# taz.de -- Russische Abspalter in Moldau: Was gerade in Transnistrien vorgeht | |
> Die Machthaber der Separatistenregion rufen nach Putin. Heizt das den | |
> eingefrorenen Konflikt im Osten Moldaus an? Antworten auf die 8 | |
> wichtigsten Fragen. | |
Bild: Parlamentsgebäude in Tiraspol – und Lenin mit Cape | |
Transnistrien ist wieder in den Schlagzeilen. Was ist passiert? | |
Die pro-russischen Machthaber Transnistriens haben Moskau am Mittwoch auf | |
einem Sonderkongress um „Schutz“ gegen die Republik Moldau gebeten. Der | |
Kreml solle Maßnahmen ergreifen, um Transnistrien gegen Moldau zu | |
verteidigen. [1][Die Regierung in der moldauischen Hauptstadt Chișinău habe | |
einen „Wirtschaftskrieg“ begonnen]. Um welche Maßnahmen es gehen könnte, | |
bleibt unklar. | |
Was ist Transnistrien überhaupt? | |
Transnistrien ist ein etwa 200 Kilometer langer Streifen im Osten der | |
Republik Moldau, der eine Grenze zur Ukraine, nicht aber zu Russland hat. | |
Hier leben knapp 350.000 Menschen; Moldauer*innen, Russ*innen und | |
Ukrainer*innen stellen die größten Bevölkerungsgruppen. 220.000 Personen | |
haben auch russische Pässe. | |
Im Fall Transnistriens spricht man von einem eingefrorenen Konflikt. Wie | |
kam es dazu? | |
Im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre zeigten | |
sich erste Absetzbewegungen Transnistriens von Moldau, die Region erklärte | |
sich für unabhängig. 1992 brach ein Bürgerkrieg aus, rund 1.000 Menschen | |
wurden getötet. Beendet wurden die Kampfhandlungen durch ein Eingreifen der | |
14. russischen Armee. Im Juli 1992 wurde ein Waffenstillstand geschlossen. | |
Chișinău verlor faktisch die Kontrolle über die Region. Seit dieser Zeit | |
gilt der Konflikt als eingefroren. Verhandlungen (zum Beispiel „5+2“, | |
beteiligt waren Moldau, Transnistrien, die OSZE, Russland, die Ukraine, die | |
USA und die EU) blieben ergebnislos. | |
Wie ist der Status quo Transnistriens? | |
Kein Land hat die Unabhängigkeit Transnistriens anerkannt, völkerrechtlich | |
gehört die Region zur Republik Moldau. Entgegen anders lautenden Zusagen | |
ist russisches Militär in Transnistrien präsent – 1.500 bis 2.000 | |
sogenannte Friedenssoldaten sind dort stationiert. Im Dorf Cobasna befindet | |
sich ein großes Munitionsdepot. Hier sollen noch bis zu 20.000 Tonnen | |
Munition aus Sowjetzeiten lagern. Wirtschaftlich hängt Transnistrien am | |
Tropf Russlands. Lange galt die Region als idealer Umschlagplatz für | |
Schmuggelgüter aller Art. „Marktführer“ in Transnistrien ist die Holding | |
„Sheriff“. Sie besitzt unter anderem Tankstellen, Supermärkte und eine | |
Cognac-Fabrik. | |
Gab es bereits Hilfsersuchen an die Adresse Russlands? | |
Mehrmals. 2006 initiierte der bereits erwähnte Sonderkongress die | |
Durchführung eines Referendums. Bei dieser Volksabstimmung sollen sich | |
angeblich 97 Prozent der Wähler*innen für die Unabhängigkeit | |
Transnistriens sowie eine Vereinigung mit Russland ausgesprochen haben. | |
Moskau gab sich bedeckt. Im März 2014, kurz nach [2][Russlands | |
völkerrechtswidriger Annexion der Krim], stellte das Parlament einen Antrag | |
auf Aufnahme in die Russische Föderation. Der Kreml schwieg, das Vorhaben | |
wurde nicht weiter verfolgt. | |
Welche Interessen verfolgt Russland in Transnistrien? | |
Moskau betrachtet nicht nur Transnistrien, sondern auch die Republik Moldau | |
als seine Einflusszone. Die dortige Regierung unter Staatschefin [3][Maia | |
Sandu], seit 2020 im Amt, ist stramm auf Westkurs. Im Juni 2022 erhielt | |
Moldau zusammen mit der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten. | |
Bislang begnügt sich Moskau mit Störfeuer, um die innenpolitische Lage in | |
der Republik Moldau zu destabilisieren – etwa über seinen Handlanger Ilan | |
Șor. Der Oligarch und Politiker, der wegen Betruges verurteilt ist und im | |
israelischen Exil lebt, steckte 2023 hinter Massenprotesten gegen Moldaus | |
pro-europäische Regierung. Im Herbst stehen Präsidentenwahlen an. | |
Wie wirkt sich Russlands Krieg gegen die Ukraine aus? | |
Seit dessen Beginn geht in Chișinău die Angst um, nach der Ukraine | |
ebenfalls Opfer einer russischen Invasion zu werden. Die Grenze zwischen | |
Transnistrien und der Ukraine ist geschlossen. Seit Januar sind neue | |
Zollregelungen zwischen der Ukraine und Transnistrien in Kraft. Für Im- und | |
Exporte nach und aus Transnistrien wird jetzt die moldauische | |
Mehrwertsteuer fällig. Das ist wohl auch der Hintergrund für den jüngsten | |
Vorstoß Transnistriens, bei dem von einer „Wirtschaftsblockade“ gesprochen | |
wird. Das Außenministerium in Moskau bezeichnete den „Schutz der Interessen | |
der Bewohner*innen Transnistriens, unserer Landsleute“ am Mittwoch als | |
eine Priorität. Der angebliche Schutz Russischsprachiger diente 2022 als | |
Rechtfertigung, um die Ukraine anzugreifen. Bei seiner Rede zur Lage der | |
Nation am Donnerstag überging Wladimir Putin die Kausa Transnistrien. | |
Könnte eine Eskalation in der Region drohen? | |
Expert*innen halten eine Intervention für eher unwahrscheinlich. Es gibt | |
keine Verbindung auf dem Landweg zwischen Transnistrien und Russland. Die | |
Schaffung eines Korridors zwischen den eroberten Gebieten im Süden der | |
Ukraine und dem Gebiet ist unrealistisch. Das gilt auch für die Eröffnung | |
einer zweiten Front durch transnistrische Truppen. Die, so der Analyst Ouza | |
Nantoi, dienten wegen des Geldes und nicht, um für Putin zu sterben. | |
2 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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