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# taz.de -- Bauernverband liegt daneben: Leckeres Brot aus Futterweizen
> Mit 70 bis 80 Prozent der Weizenernte könne man backen, sagt ein Experte.
> Aber trotz Hungers in armen Ländern lande das meiste vor allem im Trog.
Bild: Könnten das auch Menschen essen? Hühner mit Futterweizen
Berlin taz | Anders als der Bauernverband suggeriert eignet sich der meiste
Weizen in Deutschland zum Backen und nicht nur als Tierfutter oder
[1][Biosprit]. „Zwischen 70 und 80 Prozent des Anbaus müsste eigentlich
problemlos verbacken werden können“, sagte Friedrich Longin,
Getreideforscher und Leiter der Arbeitsgruppe Weizen an der
Landes-Saatzucht-Anstalt der Universität Hohenheim der taz. Derzeit würden
aber lediglich 30 Prozent der Weizenernte zum Backen verwendet. Der
Umweltverband Greenpeace und die katholische Entwicklungsorganisation
Misereor überreichten am Donnerstag an Bundesagrarminister Cem Özdemir Brot
aus der eigentlich als Futter vorgesehenen Weizensorte „[2][Elixer]“.
Dass solche Pflanzen nicht gegessen werden, trägt den beiden Verbänden
zufolge zu höheren Lebensmittelpreisen und Hunger bei. Deshalb übergaben
sie dem Grünen-Politiker Özdemir eine von mehr als 58.000 Menschen
unterzeichnete Petition mit der Forderung, weniger Getreide zu verfüttern
oder als Agrotreibstoff zu verwenden.
Das lehnt der Deutsche Bauernverband jedoch ab. Denn Backweizen gedeihe
[3][„nur auf besseren Standorten“]. Solche Weizensorten haben einen hohen
Proteingehalt, so dass der Teig laut Professor Longin etwas leichter zu
verarbeiten ist und stärker aufgeht. Dafür liefern diese Sorten weniger
Ertrag pro Hektar. Ein Großteil der landwirtschaftlichen Fläche eigne sich
lediglich für Futtersorten, so die Agrarlobby.
Hintergrund der Debatte ist, dass insbesondere infolge des Ukraine-Kriegs
die Lebensmittelpreise stark gestiegen sind. Dadurch wächst in Deutschland
der finanzielle Druck vor allem auf arme Menschen. Die hohen Preise sind
auch eine Ursache dafür, dass die Zahl der Hungernden weltweit im
vergangenen Jahr nach Angaben der Vereinten Nationen auf 828 Millionen
gestiegen ist.
## 10.000 Tonnen werden täglich in der EU verheizt
„Die leckeren Weizenbrote sind ein Beleg dafür, dass sogenannter
Futterweizen ein wertvolles Lebensmittel ist“, sagt Martin Hofstetter,
Agraringenieur von Greenpeace, der taz. „10.000 Tonnen Weizen werden jeden
Tag in der EU als Biosprit in Verbrennungsmotoren verheizt – genug, um
davon Tag für Tag 15 Millionen solcher Brote zu backen“, so Hofstetter.
Das Weißbrot schmeckte dem Autoren dieses Artikels bei der Verkostung im
Bundesagrarministerium in Berlin in der Tat genauso wie handelsübliche
Ware: genauso pappig wie normales Weißbrot vom Vortag – es war laut
Greenpeace am Mittwoch in Özdemirs baden-württembergischer Heimat gebacken
worden. Es sah auch genauso voluminös aus wie normales Brot. Jeder Bäcker,
erläuterte Longin, müsse sich eben „auf jede Mehllieferung etwas
einstellen, mit angepasster Knetung und Wasserzugabe“.
Auf die Frage der taz, was er tue, damit die Industrie nicht mehr nur so
genannten „Backweizen“ von den Landwirten verlange, antwortete Özdemir:
„Wir sind im Gespräch mit dem Bäckerhandwerk.“ Die Reduktion der
Beimischung von Agrosprit zu Benzin und Diesel „darf gern schneller und
mehr sein“, als vom federführenden Umweltministerium vorgeschlagen, sagte
Özdemir.
Aber er sei bei dem Thema „nicht der Allein-Entscheidende“. Das von der FDP
geführte Verkehrsministerium wolle mit Agrosprit weiterhin die Klimabilanz
des Transportsektors verbessern. Da sei aber zum Beispiel Elektromobilität
effizienter. Agrosprit ist mehreren Studien zufolge klimaschädlicher als
Erdöl, wenn man die Folgen des hohen Flächenverbrauchs einkalkuliert. Wie
er die Blockade der FDP bei dem Thema brechen wolle? „Sprechen“, sagte
Özdemir.
Der Bauernverband räumte auf Anfrage ein: „In Fachkreisen ist unbestritten,
dass aus Getreide mit etwas niedrigeren Proteingehalten gutes Brot gebacken
werden kann.“ Viele Standorte in Deutschland eigneten sich aber besser für
Futtergewinnung als für Brotgetreide. Tierhaltung sei nötig, „um die
Kreisläufe in der Düngung zu schließen.“ Greenpeace und Misereor verlangen
aber nicht, überhaupt keine Tiere mehr zu halten. Sie wollen nur die deren
Anzahl und den Fleischkonsum reduzieren.
14 Oct 2022
## LINKS
[1] /Agrosprit/!t5030945
[2] https://www.saaten-union.de/varieties/95_ELIXER
[3] https://www.stern.de/news/bauernverband-lehnt-oezdemirs-forderung-nach-weni…
## AUTOREN
Jost Maurin
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