# taz.de -- T. C. Boyle über die US-Gesellschaft: „Demokratie ist Luxus“ | |
> Der US-Schriftsteller T. C. Boyle braucht eine Routine, um seine Romane | |
> zu schreiben. Ein Gespräch über Trump, Schlafdisziplin und das | |
> Verschwinden des Menschen. | |
Bild: Hat keine Ahnung, wie die Welt so kompliziert geworden ist: Autor T. C. B… | |
Ein Zimmer in Zürich, im Verlagshaus Nagel & Kimche. T. C. Boyle sitzt an | |
einem Schreibtisch, dünn, drahtig, Tee neben sich. Er friert hier, Ende | |
November, „not quite as warm as in Santa Barbara“, sagt er. Boyle lebt | |
dort, in Kalifornien, und ist für den Jonathan-Swift-Preis angereist, den | |
er in der Schweiz verliehen bekommt – den internationalen Literaturpreis | |
für Satire und Humor. Vor ihm steht ein großer Karton mit Karten, die er | |
Stück für Stück signiert. | |
taz am wochenende: Mister Boyle, ist das Ihre heutige Aufgabe: Hundertmal | |
Ihren Namen zu schreiben? | |
T. C. Boyle: Eine von vielen. Zugegeben, nicht die intellektuell | |
stimulierendste, es ist ein bisschen wie in der Grundschule, wenn du ein | |
böser Junge warst und immer wieder den einen Satz schreiben darfst … | |
… ich habe diesen Stein nicht geworfen. Ich habe diesen Stein nicht | |
geworfen. | |
Genau. Aber ich schreibe sowieso nicht, wenn ich nicht zu Hause an meinem | |
Schreibtisch sitze. Und alle meine Bücher, angefangen mit „Riven Rock“ | |
1998, wurden unterbrochen. Wenn ich 12 oder 14 Monate brauche, um ein Buch | |
zu schreiben, gehe ich währenddessen irgendwann auf Tour. Zum Glück habe | |
ich dieses Mal, direkt bevor ich hierhergekommen bin, meinen neuen Roman | |
beendet. Ich habe frenetisch daran gearbeitet, denn wäre ich jetzt hier, | |
ohne dass das Ende steht, ginge es mir miserabel. Ich wäre dauernd in Sorge | |
um den Schluss. Bis du den Schluss hinkriegst, wirst du abergläubisch. | |
Statt einmal links und rechts zu gucken, bevor du die Straße überquerst, | |
guckst du fünfmal. Du willst ja nicht vom Bus überfahren werden, bevor dein | |
Buch fertig ist. | |
Nein, das wäre eine Verschwendung. | |
Und das will man natürlich nie. Aber in diesem Fall wirklich nicht. | |
Warum brauchen Sie zum Schreiben Ihren Schreibtisch? | |
Jeder Künstler hat seine Art, sich zum Arbeiten zu überlisten. Weil es hart | |
ist und dein Gehirn sich eigentlich nicht damit beschäftigen will. Für mich | |
ist eine strenge Routine am einfachsten. Zur selben Stunde ins Bett gehen. | |
Zur selben Stunde aufstehen. [1][In meinen Tweets] … | |
… die oft aus Fotos von Ihrem Ausblick auf die Straße, von Ihrem Hund oder | |
einem Frühstücksei bestehen … | |
… mache ich mich darüber lustig: Ich zeige, dass alles gleich ist. Jeder | |
Tag ist gleich. So mache ich meinen Job, während andere mitten in der Nacht | |
aufstehen und schreiben. Ich könnte das nie. | |
Sie brauchen Ruhe – und haben drei Kinder. | |
Ich hatte Glück, dass meine Frau nie arbeiten musste. Selbst als die Kinder | |
sehr klein waren, konnte ich in unserem Schlafzimmer die Tür schließen, | |
Musik aufdrehen und wurde kaum gestört. Und ja, man braucht Ruhe und | |
Einsamkeit, mit einem Roman ist das wie bei einer Seminararbeit: Du hast | |
Material, saugst es auf, machst Notizen, denkst drüber nach und dann fängst | |
du an zu schreiben. Darum bin ich Künstler, ich will keine Essays oder | |
Buchrezensionen schreiben. Mich interessiert die Kunst der Fiktion. Weil | |
sie irgendwie magisch ist. Du weißt nicht, was es wird. | |
Haben Sie eine Ahnung, [2][warum die Deutschen Sie so lieben]? | |
Nein. Ist aber super. Von allen Ländern sind Deutschland, Österreich und | |
die Schweiz meine treuesten. „Hart auf hart“ wurde sogar auf Deutsch | |
veröffentlicht, bevor es auf Englisch herauskam. In England komme ich nicht | |
ansatzweise so gut an. Ich kann mir das natürlich nur damit erklären, dass | |
die Briten nicht so lustig sind wie die Deutschen. | |
Wobei auch Sie bei manchen Themen recht ernst werden. Sie sagen zum | |
Beispiel, politische Korrektheit sei faschistisch. | |
Schon der Begriff. Wer hat festzulegen, was korrekt ist und was nicht? Bei | |
Präpositionen bin ich dabei. Politische Korrektheit aber rechtfertigt sich | |
damit, eine freie oder freiere Sprache zu fordern, während sie bestimmte | |
Sprechweisen verbietet – und das strenggläubig, es ist eine Art Religion. | |
Eine Sprache oder einen Gedanken zu verbieten, ist immer ein Fehler. So wie | |
es immer ein Fehler ist, jemandem zu sagen, was er tun soll, gerade, wenn | |
es um Kreativität und kulturelles Bewusstsein geht. | |
In den letzten zwei Jahren wurden Sie es nicht leid, Donald Trump einen | |
„Kürbis“ oder „Clown“ zu nennen. Hielten Sie es wirklich für so | |
unwahrscheinlich, dass jemand wie er amerikanischer Präsident werden | |
könnte? | |
Ich war komplett fassungslos. Ich denke, die ganze Intelligenzija war das. | |
Für sie ist offensichtlich, wie unangemessen es ist, diesen Psychopathen | |
zum politischen Führer unseres Landes zu haben. Es macht einen Witz aus der | |
Präsidentschaft. Aber wir haben nicht mit der „working class“ gerechnet, | |
die von seiner Propaganda manipuliert wurde. | |
Wieso, denken Sie, hat seine Propaganda funktioniert? | |
Weil diese Leute nicht lesen. Weil sie keine Leute aus anderen Ländern | |
kennen. Sie reisen nicht, sie haben kein Geld, sie haben keine Jobs. | |
Profis, wie schon Bush vor Trump einer war, gelingt es, diese Menschen zu | |
verführen – dazu, für sie zu stimmen, obwohl sie so gegen ihre eigenen | |
Interessen stimmen. Trump hat das längst demonstriert: Er soll ein Mann des | |
Volkes sein und verarscht es bei den Steuern, er verarscht es bei der | |
Bildung. Ich meine, wer ist er, sich mit Betsy DeVos eine millionenschwere | |
Gefolgsfrau als Bildungsministerin ins Kabinett zu holen, die ihr Leben dem | |
Ziel widmet, Bildung zu privatisieren? Wie antidemokratisch ist das? Trump | |
wird keine vier Jahre durchhalten, aber sollte er doch, wird uns das | |
umweltpolitisch mindestens hundert Jahre zurückwerfen – und aus Amerika | |
eine Lachnummer machen. | |
Wachen die Menschen, die für ihn gestimmt haben, nicht langsam auf? | |
Die werden erst aufwachen, wenn sie verstehen, dass ihre Kinder keine guten | |
Schulen mehr haben. Und sie selbst, anders als versprochen, weniger Jobs | |
als zuvor. Letztlich wird es sein wie mit Bush, dieselbe Geschichte: Bush | |
ist in den Irak einmarschiert und hat uns Schulden in Billionenhöhe | |
beschert. Er hat den IS heraufbeschworen, diesen ganzen verdammten Scheiß. | |
Für sein Mittellosenmilitär wurden die Kinder jener Leute rekrutiert – | |
Arbeiterkinder. Wofür wurden denen noch mal Arme und Beine weggebombt, für | |
mehr Öl? Es ist obszön. | |
Angenommen, Trump hält keine weiteren drei Jahre durch: Was wird ihn das | |
Amt kosten? | |
Ich denke, seine Geschäfte mit den Russen sind so schmutzig, dass da eines | |
seiner Amtsvergehen auffliegen wird. Sie können sich glücklich schätzen, in | |
Deutschland viele Parteien zu haben. In Amerika gibt es zwei und das Land | |
scheint so polarisiert zu sein, dass wir alle acht Jahre zwischen ihnen | |
wechseln. Erst hatten wir Clinton für acht Jahre und dann, mit Bush, acht | |
Jahre die Gegenpartei. Dann kam Obama für acht Jahre, jetzt sind wieder die | |
Republikaner dran. Wussten Sie eigentlich, dass Trump einen Tag nach seiner | |
Wahl um Spendengelder geworben hat, damit er ein zweites Mal gewählt wird? | |
Wäre ich verantwortlich, würde ich die Privatgelder in jeder Wahl streichen | |
und alle Lobbyisten loswerden. | |
Haben Sie Freunde, die Trump gewählt haben? | |
Oben in den Bergen der Sierra Nevada, ja. Wir haben das Thema meistens | |
ausgespart, für sie ging die Wahl schließlich super aus. Sie können jetzt | |
sagen, guck, wir hatten recht! Endlich werden wir alle gerettet, „make | |
America white again“. Es gibt dort übrigens, abgesehen von einem riesigen | |
Rassismusproblem, der Angst vor Ausländern und Homophobie, schlicht Zweifel | |
bezüglich einer Frau, die zum ersten Mal für eine Präsidentschaft | |
kandidiert. Egal, wie qualifiziert sie ist. Für mich war Hillary Clinton | |
die qualifizierteste Kandidatin schlechthin, vielleicht sogar in meinem | |
bisherigen Leben. | |
Aber eine Frau. | |
Männer der „working class“ haben Angst vor mächtigen und gebildeten Fraue… | |
hatten sie immer schon. Und nicht nur die: Es gibt in Amerika mittlerweile | |
einen höheren Prozentsatz an Frauen als an Männern, die ihren | |
Universitätsabschluss machen. Wissen Sie, ich stelle mir die Zukunft sehr | |
gern so vor, dass Frauen übernehmen und Männer zu einer Art Toy Boys | |
werden. Männer sind dann gut für Sex und reparieren Autos und haben coole | |
Hobbys. Aber die Frauen verdienen das Geld. | |
Das deckt sich mit meiner Vorstellung von der Zukunft. | |
Ich hätte kein Problem damit, ein Toy Boy zu sein. Klar werde ich Toy Boy! | |
Es gab auch viele Frauen, die Trump gewählt haben. | |
Ich kann mir keine einzige Frau vorstellen, die ihn gewählt hat. Nach dem | |
Im-Schritt-Betatschen und allem. Im New Yorker war vor Kurzem ein toller | |
Artikel über die sich radikalisierende rechte Jugend. Neunzehnjährige | |
Frauen, für die solche Männer Helden sind. Sie glauben fest an die „White | |
Supremacy“ und daran, dass man Migranten abschieben muss. Sie glauben, dass | |
ihr eigener Platz in der Küche ist und sie ihren Männern dienen müssen, | |
weil die große Führer sind. Ich wusste von dieser Strömung nichts, wie | |
auch? Wir reden nur mit Menschen wie uns. Mein Publikum besteht aus | |
Menschen, die ähnlich denken und fühlen wie ich. Wie erreichen wir die | |
anderen? Gar nicht. Wenn die Nachrichten schauen, schauen sie die | |
rechtsgerichteten, die sie in ihren Meinungen bestätigen. | |
Vielen scheint die Welt zu unübersichtlich geworden zu sein. In Deutschland | |
gibt es eine lesbische Fraktionsvorsitzende einer rechtsextremen Partei. | |
Keine Ahnung, wie die Welt so kompliziert geworden ist. Und so schlecht! | |
Ich denke, was passiert, ist Folgendes – um es etwas größer zu fassen: Es | |
leben 7,3 Milliarden Menschen auf der Erde und das Klima verändert sich. | |
Die Ressourcen gehen aus, der Kapitalismus würgt uns halb zu Tode, und was | |
wir angesichts des Aufstiegs rechter Parteien hier in Europa und Amerika | |
tun, ist, der Welt den Rücken zuzudrehen und zu sagen: Der Ressourcenkrieg | |
hat begonnen, also bauen wir eine Mauer, und du in Indien oder woher du | |
auch kommst, kannst sterben, mir egal. | |
Was fehlt denn, um es größer zu fassen? Empathie? | |
Empathie und Demokratie sind Luxus. Ein Großteil der Erde wird von Gangs | |
bestimmt, von Banden, schon immer, sei es von Königen oder Kaisern oder den | |
Nazis oder dem IS oder Trump und seinen Millionären. Oder von Putin. Es | |
grenzt an ein Wunder, wie wir in Europa und Amerika leben. Und vielleicht | |
endet dieses Wunder, so schwarz das klingt. | |
Also dann, Mister Boyle, was können wir tun? | |
Sterben! Wir können sterben. Und genau das werden wir tun. | |
Jetzt lachen Sie selbst. | |
Gut, sagen wir: Wenn ich optimistisch wäre, würde ich eine neue | |
Protestbewegung entstehen sehen. Eine, die Regierungen verändern und | |
stürzen will. Ähnlich der gegen den Vietnamkrieg, als ich jung war. | |
Führung ist ein Motiv Ihrer Bücher – und wie Menschen die Herrschaft über | |
ihre Gedanken verlieren. | |
Das ist tatsächlich eine Obsession, wenn ich so darüber nachdenke. | |
Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir in der Demokratie, in der ich | |
aufgewachsen bin, gelernt haben, skeptisch gegenüber dem zu sein, was uns | |
von Autoritäten erzählt wird. Ich bin mit ein paar klugen, | |
desillusionierten Kids aufgewachsen. Wie waren Punks, keine Bad Boys im | |
kriminellen Sinn, aber nah dran – und sehr entschieden gegenüber Leuten, | |
die uns erklären wollten, wie die Dinge zu laufen haben. Wir wollten das | |
selbst herausfinden. Vielleicht habe ich auch einfach Angst vor Macht. | |
Inwiefern? | |
Wir müssen alle fest an etwas glauben, weil da nichts ist. Deshalb gibt es | |
Religionsführer oder Gurus und diesen Präsidenten. Sie sagen, komm zu mir, | |
sei mein Schüler, mein Student, mein Anhänger, und ich sorge dafür, dass | |
alles gut wird. Und glauben will man – weil wir in einer verrückt machenden | |
Welt leben, in der der blanke Zufall regiert. Es gibt keine Antwort darauf, | |
warum wir uns hier unterhalten können und in Kleidern herumlaufende Tiere | |
sind, die andere Tiere essen, und nicht umgekehrt. | |
Wären Sie gern gläubig? | |
Ich wäre gern fähig, an etwas zu glauben. Mein Ersatz sind die Kunst und | |
Natur. An die glaube ich, die spenden mir Trost. Nur sind sie ein kleiner | |
Trost, verglichen mit dem Umstand, dass wir alle sterben und es keinen Gott | |
gibt und für uns keinen Grund. | |
Auch ein Thema Ihrer Bücher: Unser Versuch, durch Sprache und Kultur, mehr | |
zu sein als Tiere. | |
Ja. In meinem Roman „World’s End“ bin ich von der Frage ausgegangen: Wenn | |
du wie deine Mutter aussiehst, ihre Augen und ihre Nase hast und ein paar | |
ihrer Wesenszüge, wie weit kann das führen? Wenn also dein Vater ein | |
Betrüger wäre, würdest du die Veranlagung zum Betrüger in dir tragen? Als | |
ich das Buch schrieb, 1987, hätten alle gesagt, nee, das ist lächerlich, | |
jeder hat seinen freien Willen. Mittlerweile haben wir das menschliche | |
Genom entschlüsselt und wissen, dass unsere Hormone uns dazu bringen, uns | |
zu verlieben – in einem bestimmten Alter, weil wir dann am reproduktivsten | |
sind. Vielleicht haben wir keine Wahl. Vielleicht ist es wie bei den | |
Vögeln, die ihre Nester im Frühling bauen, und unser Verhalten wird mehr | |
von unserem Körper als von unserem Verstand diktiert. | |
Die Beziehung zu Ihrer Frau haben Sie schon romantischer beschrieben. Sie | |
sagten: Ich hatte keine Wahl. | |
George Bernard Shaw hat von der „Lebenskraft“ geschrieben, und ich glaube, | |
das meinte er. Die kommt einfach zu dir. Man denkt zwar, man hat Liebe und | |
Sex erfunden – wie sollen die eigenen Eltern je Sex gehabt haben! Aber jede | |
Generation landet dort. Frau B. und ich haben uns auf die schmutzige, alte | |
Art kennengelernt. In einer Bar, wir waren Studenten. | |
Warum nennen Sie Ihre Frau eigentlich so – deutsch, Frau B.? | |
Ich spreche sie kaum mit ihrem Namen an, ist mir zu langweilig. Ich habe | |
zehntausend Kosenamen für sie. Und sie kann allein an meinem Tonfall | |
erkennen, dass ich es bin, der nach ihr ruft. | |
Es sei denn, Sie ziehen sich in Ihre Hütte in den Bergen der Sierra Nevada | |
zurück. Hilft Ihr Gott, die Natur, Ihnen beim Schreiben? | |
Sie hilft mir nicht beim Schreiben, sie hält mich am Leben. Sie erinnert | |
mich an tierisches Leben und daran, dass tiefer Frieden darin liegt, keine | |
künstlichen Geräusche zu hören. Ich liebe Rock ’n’ Roll! Ich drehe den l… | |
auf. Aber wenn ich in den Bergen bin und vier, fünf Stunden mit Musik | |
gearbeitet habe, muss ich irgendwie zurück in die Kindheit: Dann gehe ich | |
in den Wald. Und dort denke ich nicht, ah, das ist ein roter Zedernbaum und | |
man kann ihm ansehen, wie die Borkenkäfer ihn zurichten. Ich denke nichts | |
außer, „hier ist die Sonne“, und „wow, was ist da eben in den Busch | |
gerannt“? Viele Menschen verstehen das nicht, sie leben in Städten. Wildnis | |
bewahren, Parks retten, wozu? Natur besteht für sie aus ein paar Tauben | |
oder der Frage, ob es gerade viel regnet. | |
Sie meinen, wir vergessen unseren Ursprung? | |
Ich meine, es ist gut, dass wir eine virtuelle Realität haben, denn diese | |
hier verschwindet allmählich. Die Geschichte, die ich am Sonntag vorlese, | |
„Are We Not Men?“, handelt von der Crispr/Cas9-Technologie. Sie wird dazu | |
führen, dass wir in einer Generation, so schätze ich, keine Menschen mehr | |
sind. | |
Das denken Sie im Ernst? | |
Ja. Ich bin davon überzeugt, dass Gene dann nicht mehr im Bett vermischt | |
werden, sondern im Labor. Im Moment erzählen uns Genetiker und | |
Molekularbiologen noch, die Technologie sei eine gute Sache, weil wir mit | |
ihr Erbkrankheiten verdrängen können – das Brustkrebsgen BRCA1 zum | |
Beispiel. Es kann aus der Keimbahn eines Menschen gelöscht werden. Für | |
immer! Was kann man dagegen sagen? | |
Nichts. | |
Doch der nächste Schritt ist, wie meine Geschichte nahelegt, der zum | |
perfekten Menschen. Der sich nicht mehr zufällig entwickelt, sondern mit | |
Eigenschaften, die man sich aussuchen kann. Die Menschen werden Größe | |
wollen. Intelligenz. Eine bestimmte Augenfarbe. Musisches Talent. Noch | |
heißt es, mit so was würde niemals am Menschen experimentiert. Aber in | |
bestimmten Ländern wird man das tun. Und dann werden auch wir aufholen | |
müssen, weil man eine Superrasse kreiert. Jeder wird das intelligenteste | |
Kind bekommen wollen, das er haben kann. | |
Ich hoffe, ich sterbe, bevor das passiert. | |
Ich auch. Aber so wird es sein. | |
Reden wir noch über etwas Schönes? Vielleicht über Weihnachten? | |
Weihnachten ist für mich mittlerweile wie für die Japaner, die das Fest | |
übernommen haben: Für sie ist es lustig und ein Feiertag und sie können | |
Sachen kaufen. Wir feiern es mit den Kindern und dem Hund und der Katze. | |
Vor Kurzem haben Sie die Freilassung von Deniz Yücel gefordert, [3][der | |
seit mehr als 300 Tagen im Gefängnis in Istanbul sitzt]. Schicken Sie ihm | |
noch einen Gruß, damit ihm Weihnachten nicht ganz so trist vorkommt? | |
Lassen Sie mich einfach das zu ihm sagen: I support you. Of course I do. | |
25 Dec 2017 | |
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Annabelle Seubert | |
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