# taz.de -- Entwaldung für Sojaanbau in Brasilien: Dann holzt die Firma eben w… | |
> Statt im Amazonas-Regenwald wird in der Cerrado-Savanne gerodet. Die Spur | |
> der Zerstörung soll bis nach Deutschland führen. | |
Bild: Landschaft an der Grenze zwischen Amazonienh und Cerrado, Brasilien, 28.0… | |
BERLIN taz | Anfang Juni machte eine hoffnungsvolle Nachricht die Runde: | |
Die [1][Abholzung im Amazonas-Regenwald nimmt ab.] Stolze 31 Prozent | |
weniger Waldfläche wurde seit Anfang des Jahres abgeholzt. Allerdings: Im | |
gleichen Zeitraum stieg die Entwaldung in der zentralbrasilianischen | |
Savanne Cerrado stark an. Zwischen Januar und Mai 2023 wurden dort 353.200 | |
Hektar Wald zerstört – das ist der höchste Wert der letzten fünf Jahre. | |
Allein im Mai 2023 waren die Entwaldungsmeldungen im Cerrado um 83 Prozent | |
höher als im Vorjahr. | |
Eine am Montag vorgestellte [2][Studie der Deutschen Umwelthilfe und der | |
US-amerikanischen Umweltschutzorganisation Mighty Earth] zeigt: Die Spur | |
der Zerstörung im Cerrado führt auch nach Deutschland. Anhand von | |
Satellitenbildern und Rechnungen identifizierten die Autor*innen | |
Soja-Lieferanten, die für die Abholzung, Brandrodung und Zerstörung von | |
11.351 Hektar Land nach 2021 verantwortlich seien sollen. | |
Der Cerrado ist die artenreichste Savanne der Welt, erstreckt sich über | |
mehrere brasilianische Bundesstaaten und ist mit mehr als 200 Millionen | |
Hektar so groß wie Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien und das | |
Vereinigte Königreich zusammen. Über Boden und Wurzelsysteme speichert der | |
„umgedrehte Wald“ rund 137 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Die Hälfte der | |
Cerrado ist bereits entwaldet und wurde in landwirtschaftliche Nutzflächen | |
und Weideland umgewandelt, vor allem für den Soja-Anbau. | |
Mehr als 50 Prozent der brasilianischen Sojaanbauflächen befinden sich im | |
Cerrado. Soja kommt vor allem als Futtermittel in der Tierproduktion zum | |
Einsatz, ein Großteil des brasilianischen Sojas geht ins Ausland. Die | |
weltweit steigende Nachfrage nach Fleisch begünstigt den Soja-Boom in | |
Brasilien, [3][die Folgen sind oft verheerend: Umweltverschmutzung, | |
Landraub, Konflikte mit indigenen Gemeinden]. | |
## Wer ist der Zerstörer? | |
Ein Konzern steht in der Studie im Fokus: Bunge. Der US-Konzern mit einem | |
Jahresumsatz von 67 Milliarden US-Dollar soll für die Zerstörung von 15.897 | |
Fußballfeldern in der Cerrado-Savanne direkt verantwortlich sein. „Bunge | |
kann ohne Weiteres als der Sojahändler mit dem größten Entwaldungsrisiko im | |
Cerrado gelten“, heißt es in der Studie. | |
Der Konzern hatte eigentlich verkündet, seine Lieferketten bis 2025 | |
entwaldungsfrei zu gestalten, und erklärt, kein Getreide aus Gebieten mit | |
illegaler Abholzung zu beziehen. Die Studie wirft Bunge jedoch vor, die | |
eigenen Ziele zu verfehlen und auch im Zeitraum zwischen April 2022 bis | |
März 2023 Soja von mindestens zwei Farmen im Cerrado bezogen zu haben, die | |
in Verbindung mit illegaler Abholzung stehen. | |
Für Bunge ist die EU der wichtigste Markt. Im Jahr 2022 erzielte das | |
Unternehmen dort 39 Prozent des Umsatzes, vor allem in die Niederlande, | |
Spanien, Frankreich und Deutschland. | |
## Naturzerstörung in der Lieferkette | |
Viele Firmen hier werben mittlerweile mit zertifiziertem entwaldungs- und | |
gentechnikfreien Fleisch. Allerdings, so zeigt die Recherche, verwenden | |
viele weiterhin offenbar Soja von Bunge als Tierfutter für die Produktion | |
von Rind-, Schweine-, Geflügel- und Milchprodukten. | |
Nur 3 von 50 befragten deutschen Unternehmen aus dem | |
Lebensmitteleinzelhandel, der Fleischverarbeitung und Systemgastronomie | |
konnten ausschließen, dass sie Futtermittel von Bunge beziehen. „Es ist ein | |
Skandal, dass deutsche Unternehmen wie Rothkötter, Tönnies und Edeka nicht | |
ausschließen können, dass ihre Lieferketten zu Naturzerstörung führen“, | |
sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen | |
Umwelthilfe. „Diese Unternehmen müssen alle Geschäftsbeziehungen zu | |
Zulieferern einstellen, die Entwaldung in ihren Lieferketten nicht | |
ausschließen können.“ | |
Der EU-Rat verabschiedete im Mai 2023 die europäische Entwaldungsverordnung | |
(EUDR). Unternehmen, die mit bestimmten Rohstoffen handeln, müssen | |
nachweisen, dass ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht zur Entwaldung | |
beitragen, bevor sie Zugang zum EU-Markt bekommen. | |
Allerdings fällt der Cerrado – im Gegensatz zum Amazonas-Regenwald – nicht | |
in den Gestaltungsbereich der EUDR. Laut der Studie bestehe dadurch die | |
Gefahr eines gefährlichen Spillover-Effekts. Die Autor*innen schreiben: | |
„So könnten einige Sojalieferanten für die Fleisch- und Milchindustrie der | |
EU diese Gesetzeslücke als Gelegenheit nutzen, die Produktion in diesen | |
ungeschützten Gebieten zu intensivieren, um die EU-Vorschriften zu umgehen | |
und damit in der Folge den landwirtschaftlichen Druck auf das Biom | |
erhöhen.“ | |
26 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Bedrohter-Regenwald-in-Brasilien/!5939443 | |
[2] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/entwaldung-ve… | |
[3] /Landkonflikt-in-Brasilien/!5693741 | |
## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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