatenblättern und im | |
| agronomischen Rezept: „Bei Windgeschwindigkeiten über 10 Stundenkilometer | |
| ist die Behandlung abzubrechen.“ Und: „Nicht an windigen Tagen sprühen.“ | |
| An jenem Tag im Oktober 2021 aber misst die Wetterstation in Presidencia | |
| Roca eine Windstärke von 14 Meter pro Sekunde. Auch diese Angaben stehen im | |
| agronomischen Rezept, das Markonich unterschrieben hat, was beweist, dass | |
| er gewusst hat, dass der Wind eigentlich zu stark war – und dass er die | |
| Vergiftung der Dorfbevölkerung vermutlich in Kauf genommen hat. | |
| Mit der Frage konfrontiert, warum er den Sprühvorgang trotzdem angeordnet | |
| hat, gesteht Markonich ein: „Es stimmt, es gab einen vorherigen Wind mit | |
| böigen Bedingungen.“ Er habe aber alle anderen Vorsichtsmaßnahmen | |
| eingehalten. Der Unfall sei aufgrund der komplexen Wetterbedingungen | |
| passiert. | |
| Sein Team und das ganze Unternehmen hätten den Vorfall innerhalb von 48 | |
| Stunden gemeldet, sagt Markonich im Gemeindehaus von Presidencia Roca. Die | |
| Geschäftsleitung habe außerdem – noch bevor die Bevölkerung erkrankt ist �… | |
| eine Entschädigung für die Kleinerzeuger:innen angekündigt und die | |
| Sprühvorgänge auf Don Panos vorerst gestoppt. Für das Unternehmen könne das | |
| einen Verlust von 5 Millionen Dollar bedeuten, behauptet Markonich. Aber | |
| auch wenn dieser Sprüheinsatz ein Fehler gewesen sei, es seien Unfälle, die | |
| man in Kauf nehmen müsse, sagt er. Denn er glaubt nicht, dass die | |
| Landwirtschaft, auch global gesehen, ohne Pestizide auskäme. „Die Nachfrage | |
| könnte nicht befriedigt werden.“ Zumindest nicht zu diesen Preisen. | |
| Über die Frage, ob eine weltweite Bevölkerung ohne Einsatz von Pestiziden | |
| versorgt werden kann, sind sich auch Wissenschaftler:innen, | |
| Politiker:innen und NGOs nicht einig. Der [9][Naturschutzbund | |
| Deutschland] argumentiert, gerade der Verzicht auf chemisch-synthetische | |
| Pestizide und Düngemittel schütze die Ökosysteme, die wiederum die | |
| Nahrungsmittelsicherheit garantierten. In einem [10][Artikel des | |
| Fachmagazins Nature Communication von 2017] heißt es, die Weltbevölkerung | |
| könne ernährt werden, wenn sich das Konsumverhalten global verändere, etwa | |
| wenn mehr Menschen auf Fleisch verzichten und mehr Anbauflächen für die | |
| Nahrungsmittelerzeugung als für Futtermittel genutzt würden. | |
| Bayer hingegen behauptet auf seiner Webseite, dass die Erträge ohne den | |
| Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu gering seien, damit für | |
| alle Menschen auf der Welt genügend Nahrung da sei. | |
| Für die Menschen im Gemeindesaal von Presidencia Roca bleibt das eine | |
| abstrakte Debatte. Sie wollen Aufklärung und dass ein Pestizidunfall wie | |
| dieser nicht noch einmal passiert. Ein Gemeindevertreter abseits der | |
| Versammlung berichtet, die Gesandten der verantwortlichen Umweltbehörde | |
| hätten zwar Proben aus verschiedenen Wasserquellen und von Pflanzen im Dorf | |
| entnommen. Aber 40 Tage später liegt der Gemeinde noch immer kein | |
| offizielles Ergebnis vor. Für eigene Spezialisten und Gutachten fehlen | |
| ihnen die Mittel. „Ich fühle mich handlungsunfähig“, sagt der | |
| Lokalpolitiker. | |
| Zusammen mit Anwältin Alejandra Gómez reichen die Bewohner:innen Klage | |
| ein. Die Forderung: Marfra muss alle Pestizideinsätze stoppen. In erster | |
| und zweiter Instanz wird der Fall abgewiesen. Vier Monate später, im | |
| Frühjahr 2022, landet er vor dem Obersten Gerichtshof der Provinz Chaco. | |
| Gómez sagt, die Ermittlungen verzögerten sich erheblich: „Wir gehen davon | |
| aus, dass die großen Unternehmen, die den politischen und gerichtlichen | |
| Amtsträgern nahestehen, nicht an der Wahrheitsfindung interessiert sind.“ | |
| Marfra hat zwar eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben, aber wenige | |
| Wochen nach dem Unfall darf das Unternehmen weiter sprühen, pünktlich zu | |
| den vom Unternehmen beantragten Terminen, damit die Ernte nicht von | |
| Schädlingen zerstört wird, so sieht es Gómez. Und das, obwohl einige | |
| Bewohner:innen noch immer an den chronischen Folgen der Vergiftung im | |
| Oktober leiden, etwa an Magenschmerzen. | |
| Gómez’ NGO nimmt die medizinische Untersuchung selbst in die Hand und lässt | |
| zehn Personen Blut abnehmen. Auch bei Gonano. Währenddessen kämpfen die | |
| Kleinerzeuger:innen rund um Presidencia Roca um ihre Existenz, auch | |
| Gonanos früherer Arbeitskollege Gonzales. Das Gift habe manche ihrer | |
| Pflanzen, etwa die Kürbisernte, vollkommen zerstört, sagt Gonano. | |
| Fragt man Gonano, was Marfra ihrer Meinung nach tun sollte, sagt sie: „Sie | |
| müssten eine Risikoanalyse durchführen.“ Tatsächlich arbeitet die | |
| Europäische Union 11.000 Kilometer weiter an einer Lösung. Eine | |
| Risikoanalyse wäre Teil eines [11][Richtlinienvorschlags], den die | |
| EU-Kommission am 23. Februar angenommen hat. Darin steht: Unternehmen | |
| können rechtlich dazu aufgefordert werden, die Bedingungen zu überprüfen, | |
| unter denen Rohstoffe am Beginn der Lieferkette angebaut werden – und | |
| müssen gewährleisten, dass dadurch keine Menschenrechtsverletzungen oder | |
| Umweltkatastrophen passieren. In Deutschland müssen Unternehmen ab einer | |
| bestimmten Größe ab 2023 jährlich eine Risikoanalyse vorlegen, die diese | |
| Gefahren ermittelt. | |
| Betroffene wie Araceli Gonano könnten ihre Beschwerde an ein EU-Organ | |
| richten. Wenn die Bewohner:innen von Presidencia Roca wüssten, welches | |
| europäische Unternehmen die Baumwolle oder das Textilprodukt aus | |
| Argentinien bestellt, könnten sie sich mit ihrer Beschwerde an die | |
| zuständigen EU-Behörden wenden. Würde die Beschwerde ein Unternehmen etwa | |
| in Deutschland erreichen und könnten Betroffene nachweisen, dass dieses | |
| Unternehmen Rohstoffe von Marfra für die Weiterverarbeitung bezieht, müsste | |
| das Unternehmen den Vorwürfen nachgehen, auch bei ihnen vor Ort, in | |
| Presidencia Roca. | |
| Während die Anwältin Gómez große Hoffnung in europäische | |
| Lieferkettengesetze setzt, hegt Araceli Gonano Zweifel: „Wir sind die | |
| Kleinen und kämpfen gegen die Großen“, sagt sie im Mai 2022. Gegen wen | |
| genau, weiß sie nicht. | |
| Ann Esswein (Text) und Felie Zernack (Fotos und Recherche) haben fast ein | |
| Jahr zu globalen Lieferketten recherchiert. Im Herbst 2021 waren sie zwei | |
| Monate im Norden von Argentinien unterwegs. | |
| Die Recherche wurde gefördert und unterstützt von Netzwerk Recherche e. V., | |
| Olin gGmbH und VG Wort. | |
| 17 Jul 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/2020/pestizide/p… | |
| [2] https://supplychains.trase.earth/flows?toolLayout=1&countries=12&co… | |
| [3] https://infoqom.com.ar/index.php/interior/8242-don-pano-fumigacion-con-agro… | |
| [4] https://argentinambiental.com/legislacion/chaco/ley-2026-ley-biocidas/ | |
| [5] https://www.chacodiapordia.com/2021/12/09/a-pesar-de-la-cautelar-una-jueza-… | |
| [6] https://www.bayer.com/de/produkte/produkte-von-a-bis-z#H | |
| [7] https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3517 | |
| [8] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2214442018303449?via%3Di… | |
| [9] https://thueringen.nabu.de/news/2022/31456.html | |
| [10] https://www.nature.com/articles/s41467-017-01410-w | |
| [11] https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2022/729424/EPRS_BRI(20… | |
| ## AUTOREN | |
| Ann Esswein | |
| Felie Zernack | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Bayer AG | |
| Schwerpunkt Pestizide | |
| Pflanzenschutzmittel | |
| Argentinien | |
| Krankheit | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| GNS | |
| Landwirtschaft | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Schwerpunkt Pestizide | |
| Schwerpunkt Bayer AG | |
| Schwerpunkt Pestizide | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Pestizide | |
| Buenos Aires | |
| Fische | |
| Insekten | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Pflanzengift in Brasilien: Leichtes Spiel für Agro-Konzerne | |
| Bevor Präsident Lula das umstrittene brasilianische Pestizidgesetz | |
| unterschrieb, entschärfte er es. Umweltschützer*innen reicht das | |
| nicht. | |
| Umstrittenes Pestizid Glyphosat: Bayer nutzt Greenpeace-Methode | |
| Glyphosat ist EU-weit nur noch bis Mitte Dezember zugelassen. Der | |
| Leverkusener Agrarchemiekonzern wirbt für die Neuzulassung – mit einer | |
| Petition. | |
| Entwaldung für Sojaanbau in Brasilien: Dann holzt die Firma eben woanders | |
| Statt im Amazonas-Regenwald wird in der Cerrado-Savanne gerodet. Die Spur | |
| der Zerstörung soll bis nach Deutschland führen. | |
| Heuschreckenplage in Afghanistan: Insekten vernichten die Ernte | |
| Nach drei Jahren Dürre hatten die afghanischen Bauern auf bessere Erträge | |
| gehofft. Das Bekämpfungsprogramm scheiterte. | |
| Pestizide in der Landwirtschaft: 2,5-mal höheres Sterberisiko | |
| Hat Argentiniens Landbevölkerung ein höheres Krebsrisiko? Eine Studie in | |
| acht Dörfern hat das untersucht – das Ergebnis fällt eindeutig aus. | |
| Personalwechsel bei Pestizidkonzern: Bayer-Chef geht wegen Glyphosat | |
| Vorstandschef Baumann verantwortet den Kauf des Pestizidherstellers | |
| Monsanto. Die Gewerkschaft IG BCE lehnt es ab, den Konzern nun zu | |
| zerschlagen. | |
| Protest gegen Edeka-Bananen: Gelb und giftig | |
| Gewerkschafter:innen aus Ecuador protestieren gegen Edeka. Sie werfen | |
| dem Lebensmittelhändler den Einsatz toxischer Pestizide vor. | |
| Ausfuhren von Pestiziden: Mehr Exportverbote gefordert | |
| Die Ampelkoalition müsse Ausfuhren von allen in der EU untersagten Giften | |
| verhindern, so Umweltschützer. Doch so weit will man in Berlin nicht gehen. | |
| Verbote von Pestiziden in der EU: Naturschützer gegen Grüne | |
| Umweltverbände rügen das Bundesagrarministerium. Es will Bauern | |
| entgegenkommen, die Verbote von Pestiziden in Landschaftsschutzgebieten | |
| ablehnen. | |
| Feuer im Delta des Río Paraná: 900 Quadratkilometer abgebrannt | |
| Unweit von Buenos Aires brennt es erneut. Immobilienspekulanten kommt das | |
| gelegen, Regierung und Opposition wollen nichts tun. | |
| Fischesterben in der Oder: Möglicherweise Quecksilber im Fluss | |
| Im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder sterben plötzlich massenweise Fische. | |
| Vermutlich infolge einer erhöhten Konzentration von Quecksilber. | |
| Schädliche Stoffe in Zierpflanzen: Giftiger Lavendel | |
| Sonnenblumen, Hyazinthen und Co. sind beliebte Nektarquellen für Bienen. | |
| Laut einer neuen Studie sind sie aber oft mit Pestiziden belastet. | |
| Umweltverbände kritisieren Ackergifte: Immer mehr Pestizide weltweit | |
| Umweltorganisationen sehen eine Gefährdung von Mensch und Natur. Wenige | |
| Chemiekonzerne beherrschen den globalen Markt. | |
| Arbeiter auf den französischen Antillen: Anerkennung von Pestizid-Opfern | |
| Frankreich erkennt Prostatakrebs bei Arbeitern auf Bananenplantagen fortan | |
| als Berufskrankheit an. Diese können nun Entschädigung beantragen. |