# taz.de -- Ukraine solle „weiße Fahne“ hissen: Der Papst tappt im Dunkeln | |
> Die vornehmste Aufgabe des Vatikans ist es, für den Frieden auf der Welt | |
> zu beten. Nun fordert Franziskus die Ukraine zu einer Annäherung an | |
> Russland auf. | |
Bild: Papst Franziskus im November 2023 | |
Ach, schon wieder knallen die Champagnerkorken im [1][Kreml]! | |
Wahrscheinlich sind es nicht die vom Krimskoyer Sekt, sondern vom Original. | |
Aber das ist auch egal. Denn selbst der Papst spielt dem Präsidenten | |
Russlands nun in die Karten. | |
Derzeit läuft es einfach für den blutrünstigen Diktator an der Moskwa: Die | |
russische Wirtschaft steckt die westlichen Sanktionen erstaunlich gut weg. | |
Putins gefährlichster [2][Widersacher Alexei Nawalny] wurde in einem | |
sibirischen Lager erfolgreich um die Ecke gebracht. Der französische | |
Präsident faselt etwas von westlichen Bodentruppen in der Ukraine und | |
festigt damit die russische Legende, der Westen kämpfe gegen die Russische | |
Welt. Der Bundeskanzler weigert sich aus seltsamen Gründen, ein | |
[3][wichtiges Waffensystem] an die Ukraine zu liefern. Und die Ukrainer | |
müssen ihre Front ob des Waffen- und Munitionsmangels immer weiter | |
zurückziehen. | |
## Er extemporiert halt gerne | |
Nun, Papst Franziskus könnte zum Beispiel die Ukraine auffordern, die | |
Waffen zu strecken. Genau das hat der Pontifex maximus nun getan. Dem | |
Schweizer Sender RSI sagte das geistliche Oberhaupt von 1,4 Milliarden | |
Katholiken weltweit, dass für ihn derjenige der Stärkste ist, „der die | |
Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Fahne hat | |
und verhandelt“. Der 87-jährige Argentinier machte implizit klar, dass er | |
die Regierung in Kyjiw meint: „Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass | |
die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben zu verhandeln.“ | |
Das ist ein echter Bergoglio, so der Geburtsname von Papst Franziskus. Er | |
extemporiert halt gerne, der alte Mann im Vatikan. Es ist eine Art | |
öffentlich vernehmbares Nachdenken ohne doppelten Boden und jegliche | |
diplomatische Vorsicht. Interviews, meist nette Plaudereien, gibt er so | |
häufig wie kaum ein Nachfolger Petri zuvor. | |
Darin gibt Franziskus etwa kleine Schoten über Schwiegermütter zum Besten, | |
ergeht sich in angeblich hilfreichen Erziehungsmethoden der fünfziger | |
Jahre, cancelt mal kurz und ziemlich uninformiert die „Gender-Theorie“ ab | |
oder empfiehlt der katholischen Kirche in Deutschland, doch bitte nicht so | |
zu sein wie ihr evangelisches Pendant. Und das, nur weil sich das Volk | |
Gottes hierzulande Gedanken machte, wie man im Einklang mit der Weltkirche | |
und dem Kirchenrecht den Laden angesichts des himmelschreienden | |
Missbrauchsskandals behutsam reformieren könnte – Synodaler Weg hieß das | |
mal. | |
Um nicht missverstanden zu werden: Papst Franziskus ist ein ehrenwerter | |
Mann, nichts Böses liegt in seinen Absichten. Er versucht vorsichtig, die | |
katholische Weltkirche zu modernisieren, ohne dass die globale Gemeinschaft | |
dabei auseinanderbricht. Dass schon die jüngste vatikanische Erlaubnis | |
einer zaghaften Homosexuellen-Segnung fast zur Revolte der katholischen | |
Kirchen des Globalen Südens gegen Rom führte, lässt erahnen, dass des | |
Papstes vornehmste Aufgabe in diesen Zeiten eine schwere ist, nämlich die | |
Einheit zu bewahren. | |
## Ausgerechnet die weiße Fahne | |
Aber nun diese „Weiße Fahne“-Empfehlung aus Franziskus’ Munde? Es gab | |
Päpste, die riefen zu Kreuzzügen auf. Überliefert sind Namen von Männern | |
auf dem Papstthron, die, herabgesunken zu Regionalfürsten, in Mittelitalien | |
Eroberungen für ihren Kirchenstaat feierten. Noch Mitte des 19. | |
Jahrhunderts fielen Dutzende Männer einer päpstlichen Streitmacht in | |
Kämpfen für den Erhalt dieses vatikanischen Kleinstaates. | |
Spätestens aber seit dem 20. Jahrhundert verstehen sich die Päpste als | |
vehemente Pazifisten, die sich auf keine Seite eines Krieges stellen, und | |
sei es auf die gute. Ihre Appelle gelten nur dem Frieden. Das ist edel. | |
Aber kein Papst sollte einen überfallenen Staat wie die Ukraine zum | |
Aufgeben auffordern. Im freien Westen und im Vatikan sollten erst wieder | |
die Korken knallen, wenn der Mörder im Kreml aufgibt oder um Verhandlungen | |
fleht. Von mir aus mit Krimskoyer Sekt. | |
10 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
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