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# taz.de -- Theaterstück zum Palast der Republik: Im Palast der Erinnerungen
> Im Berliner Humboldt Forum wurde das Theaterspektakel „Bau auf! Bau ab!“
> über den Palast der Republik uraufgeführt. Das Publikum spielte mit.
Bild: Studierende der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und Bürger*i…
Das Programm „Hin und Weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ im
Humboldt Forum widmet sich der politischen und gesellschaftlichen Bedeutung
[1][des repräsentativen Staats- und Kulturhauses der DDR, das 2008
abgerissen wurde], um das Berliner Schloss wiederaufzubauen. Eine
Ausstellung wurde dafür konzipiert, Workshops finden zum Thema statt, und
am vergangenen Freitag wurde das Theaterspektakel „Bau auf! Bau ab!“
uraufgeführt.
Ron Zimmering inszenierte das Stück als szenischen Spaziergang an
verschiedene [2][Orte im Humboldt Forum]. Im Foyer, auf den Gängen und
Treppen, auf dem Dach, Keller und im Großen Saal interpretieren
Zeitzeug:innen, Schauspielende, Musiker:innen, Chöre und Tänzer:innen
Palast-Geschichte – von damals bis heute. Mit Textauszügen von Heiner
Müller und Brigitte Reimann, mit historischen Videoaufnahmen und
Zeitdokumenten wie Reden und Berichterstattung, mit Erinnerungen und
Gesprächen von Zeitzeug:innen, mit Liedern und Tanzchoreografien wird ein
dichtes, fulminantes und vielstimmiges Stück entworfen. Zimmering verbindet
kreativ und sinnvoll Dokumentarisches mit [3][Musiktheater] mit Elementen
aus Intervention und Performance, Hörspiel und Konzert.
Der erste Akt, „Eröffnung“, beginnt mit einem Sprechchor, der von der
Galerie des Foyers herab Texte aus festlichen Eröffnungsreden des Palastes
der Republik und des Humboldt Forums rezitiert – politische Repräsentation
damals und heute wird gegenübergestellt. Auf dem Medienturm im Foyer
erscheinen historische Videoaufnahmen des Palastes. Im zweiten Akt wird das
Publikum in kleinere Gruppen aufgeteilt, mit Bauhelmen versorgt und über
die suggestive „Baustelle“ des Palasts geführt, kommentiert mit
Pressestimmen aus der Zeit. Die Zuschauergruppen werden teils aufs Dach,
teils in den Keller des Humboldt Forums geführt und erleben dort jeweils
unterschiedliche Programme.
## Publikumsbefragung oder Verhörsituation?
Eine Gruppe wird auf den Treppen in der Halle positioniert gegenüber den
Rolltreppen, auf denen die Schauspielenden vor ihnen auf- und abfahren und
aus Heiner Müllers „Der Bau“ rezitieren. Die harte Sprache Müllers und das
Auf und Ab der Darstellenden auf den Rolltreppen wirkt hypnotisierend.
Die Romanfigur Franziska Linkerhand von Brigitte Reimann wird in der
Mechanischen Arena im Foyer in einem intimeren Setting zum Sprechen
gebracht und verwoben mit Gesprächen mit Zeitzeug:innen und aktuellen
Fragen nach einer gerechteren, humanistischen Architektur. In diesem Akt
wird die Baustelle als ideologischer und umstrittener Raum thematisiert,
der Menschenleben formt und Hoffnungen zerstört.
Im dritten Akt, dem „Plenum“ im Großen Saal, kann sich das Publikum mittels
Headset in neun verschiedene Gespräche zwischen Zeitzeug:innen
einschalten. Das Format wird eröffnet wie eine Fernsehshow mit
Publikumsbefragung, erinnert dann aber bald eher an eine Verhör- oder
Abhörsituation. Durch die Publikumsbefragung erfahren wir, dass kaum jemand
aus dem Publikum, die oder der noch selbst im Palast der Republik war,
negative Assoziationen zu diesem Ort hat. Die Befragung gab auch Raum für
Komik: „Glauben Sie, dass dieses Humboldt Forum länger bestehen wird, als
Sie leben werden?“ Nicht alle stimmten zu.
## Dem Aber folgten Erfahrungen
Auf den Wegen zwischen den drei Akten entsponnen sich Gespräche im Publikum
über das Stück und die eigene Geschichte, Berlin, die DDR und vieles mehr.
Und das schien ganz so angelegt, da das Publikum ja die ganze Zeit Teil der
Inszenierung war, befragt und eingebunden wurde und gleichermaßen aus
„Ossis“ und „Wessis“, aus Zeitzeug:innen und Nachgeborenen bestand wie
die Mitwirkenden.
Das Ineinanderübergehen der Formate führte dazu, dass alles, was an dem
Abend geschah, Theater war und das Theater wiederum an der Stadtgeschichte
mitwirkte. Das Publikum war eine Gesellschaft, eine Öffentlichkeit. Da
wurde mit- und übereinander geredet. „Der Müller-Text ist stark!“, sagte
jemand, „Warum fing man bei dem Reimann-Text mit dem Ende an?“, fragte
jemand. „Hat hier irgendjemand irgendetwas verstanden?“ Tränen flossen beim
„Lied der unruhevollen Jugend“. Ein Spektakel war es wohl, das wenige
ausgelassen und viele sichtlich berührt, manche zornig zurückließ.
Konkret nachgefragt war nie zu hören, das Stück sei nicht gut oder nicht
kritisch genug gewesen. Aber oft hieß es: „Ja, aber!“ Nach dem Aber folgten
Erfahrungen und Geschichten. Es zeigt sich ein starkes Bedürfnis, über das
Geschehene zu reden. Das Stück war nur die Vorlage.
20 May 2024
## LINKS
[1] /Erinnerung-an-den-Palast-der-Republik/!6000017
[2] /Berliner-Humboldt-Forum/!5998689
[3] /Musiktheater/!t5329604
## AUTOREN
Luise Wolf
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