# taz.de -- US-Gelder für Ukraine und Nahost: Hilfe bleibt ungewiss | |
> Mit dem neuen Sprecher des Repräsentantenhauses droht das Engagement der | |
> USA für ihre Partner zu bröckeln. Der EU muss das eine Warnung sein. | |
Bild: Mit der Machtverschiebung in den USA drohen die Hilfen für Nahost und Uk… | |
Mit Mike Johnson ist [1][ein Trump-Anhänger] zum Sprecher des | |
US-Repräsentantenhauses und damit zum wichtigsten Republikaner im Kongress | |
aufgestiegen. Seine Verbündeten erwarten von Johnson, dass er bei den | |
Haushaltsverhandlungen mit dem Senat Ausgabenkürzungen durchsetzt. Umso | |
überraschender war seine Einigung mit Hilfe demokratischer Abgeordneter im | |
Repräsentantenhaus auf eine [2][Verlängerung des Übergangshaushalts]. | |
Nun stehen im Kongress weitere wichtige Entscheidungen an. Darunter ein | |
Unterstützungspaket für die Ukraine und andere außenpolitische Anliegen, | |
und dabei hängt wieder viel von Johnsons Kompromissbereitschaft ab. | |
Europäische Regierungen – und nicht zuletzt die ukrainische – werden die | |
Verhandlungen aufmerksam verfolgen. | |
Johnson, der bis zu seiner Wahl wenig bekannt war, gilt als | |
Trump-Unterstützer und Teil des rechtspopulistischen Flügels der | |
Republikaner. Johnson verbreitete nach den Wahlen 2020 | |
Verschwörungstheorien zu Wahlmanipulationen und rief die republikanischen | |
Abgeordneten zur Unterstützung einer Gerichtsklage auf, die zum Ziel hatte, | |
dass Wahlergebnisse in mehreren Swing States, die Biden gewonnen hatte, für | |
ungültig erklärt werden. Mit Nähe zu den evangelikalen Christen und | |
christlich-nationalistischen Gruppen gilt er zudem als Vertreter einer | |
streng konservativen Politik. | |
## Haushaltsfrage ist nur aufgeschoben | |
Johnson unterscheidet sich damit deutlich von seinem eher pragmatischen | |
[3][Vorgänger McCarthy] – einerseits. Andererseits muss auch Johnson es | |
schaffen, die verschiedenen Strömungen der Republikaner in Einklang zu | |
bringen. McCarthy war im September aufgrund seiner Kompromisshaltung zum | |
ersten Übergangshaushalt im September abgesetzt worden. Damals hatten | |
insbesondere die rechten Hardliner der Republikaner das Vertrauen in | |
McCarthy verloren. Dieses Vertrauen hat Johnson – noch. | |
Gleichzeitig kann auch Johnson keine Maßnahmen ohne Zustimmung des Senats, | |
in dem die Demokraten eine Mehrheit haben, durch den Kongress bringen. Um | |
nicht gleich für einen teilweisen Stillstand der Regierungsgeschäfte | |
verantwortlich zu sein, der ansonsten gedroht hätte, zeigte sich Johnson | |
beim Kompromiss mit den Demokraten überraschend pragmatisch. Während er | |
damit moderateren Republikanern aus umkämpften Wahlbezirken entgegenkam, | |
die wenig Interesse an politischem Chaos haben, übten Abgeordnete des | |
Freedom Caucus bereits erste Kritik am neuen Sprecher. | |
Die Haushaltsfrage ist damit aber nur ins nächste Jahr aufgeschoben und | |
wird somit zeitgleich mit den ersten Vorwahlen erneut verhandelt – weitere | |
Konflikte sind vorprogrammiert. Und so wird Johnson weiter den Drahtseilakt | |
vollbringen müssen, sowohl die verschiedenen Flügel der republikanischen | |
Abgeordneten in Einklang zu bringen als auch mit dem Senat einen Kompromiss | |
zu finden. Durch eine kompromisslose Haltung könnte er den Kongress | |
lahmlegen. | |
## Hilfen für Nahost, Israel, Taiwan und Ukraine verknüpfen | |
Bei den Verhandlungen vor der Weihnachtspause geht es neben dem Haushalt | |
auch um die Fortführung der Ukrainehilfe und die Unterstützung Israels. | |
Insbesondere bei der Ukraine-Unterstützung drängt die Zeit: Die bisher vom | |
Kongress bewilligten Mittel für die Ukraine reichen laut Regierung nur noch | |
bis Jahresende. Sollte sich der Kongress auf keine weiteren Mittel einigen, | |
würde die US-Hilfe im nächsten Jahr auslaufen – [4][ein Schreckensszenario | |
für die Ukraine] und viele europäische Regierungen. | |
Das Thema Ukraine spaltet die Republikanische Partei allerdings zunehmend. | |
Zwar besteht im Senat nach wie vor eine breite Unterstützung, im | |
Repräsentantenhaus hat aber die Zahl der Republikaner zugenommen, die die | |
Unterstützung zumindest reduzieren wollen. Bei diesem Thema zeigt sich die | |
Spaltung der Republikaner: Da sind diejenigen, die die USA weiter als | |
führenden [5][globalen Akteur] sehen wollen – und diejenigen, die der | |
Auffassung sind, dass US-Steuergelder besser zur Sicherung der Grenze zu | |
Mexiko eingesetzt werden sollten. | |
Da eine Einzelbewilligung neuer Ukrainehilfen aufgrund der Spaltung der | |
Republikaner im Repräsentantenhaus scheitern würde, versucht die | |
Biden-Regierung seit Wochen, die Unterstützung mit anderen Maßnahmen zu | |
verknüpfen und damit durch den Kongress zu bringen. Das von der Regierung | |
vorgeschlagene Paket in Höhe von 105 Milliarden US-Dollar schließt | |
militärische Hilfen für Israel und Taiwan, humanitäre Hilfe für den Nahen | |
Osten, Maßnahmen zur Stärkung der Grenzsicherung sowie Mittel in Höhe von | |
über 60 Milliarden US-Dollar für die Ukraine ein. Würde der Plan aufgehen, | |
wäre die Ukraine-Unterstützung so umfassend ausgestattet, dass sie über die | |
Wahlen 2024 hinaus ausreichen sollte. | |
Die Befürworter dieser Lösung auf Seiten beider Parteien argumentieren, | |
dass die Unterstützung Israels und die der Ukraine nicht einzeln betrachtet | |
werden sollten, da in beiden Fällen demokratische Staaten und US-Partner | |
angegriffen werden. Auch wenn die Bedrohungen unterschiedlich sind, so das | |
Argument, handelt es sich doch in beiden Fällen um den Systemkonflikt | |
zwischen Demokratien und Autokratien weltweit, auf die sich viele | |
US-Politiker beider Lager häufig beziehen. | |
## Warnung an Hisbollah und Teheran | |
Vereinfacht lautet ihr Argument ungefähr so: Die weitere westliche | |
Unterstützung der Ukraine dient nicht nur dem entschiedenen Entgegentreten | |
gegen die russische Aggression in Europa, die sich mittelfristig auch gegen | |
einen Nato-Staat richten könnte, sondern auch gegen Iran und Nordkorea, die | |
Russlands Krieg unterstützen. Gleichzeitig hat die US-Unterstützung | |
Abschreckungswirkung auf [6][China], das sich im Falle eines militärischen | |
Erfolgs Russlands zu einem Angriff auf Taiwan ermutigt fühlen könnte. | |
Weiterhin sind die militärische Unterstützung Israels sowie eine robuste | |
US-Militärpräsenz in der Region eine deutliche Warnung an [7][Teheran] und | |
die Hisbollah, in der Region nicht noch weiter zu zündeln. In Washington | |
sind daneben viele davon überzeugt, dass auch dem Kreml ein | |
Wiederaufflammen von Konflikten im Nahen Osten gelegen kommt, um vom Krieg | |
gegen die Ukraine abzulenken. Ob sie es wollen oder nicht, so die | |
Befürworter des Pakets, die USA können sich aus vielen Krisen nicht | |
heraushalten, wie es einige Republikaner fordern. | |
Als neuer Sprecher hat auch Mike Johnson, der sich noch wenige Wochen zuvor | |
gegen die weitere Ukraine-Unterstützung ausgesprochen hatte, diese nicht | |
ausgeschlossen. Er lehnt aber ein umfassendes Paket ab und schlägt vor, | |
über die außenpolitischen Maßnahmen einzeln zu entscheiden. Mit seinem | |
Versuch, ein Hilfspaket nur für Israel durch den Kongress zu bringen, ist | |
er gescheitert. Sein Vorgehen, die Maßnahme gleichzeitig mit Einsparungen | |
auf Seiten der US-Steuerbehörde IRS zu verbinden, war taktisch ungeschickt, | |
da zu diesem Zeitpunkt die Israel-Unterstützung überparteilich wenig | |
kontrovers war und auch den Senat unter Druck gesetzt hätte. | |
## Angst vor den Wählern | |
Mittlerweile wird aber auch zusätzliche Militärhilfe für Israel auf Seiten | |
der Demokraten, die im Hinblick auf die kommenden Wahlen die | |
arabischstämmigen Wählergruppen in wichtigen Swing States wie Michigan, | |
aber auch junge Wähler:innen im Auge behalten müssen, kritisch gesehen, | |
wenn diese nicht an die klare Bedingung an die israelische Regierung | |
geknüpft wird. | |
Gleichzeitig trauen viele Kongressmitglieder Johnson nicht zu, dass er | |
tatsächlich die republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus dazu | |
bringen kann, einer Einzelmaßnahme zugunsten der Ukraine zuzustimmen, | |
sobald der Hebel der Israel-Unterstützung weggefallen ist. Deshalb | |
verhandeln beide Parteien derzeit, wie als Teil eines großen Kompromisses | |
die Regeln in der Asylpolitik verschärft werden können, wie es die | |
Republikaner fordern. | |
Fest steht: Ein Scheitern der Fortführung der Ukraine-Unterstützung wäre | |
eine politische Niederlage für Biden und die Demokraten, aber auch für | |
führende republikanische Kongressmitglieder wie Mitch McConnell, | |
Minderheitsführer im Senat. Die Auseinandersetzungen auf Seiten der | |
Republikaner werden deshalb schärfer. Am Ende könnte ein Kompromiss darauf | |
hinauslaufen, dass die Ukraine-Unterstützung fortgesetzt, aber mit deutlich | |
geringeren Mitteln ausgestattet wird als von Biden gefordert. | |
## Wie durch ein Brennglas | |
In dieser Frage hängt nun vieles davon ab, welche politische Agenda | |
Johnson, der kürzlich Trump in Florida besucht hat, in den nächsten Wochen | |
verfolgt. Durch eine zu kompromisslose Haltung könnte er zu einem gelähmten | |
Kongress und damit im Wahljahr zu politischem Chaos beitragen. | |
Von einer solchen Entwicklung würde wahrscheinlich Trump im Wahlkampf | |
profitieren, sie würde aber die Republikaner im Kongress weiter spalten – | |
und das könnte bei den Wahlen nach hinten losgehen. Denn um die Wahlen zu | |
gewinnen, könnte eine geringe Zahl von Wechselwähler:innen in wenigen | |
Bundesstaaten ausschlaggebend sein. Auch im Repräsentantenhaus liefen die | |
Republikaner Gefahr, ihre knappe Mehrheit zu verlieren, wodurch auch | |
Johnson seinen Posten verlieren würde. | |
Wie durch ein Brennglas konzentriert sich gerade die Aufmerksamkeit auf | |
Johnsons politische Agenda und seine Bemühungen, die republikanischen | |
Abgeordneten zusammenzuhalten. Die Unsicherheit, die sich daraus unter | |
anderem für die Ukraine-Unterstützung ergibt, bedeutet für Europa vor allem | |
eines: Es muss sein Engagement für die Ukraine so schnell wie möglich | |
weiter ausbauen und darf nicht nur auf den transatlantischen Verbündeten | |
hoffen. | |
5 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Tolksdorf | |
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