# taz.de -- Ausfuhren von Pestiziden: Mehr Exportverbote gefordert | |
> Die Ampelkoalition müsse Ausfuhren von allen in der EU untersagten Giften | |
> verhindern, so Umweltschützer. Doch so weit will man in Berlin nicht | |
> gehen. | |
Bild: Fluch oder Segen? Sprühung gegen Pilzbefall im Weinberg | |
Berlin taz | Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen fordern, mehr Exporte | |
von hierzulande verbotenen [1][Pestiziden] zu untersagen als von | |
Agrarminister Cem Özdemir geplant. Der Grüne müsse eine Reform des | |
Pflanzenschutzgesetzes einleiten, um künftig die Ausfuhr besonders | |
gesundheits- und umweltschädlicher Wirkstoffe zu verhindern, verlangten das | |
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das | |
entwicklungspolitische Netzwerk Inkota und das Pestizid Aktions-Netzwerk am | |
Montag. Özdemir hat bisher nur eine Verordnung angekündigt, die die | |
AktivistInnen zwar begrüßen, aber durch ein neues Gesetz ergänzt wissen | |
wollen. Denn per Verordnung lässt sich laut einem [2][Rechtsgutachten] der | |
Verbände nur die Ausfuhr kompletter Pestizidprodukte, aber nicht von | |
Wirkstoffen in purer Form unterbinden. | |
Die Ampelparteien haben in ihrer Koalitionsvereinbarung zudem nur | |
Exportverbote für Pestizide versprochen, die in der EU aus | |
Gesundheitsgründen untersagt sind. Die Verbände verlangten nun, zusätzlich | |
Substanzen ins Visier zu nehmen, die wegen ihrer Gefahr für die Umwelt | |
verboten worden sind. | |
Die AktivistInnen kritisieren es als unverantwortlich, hierzulande als zu | |
gefährlich eingestufte Stoffe in andere Länder zu verkaufen. Weltweit | |
erlitten jährlich 385 Millionen Menschen akute Pestizidvergiftungen, 11.000 | |
würden daran sterben – vor allem im Globalen Süden. Weitere würden zum | |
Beispiel an Krebs erkranken. „Viele der in der EU verbotenen Pestizide | |
gelangen in Form von Rückständen über den Import von belasteten Südfrüchten | |
zurück in die Supermärkte Europas“, so die Verbände. Das ist auch ein | |
Wettbewerbsnachteil für EU-Bauern. Die Chemikalien werden außerdem | |
mitverantwortlich dafür gemacht, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben. | |
Deutschland hat dem Agrarministerium zufolge im vergangenen Jahr [3][8.525 | |
Tonnen in der EU nicht genehmigte Wirkstoffe] in Pflanzenschutzmitteln | |
exportiert. Rund 160 der Substanzen seien Wirkstoffe mit potenziell | |
gesundheitsschädlichen Eigenschaften. Insgesamt trägt die Bundesrepublik | |
nach Angaben der Organisationen 9,5 Prozent zum globalen | |
Pestizidexportgeschäft bei. | |
Deshalb kündigte Özdemir am Montag an, bis Ende des Jahres werde ein | |
Referentenentwurf für ein Verbot per Verordnung vorliegen. „Zuvor wurden | |
diverse andere Rechtsetzungswege untersucht“, erklärte sein Ministerium. | |
Warum es keine Reform des Pflanzenschutzmittelgesetzes plant, ließ es bis | |
Redaktionsschluss auch auf Nachfrage der taz offen. | |
Dabei scheint die Lücke, die die Verordnung lassen würde, erheblich zu | |
sein. „Im Jahr 2019 wurden zum Beispiel gar keine verbrauchsfertigen | |
Pestizidprodukte exportiert, die den Wirkstoff Chlorfenapyr enthalten. Im | |
selben Jahr lag der Export von reinem Chlorfenapyr als Wirkstoff aus | |
Deutschland aber bei mehr als 28 Tonnen“, [4][berichteten die | |
UmweltschützerInnen]. „Chlorfenapyr ist in der EU im Pflanzenschutz nicht | |
genehmigt und gilt als giftig für Bienen und sehr giftig für | |
Wasserorganismen.“ | |
Der Industrieverband Agrar, der die deutschen Pestizidhersteller vertritt, | |
lehnte ein Ausfuhrverbot aller in der EU nicht zugelassenen | |
Pflanzenschutzmittel ab. „Denn es würde die importierenden Länder wichtiger | |
Hilfsmittel zum Schutz ihrer Ernten und damit der Ernährungssicherheit | |
berauben“, schrieb ein Sprecher der Organisation der taz. Für zahlreiche | |
Pestizide würden in der EU Zulassungen gar nicht erst beantragt, weil die | |
betreffenden „Kulturpflanzen hier nicht angebaut werden oder die Schädlinge | |
hier nicht vorkommen“. Ein erheblicher Teil der betroffenen Exporte gehe in | |
Industriestaaten wie die USA, Kanada oder Japan. „Diese Länder haben | |
robuste Zulassungsverfahren, die sich allerdings von dem der EU | |
unterscheiden.“ | |
Silke Bollmohr, Welternährungsreferentin von Inkota, antwortete darauf, es | |
handele sich auch um Wirkstoffe, die in der EU jahrelang genehmigt waren | |
und dann aufgrund neuer Erkenntnisse ihre Zulassung verloren haben. | |
13 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Pestizide/!t5008935 | |
[2] https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/Gutac… | |
[3] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/119-vo-exportverb… | |
[4] https://www.inkota.de/presse/pressemitteilungen/pestizidexportverbot-rechts… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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