# taz.de -- Wolodimir Selenski in den USA: Es geht um die Zukunft der Ukraine | |
> Der ukrainische Präsident hat vor dem Ausbleiben weiterer | |
> US-Militärhilfen gewarnt. Die Republikaner im US-Kongress blockieren sie. | |
Bild: Ukraines Präsident Wolodomir Selenski am 11. Dezember in Washington | |
Washington taz | Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski will nichts | |
unversucht lassen, um die Genehmigung weiterer Hilfsleistungen in | |
Milliardenhöhe durch den US-Kongress voranzutreiben und damit die Chance | |
auf einen Sieg im Krieg gegen Russland aufrechtzuerhalten. Auf Einladung | |
von US-Präsident Joe Biden wird Selenski am Dienstag in Washington zu | |
Gesprächen erwartet. | |
Grund für die Reise ist der [1][schwächelnde Rückhalt für die Ukraine im | |
US-Kongress]. Ein von Biden gefordertes zusätzliches Hilfspaket über knapp | |
106 Milliarden US-Dollar, welches mehr als 61 Milliarden Dollar für die | |
Ukraine bereitstellen würde, steckt im Kongress fest. Neben Geld für die | |
Ukraine beinhaltet das Ausgabenpaket auch Mittel für Israel, die Sicherung | |
der [2][US-mexikanischen Grenze] und humanitäre Zwecke. Doch Republikaner | |
und Demokraten haben es bislang nicht geschafft, sich auf einen Kompromiss | |
zu einigen. | |
Und nun rennt die Zeit davon. Denn wie das Weiße Haus bereits vergangene | |
Woche erklärte, werden spätestens Ende des Jahres die bereits | |
verabschiedeten Finanzmittel für die Ukraine aufgebraucht sein. Dass | |
Selenski die Reise nach Washington auf sich nimmt, zeigt, wie wichtig die | |
Unterstützung durch die USA für sein Land ist, erklärte Mark Harkins, | |
Kongress-Experte an der renommierten Georgetown University, im Gespräch mit | |
taz. | |
„Er hofft, dass Vieraugengespräche eine größere Wirkung haben werden als | |
Zoom-Calls oder Ähnliches. Eine Charmeoffensive ist immer einen Versuch | |
wert“, erklärte Harkins, der selbst fast zwei Jahrzehnte in verschiedenen | |
Positionen im US-Kongress tätig war. | |
## Gespräche mit den Republikanern geplant | |
Laut US-Medienberichten soll Selenski noch vor seinem Treffen mit Biden im | |
Weißen Haus ein Vieraugengespräch mit Mike Johnson, dem republikanischen | |
Sprecher des Repräsentantenhauses, sowie Gespräche mit verschiedenen | |
Senatoren auf seinem Terminplan haben. | |
Die US-Regierung hat in der vergangenen Woche den Druck auf den Kongress | |
erhöht und erklärt, dass ohne weitere Hilfsleistungen aus den USA die | |
Ukraine den Krieg gegen Russland verlieren könnte. Dies bestätigte auch | |
Selenskis Stabschef Andriy Yermak während einer Rede in Washington am | |
vergangenen Dienstag. | |
Doch je länger der Krieg andauert, desto geringer ist die Bereitschaft im | |
Kongress, die Ukraine weiterhin mit voller Kraft zu unterstützen. [3][Die | |
Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte] hat bislang nicht die | |
gewünschten Erfolge eingefahren. Viele Republikaner wollen zudem genau | |
wissen, wofür die bisher geflossenen 111 Milliarden US-Dollar eingesetzt | |
wurden. | |
## Die US-mexikanische Grenze steht im Mittelpunkt | |
Doch als aktuell größtes Hindernis in den Verhandlungen über mehr | |
Hilfsleistungen erweist sich die Situation an der US-Südgrenze mit Mexiko. | |
Vor allem Republikaner, aber auch vereinzelte Demokraten, wollen die | |
Migranten, die versuchen, illegal in das Land zu gelangen, stoppen. | |
Allerdings seien viele der republikanischen Forderungen so drakonisch, dass | |
Demokraten sich darauf nicht einlassen wollen. Präsident Biden hat | |
vergangene Wochen allerdings angekündigt, beim Thema Grenzpolitik | |
“deutliche Kompromisse“ einzugehen, um das “kaputte“ Migrations- und | |
Asylsystem im Land zu beheben. Trotz dieser Bemühungen und der anhaltenden | |
Verhandlungen im Kongress scheint eine Einigung über das seit Oktober im | |
Raum stehende Ausgabenpaket aktuell in weiter Ferne. | |
“Das Leben von Ukrainern gegen das Leben von Asylsuchenden zu tauschen ist | |
moralisch verwerflich und verantwortungslos“, beschwerte sich die | |
demokratische [4][Abgeordnete Delia Ramirez in einem Post auf X] (ehemals | |
Twitter) über das Tauziehen im Kongress. | |
## „Amerikanischer Isolationismus“ – nichts Neues | |
Auch Kongress-Experte Harkins hat Zweifel, dass Selenskis Besuch den | |
gewünschten Erfolg haben wird. “Amerikanischer Isolationismus ist nichts | |
Neues. Der Gedanke, dass wenn es sich nicht an unseren Ufern zuträgt, dann | |
geht es uns nichts an, den gab es schon vor beiden Weltkriegen. Und genau | |
dies sehen wir jetzt auch wieder“, sagte Harkins. | |
Vor allem in der republikanischen Partei gebe es Abgeordnete, die keinen | |
Nutzen darin sehen, sich an einem Krieg im Osten Europas zu beteiligen. Für | |
Amerikas Alliierte sei dies besorgniserregend, da sich die Situation mit | |
einem möglichen Wahlsieg von Ex-Präsident Donald Trump noch weiter | |
zuspitzen könnte. | |
“Wenn es uns nicht einmal gelingt, die Ukraine in einer Notsituation zu | |
unterstützen, warum soll dann Trump bei einem Wahlsieg nicht seine Drohung | |
wahr machen und aus der Nato austreten“, fragt Harkins. | |
Auch Bidens Regierung argumentiert, dass ein Sieg Russlands weitreichende | |
Folgen hätte. So erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats | |
Admiral John Kirby, dass ein Sieg in der Ukraine den russischen Präsidenten | |
Wladimir Putin ermutigen könnte, seine Militäroffensive auf andere Länder | |
auszuweiten. | |
Ob Selenskis Reise nach Washington tatsächlich zu einem Durchbruch führen | |
wird, bleibt abzuwarten. Für die Zukunft der Ukraine ist sein Besuch jedoch | |
unerlässlich, immerhin steht [5][die Existenz des ganzen Landes auf dem | |
Spiel]. | |
12 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /US-Republikaner-blockieren-Hilfen/!5974261 | |
[2] /Folgen-der-US-Abschiebepolitik/!5855180 | |
[3] /Krieg-in-der-Ukraine/!5970301 | |
[4] https://twitter.com/repdeliaramirez/status/1732429928035963002 | |
[5] /Krieg-in-der-Ukraine/!5976703 | |
## AUTOREN | |
Hansjürgen Mai | |
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