# taz.de -- „Ada Kaleh“ von Die Ordnung der Dinge: Es bleibt bei Andeutungen | |
> Sie existiert nur noch in der Erinnerung. Die Berliner Theatergruppe Die | |
> Ordnung der Dinge erzählt im Theater Delphi von der Donauinsel „Ada | |
> Kaleh“. | |
Bild: Die beiden Performer Cathrin Romeis und Iñigo Giner Miranda | |
Wie in einer Verhörsituation sitzen sich die beiden Performer gegenüber. | |
Als Tisch dient ihnen eines der Bühnenpodeste, die in der Mitte des | |
Zuschauerraums des Theaters im Delphi aufgebaut sind. Im spärlichen Licht | |
einiger Glühbirnen erzählen sie von der Donauinsel Ada Kaleh, die wie ein | |
Lager von Stacheldraht umzäunt war. Dort haben sie die Nächte verbringen | |
müssen. Nur tagsüber durften sie raus. | |
Das war in den 1950er Jahren. In der Ceaușescu-Zeit. Wer auf die andere | |
Flussseite wollte, um von Rumänien ins damalige Jugoslawien zu fliehen, | |
wurde erschossen, gefoltert oder erschlagen. Von schrecklichen Dinge | |
erzählen die beiden Musiker und Performer Cathrin Romeis und Iñigo Giner | |
Miranda da plötzlich. Sie sind Teil der Berliner Theatergruppe Die Ordnung | |
der Dinge, die gemeinsam mit der Regisseurin Franziska Seeberg an diesem | |
Abend im Delphi mit ihrem Stück „Ada Kaleh“ Premiere feiert. | |
Davor und danach geht es um die Schönheit [1][der gleichnamigen Insel], den | |
besonderen Zusammenhalt, den es dort gab, die Mythen, die sich um sie | |
ranken, und die Trauer über ihren Verlust. Von Folter, Lagern und | |
Stacheldraht ist nicht die Rede. | |
Die unvermittelte Verhörszene lässt die Zuschauer mit vielen Fragen zurück: | |
Was ist das für ein Lager? Wer erzählt davon? Und warum spielen diese | |
Ereignisse für die anderen Erinnerungen an die Insel keine Rolle? | |
Jahrhundertelang besetzt | |
Kurz zu den Fakten: Die gut 1,7 Kilometer lange und 500 Meter breite | |
Donauinsel Ada Kaleh lag im Südwesten von [2][Rumänien], an der Grenze zum | |
heutigen Serbien. Jahrhundertelang war sie abwechselnd von den Habsburgern | |
oder Ottomanen besetzt. Nach dem Ende des Osmanischen Reichs blieb sie eine | |
türkische Enklave. | |
In den 1960er Jahren wurde das Donau-Wasserkraftwerk „Eisernes Tor I“ | |
gebaut. Alle Bewohner mussten die Insel verlassen. An der Stelle, wo sie | |
lag, befindet sich heute ein riesiger Stausee. Die Ada Kaleh existiert nur | |
noch in der Erinnerung. | |
Eine Insel zwischen den Welten, ein Schmelztiegel der Kulturen und ein Ort | |
des Schreckens und des Leids, eines Tages weggespült vom technischen | |
Fortschritt. Es gäbe viel zu erzählen über dieses Eiland und die Erinnerung | |
daran. Aber das passiert an diesem Theaterabend nicht. Dafür bleibt er zu | |
sehr in Andeutungen, im Unpersönlichen, im Oberflächlichen stecken. | |
Es beginnt vielversprechend: Im Zuschauerraum des Theaters im Delphi sind | |
knie- bis hüfthohe Bühnenpodeste verteilt (Bühne: Janina Janke). Darauf | |
Teller mit türkischen Süßigkeiten, ein halb ausgerollter persischer | |
Teppich, türkische Kaffeekannen auf kleinen Sandhaufen, ein Feigenbäumchen, | |
orangefarbene Schwimmwesten, mit Tabak gefüllte Plastiktüten. | |
Die Vernichtung der Insel | |
Auftritt der Performer Romeis und Miranda. Sie erzählen von den | |
Geistergeschichten, die auf der Insel erzählt wurden. Den unterschiedlichen | |
Ethnien, Nationalitäten und Religionen, die dort friedlich koexistierten. | |
Der Flutung von Ada Kaleh. Und der Trauer über die Vernichtung dieses | |
Paradieses. Unterlegt wird das vom Rauschen und Wummern von Glühbirnen, die | |
von dem Künstler und Musiker Michael Vorfeld gesteuert werden. | |
Doch wer spricht hier eigentlich genau? Für wen stehen die beiden | |
Performer? Repräsentieren sie die ehemaligen Inselbewohner, die für das | |
Stück interviewt wurden? Oder zitieren sie aus den vielen literarischen, | |
wissenschaftlichen und journalistischen Quellen, die im Programmheft | |
genannt werden? Oder vielleicht einen der angegebenen Schlagertexte? | |
Spätestens die Lagerszene wirft die Frage auf: War Ada Kaleh überhaupt | |
immer ein Paradies? Die furchtbaren Ereignisse unter Ceaușescu werden nicht | |
an das Vorher und Nachher gekoppelt. Genau das hätte den Abend | |
interessanter machen können. | |
26 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Verena Harzer | |
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