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# taz.de -- Suizid-Assistenz in Deutschland: Strategie: Exit
> Seit die Begleitung in den Freitod legal ist, haben die
> Sterbehilfevereine Zulauf. Auch der 96-jährige Karl T. will
> selbstbestimmt sterben.
Bild: Wenn die Tage kürzer werden
Die Wolken hängen tief über den bewaldeten Hügeln. Zehn Wildgänse ziehen
vorbei. Weiß verputzte Fachwerkhäuser, Scheunen und Bauernhöfe – irgendwo
in Deutschland. Es ist eine idyllische Gegend. Wenn Karl T. (Name geändert)
aus dem Fenster seines Wohnzimmers blickt, schaut er direkt auf den Wald.
Der Naturwissenschaftler im Ruhestand war zeit seines Lebens auch Jäger.
Einige Hundert Rehe hat er geschossen, auch Bäume hat er gepflanzt, um den
Wald zu erneuern. Wenn er auf Pirsch war, dann mit einem sogenannten
Einschussgewehr, eine einzige Patrone steckte im Lauf. Das letzte Wild,
einen Schwarzkittel, hat er vor drei Jahren geschossen. „Das Wildschwein
lag auf der Stelle“, sagt T. – auf der Stelle tot sein, das wünsche er sich
für sich selbst auch.
T. ist 96. Er geht schon lange am Stock, ist auf einem Ohr taub, Folge
einer Kriegsverletzung Anfang 1945 in Ungarn. Den 19-jährigen
Wehrmachtsoldaten hätte das fast das Leben gekostet. Der Schuss ging unter
dem Auge rein und hinten wieder raus.
Man kennt sich von früher, als die Autorin noch ein Kind war; T. war ein
Bekannter der Eltern. Jahrzehnte später hatten wir uns im Sommer erstmals
wieder gesehen. Er gehe einmal die Woche schwimmen, erzählte T. da, einen
halben Kilometer – in 23 Minuten. Blitzschnell war er im Kopf, gut
informiert über das politische Weltgeschehen, er hat zwei Wochenzeitungen
im Abo.
## Den Lebenswillen verloren
Dann kam der Anruf seiner Frau mit der Bitte zu kommen; T. war in der Küche
gestürzt. Dem Oberschenkelhalsbruch war ein mehrwöchiger
Krankenhausaufenthalt gefolgt. Der Bruch wurde genagelt, aber T. hat seinen
Lebenswillen verloren. Er will sterben, freiwillig und selbstbestimmt mit
Hilfe von Dritten – so wie es das [1][Bundesverfassungsgericht im Februar
2020] als verfassungsgemäß erklärt hat.
T. hat Vorsorge getroffen. Seit einem Jahr ist er Mitglied der Deutschen
Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS). Die Organisation, die seit 40
Jahren existiert und sich als Patientenschutzorganisation bezeichnet,
vermittelt seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Sterbebegleitung.
Mit Unterstützung seiner Frau, die den Todeswunsch respektiert, schickte T.
kurz vor der Entlassung aus der Klinik ein Einschreiben an die
Organisation. Der Brief ist kurz; T. schildert seine Befindlichkeit und
endet mit dem Satz: „Ich bitte schnellstmöglich um Vermittlung einer
Freitodbegleitung.“
Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die
Zulässigkeit organisierter Sterbehilfe können Sterbehilfeorganisationen in
Deutschland wieder Freitodbegleitungen durchzuführen. „Deutsche dürfen
wieder zu Hause sterben“, titelte die Luzerner Zeitung nach dem Urteil. Die
Ära, dass Sterbewillige aus Deutschland in der Schweiz die Hilfe von
Dignitas in Anspruch nehmen mussten, sei damit wohl vorbei, vermutete der
Gründer der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Ludwig Minelli in dem
Artikel. Ob dem wirklich so ist, lässt sich noch nicht beurteilen.
Rund 120 Menschen sind durch Vermittlung der DGHS in diesem Jahr in den
Freitod begleitet worden. Da im vergangenen Jahr zunächst die
entsprechenden Strukturen innerhalb der DGHS geschaffen werden mussten,
seien es da nicht annähernd so viele gewesen, sagt Wega Wetzel, Sprecherin
der DGHS. Fünf bis sechs Prozent seien Doppelbegleitungen gewesen – ältere
Ehepaare, die den letzten Schritt gemeinsam vollzogen. Jedem Sterbewilligen
stehe ein Arzt und ein Jurist zur Seite. Bundesweit gebe es inzwischen neun
solcher Teams.
Die Karlsruher Richter haben [2][ein Urteil gefällt, das nach wie vor für
Zündstoff sorgt.] Bis dahin war assistierter Suizid in Deutschland
verboten, lediglich passive sowie indirekte Sterbehilfe war zulässig. Legal
ist nun, dass der Arzt einem Sterbewilligen ein tödlich wirkendes
Medikament verschreiben und zur Einnahme bereitstellen kann. Den letzten
Schritt muss der Betroffene aber weiterhin selbst tun, sei es, den Becher
zum Munde zu führen, oder das Rädchen an der Infusionsflasche zu öffnen.
## Liberaler als anderswo
In den meisten europäischen Staaten ist die Beihilfe zum Suizid unter
Strafe gestellt, liberalere Regelungen gelten nur in der Schweiz, den
Niederlanden und Belgien. Auch in Kanada und Oregon (USA) ist das so. Fast
überall ist die Erlaubnis allerdings auf Menschen beschränkt, die an
schwersten Erkrankungen leiden.
In Deutschland hingegen gilt die Regelung unabhängig vom
Gesundheitszustand, von Motiven oder moralischen Erwägungen. Voraussetzung
ist aber, dass die Person geschäftsfähig und im Vollbesitz ihrer geistigen
Kräfte ist. Und, dass die Freitodentscheidung auf einem freien Willen
beruht, „von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit“
getragen ist, also nicht etwa auf einer vorübergehenden Krise beruht.
Dem eigenen Leben entsprechend des eigenen Verständnisses von
Lebensqualität und Sinnhaftigkeit ein Ende zu setzen sei als Akt autonomer
Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren, heißt es im
Urteil. Dieses Recht umfasse auch die Freiheit, dafür Hilfe von Dritten in
Anspruch zu nehmen, soweit diese angeboten werde. Und, man könnte auch
sagen aber: Kein Arzt könne verpflichtet werden, Suizidhilfe zu leisten.
Die Mehrheit der Mediziner lehnt Suizidassistenz aus ethischen Gründen ab.
Ihr Selbstverständnis ist es, Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und
Leiden zu lindern. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung sei keine
ärztliche Aufgabe, lautete denn auch die Beschlusslage des 124. Deutschen
Ärztetages im vergangenen Mai. Lediglich die [3][Muster-Berufsordnung der
Bundesärztekammer] wurde mit Blick auf das Urteil geändert. Der
Verbotspassus, dass Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen,
wurde gestrichen.
## Keine ärztliche Struktur
Die Sterbehilfevereine, die über einen angeschlossenen Ärztekreis verfügen,
füllen somit ein Vakuum. Es gebe [4][keinerlei ärztliche Struktur], wo sich
Menschen über Sterbehilfe informieren könnten, sagt Hanjo Lehmann. Den
75-jährigen Arzt beschäftigt das Thema schon länger. 2015 hat er in Berlin
„die Arbeitsgemeinschaft ärztliche Sterbehilfe“ gegründet, die aber mange…
Mitgliedern ruht. Selbst in der Millionenmetropole Berlin sei es nahe
unmöglich, einen ärztlichen Sterbebegleiter zu finden, weiß Lehmann. Wie
sei es da erst auf dem Land?
Die Berliner Ärztekammer teilte mit, eine Liste von Ärzten, die
gegebenenfalls für Sterbeassistenz zur Verfügung stünden, existiere nicht.
Betroffenen würde man raten, sich in so einem Fall an die Ärzte ihres
Vertrauens zu wenden. Das könnten Hausärzte oder Palliativmediziner sein.
Nils Wagner-Praus ist Landarzt in Gilserberg in Hessen. Der 59-Jährige hat
einen Patientenstamm von rund 2.200 Personen. Den Kontakt hat eine
taz-Kollegin vermittelt, die aus der Region kommt. Wagner-Praus hatte
geraten, ihre Mutter lieber zu Hause in Ruhe sterben zu lassen, als sie
noch auf den letzten Metern ins Krankenhaus zu bringen. Er sei
Palliativmediziner, sagt Wagner-Praus am Telefon, er betreue auch ein
Hospiz.
Die Situation auf dem Land beschreibt der Arzt so: Natürlich habe er ab und
an auch mit Suiziden zu tun. Zumeist seien diese durch Strangulierung
geschehen. Es gebe eine Familie, da hätten sich zwei Personen im Abstand
mehrerer Jahre am selben Haken in der Scheune erhängt. „Das erste, was ich
gesagt habe: Macht den Haken weg!“ Für die Angehörigen sei das besonders
schlimm, „so ein Bild bleibt doch“.
Jemandem aktiv das tödliche Medikament besorgen, weil er vielleicht alt und
gebrechlich sei und nicht mehr leben wolle? „Auf keinen Fall“, sagt
Wagner-Praus, „das widerspricht meiner Wertevorstellung.“ Die Person bekäme
von ihm jede andere Hilfe und auch eine Menge Verständnis, „aber nicht das,
das sag ich ganz ehrlich“.
In der 21-jährigen Zeit als Landarzt sei er aber auch noch nie direkt mit
so einer Frage konfrontiert worden. „Die werden sich eher an
Sterbehilfeorganisationen wenden, als mit dem Hausarzt darüber sprechen“,
glaubt er. Vermutlich sei es leichter, einem fremden Arzt den Sterbewunsch
anzuvertrauen. Auf dem Land sei ja alles so überschaubar.
Seit dem Gerichtsurteil verzeichnet die DGHS steigende Mitgliederzahlen,
zurzeit sind es knapp 23.000. Auch die Anfragen nach assistiertem Suizid
hätten deutlich zugenommen, sagt Wega Wetzel. Weit über 100 Anrufe gingen
monatlich allein in der Berliner Zentrale ein. Früher seien es zehn bis 20
Anrufe gewesen. Die Nachfragen kämen aus allen Teilen der Republik.
## Mehrere Gruppen herauskristallisiert
Es gebe Anrufer, die sich pauschal erkundigten und Mitglied werden wollten.
Oder Anfragen, weil bei einem Familienmitglied der Krebs schon weit
fortgeschritten sei und die Person nicht mehr weiterleben wolle. Es gebe
aber auch Anrufe, wo Leute lieber heute als morgen eine Freitodbegleitung
wünschten. Das sei bis auf wenige medizinisch hochdramatische Fälle bisher
nicht möglich gewesen.
Mehrere Gruppen hätten sich herauskristallisiert: Krebserkrankungen,
ungefähr 40 Prozent, neurologische Erkrankungen wie ALS, MS, die nicht bis
zum Ende durchgestanden werden wollten, orthopädische Einschränkungen, die
das Leben zur Hölle machten, oder auch eine Mischung aus mehreren
Erkrankungen.
Für rund 20 Prozent der Freitodwilligen sei das Motiv durch sogenannte
Lebenssattheit geprägt. Dies treffe vor allem auf Hochaltrige zu, die an
keiner schweren lebensbedrohlichen Erkrankung leiden. Mithin für Menschen,
die wüssten, dass jetzt nur noch das Pflegeheim komme und die das partout
nicht wollten, so Wetzel. „Für Menschen, die ihr Leben gelebt haben und
sagen, ich möchte jetzt, wo ich so vieles nicht mehr kann, nicht noch
warten, bis ich von alleine sterbe.“
T. wirkt geschwächt, dunkle Ränder zeichnen sich unter den Augen ab. Als
seine Frau der Besucherin die Tür des Einfamilienhauses öffnet, steht er
hinter ihr, auf einen Rollator mit hohen Armlehnen gestützt. Die DGHS hat
inzwischen auf sein Anschreiben reagiert. Man sei in Kontakt, sagt T. Mit
kleinen Schritten schiebt er den Rollator ins Wohnzimmer. Seine Frau hilft
ihm in den Sessel, dann zieht sie sich zurück. Sie hat stark an Gewicht
verloren, das Ganze verlangt auch ihr viel ab. T. ist nicht einsam, er wird
liebevoll umsorgt, er hat keine Geldsorgen. Er weiß das, er habe Glück
gehabt. „Millionen Menschen geht es viel schlechter.“
Was ihn zu dem Brief an die DGHS getrieben hat? Seit dem Sturz sei er so
gut wie hilflos. Er habe multiple Leiden und Angst vor einem schleichenden
Verfall. Sein Zustand werde sich immer weiter verschlechtern, aber es könne
noch lange dauern, er sei robust. Dass ihm, um seinen Abgang von dieser
Welt zu beschleunigen, am Ende nur die Möglichkeit bleibe, sich durch den
Entzug von Nahrung und Flüssigkeit zu Tode zu hungern. Nein, er wolle nicht
so qualvoll verenden wie sein Vater. Immer habe er sich geschworen: „Vorher
trete ich ab.“
## Beratungspflicht vorgesehen
Die Sterbehilfevereine operieren zurzeit in einer Regelungslücke. Das
Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber anheimgestellt, die
Suizidassistenz zu regeln, es gibt auch schon [5][mehrere
Gesetzesentwürfe], die Einigung wurde aber auf die neue Legislaturperiode
verschoben.
Der fraktionsübergreifende Entwurf von SPD, FDP und Linke sieht eine
Beratungspflicht des Suizidwilligen durch eine unabhängige, staatlich
anerkannte Stelle vor. Befürworter der freiheitlichen Rechtsprechung lässt
das befürchten, dass diese durch die Einführung von Zwangsberatungen
verwässert wird. Auch Hanjo Lehmann findet, es braucht eigentlich kein
neues Gesetz. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Kriterien doch klar
definiert.
Bei der Überprüfung des Todeswunsches orientiere man sich streng an den vom
Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Kriterien, sagt DGHS-Sprecherin
Wetzel. Freitodwünsche von Menschen, die aufgrund von beginnender Demenz
oder einer psychiatrischen Erkrankung aus dem Leben gehen wollen, „erfüllen
wir grundsätzlich nicht“.
Jeder Freitodbegleitung gehe eine sorgfältige Prüfung voraus, vorgenommen
von einem Arzt und einem Juristen. Bestandteil seien lange persönliche
Erst- und Zweitgespräche zuhause bei den Antragstellern, möglichst auch mit
Angehörigen. Es gehe darum, die Entscheidungsfähigkeit der Betreffenden
auszuloten, einen Affekt auszuschließen. „Der Wunsch muss konstant sein.“
Die Gespräche seien Aufklärungsgespräche und ausdrücklich keine
Beratungsgespräche. Die DGHS lehne eine Beratungspflicht des
Freitodwilligen prinzipiell ab. Natürlich würden auch Anträge abgelehnt.
„Bei uns gilt immer das Vier-Augen-Prinzip.“
Anruf in einer Kleinstadt, irgendwo in Deutschland. Agnes V. (Name
geändert) war dabei, als ihre Freundin im Frühjahr von einem Arzt und einem
Juristen der DGHS in den Freitod begleitet wurde. Für sie selbst wäre das
keine Option, sagt V., aber sie könne Menschen verstehen, die sagen, „ich
mag nicht mehr“. Sie habe die Freundin bei den Sterbegleitern gut
aufgehoben gefühlt.
Die Freundin war 67; Krebs im fortgeschrittenen Stadium. „Sie hatte immer
sehr starke Schmerzen, das hat die Entscheidung beschleunigt“, erzählt V..
Es sei kein spontaner Entschluss gewesen, sondern ein langer Weg. Viele
Jahre schon habe sich die Freundin mit dem Thema beschäftigt. Das habe sie
aber mit sich selbst ausgemacht. Erst zwei Wochen vor dem Tod habe sie sie,
Agnes, eingeweiht – als Einzige im Freundeskreis, aus Sorge, es könnte
Versuche geben sie umzustimmen. „Ich war sehr froh, dass sie den Wunsch
geäußert hat, ich möge dabei sein.“
Bei dem Termin selbst sei zuerst der Jurist gekommen. Er habe mit der
Freundin nochmals ein Gespräch geführt, dann habe diese mit ihrer
Unterschrift bestätigt, dass es ihr freier und klarer Wille sei. Der Arzt
sei etwas später erschienen. Auch er habe sich mit der Freundin
unterhalten. Ob sie das noch durchführen möchte, habe er am Ende gefragt.
Dann habe der Arzt die erforderlichen Vorbereitungen getroffen. Bei allem,
was er getan habe, habe er die Freundin eingebunden und diese immer wieder
gefragt, ob sie bei ihrer Entscheidung bleibe.
Der Jurist habe alles protokolliert. Zum Schluss habe er die Freundin
gebeten, noch einmal in die Kamera seines Handys zu sprechen. „Wissen Sie,
was passiert, wenn Sie diesen Schalter betätigen?“ – Und dann sagte sie mit
sehr klarer Stimme: „Ja, ich werde erst einschlafen und dann werde ich
sterben.“
So sei es dann auch gewesen, sagt Agnes V., es sei sehr schnell geschehen.
## Sterbehilfe ist keine Klassenfrage
Grundsätzlich werde nach jedem Todesfall die Polizei informiert, erklärt
Wega Wetzel. Rund 4.000 Euro koste die Sterbebegleitung, abgedeckt würden
davon auch die Reise- und Übernachtungskosten der Helfer. Man versuche sich
gleichmäßig bundesweit aufzustellen, damit nicht so hohe Reisekosten
entstünden. Und nein, Sterbehilfe sei keine Klassenfrage, die sich nur
Reiche leisten könnten. Es gebe einen Sozialfond, den mittellose Menschen
in Anspruch nehmen könnten. Das sei auch schon geschehen.
Es gibt Momente bei diesem Besuch bei T., wo die Schatten verfliegen. Das
Gedächtnis des bald 100-Jährigen ist messerscharf. Wenn er erzählt, wie er
sich in seiner Jugend durchmogelte, nicht den vorgezeichneten Weg
eingeschlagen hat, lacht er und seine Augen leuchten. Oder wenn er,
scheinbar entrüstet, protestiert, als seine Frau sagt, als Chef sei er bei
seinen früheren Mitarbeitern mehr gefürchtet als beliebt gewesen. Man
einigt sich auf die Formulierung „hart, aber fair“. T. liest immer noch
viel, auch nachts, wenn er wenig Luft bekommt und der Schlaf trotz „Pille“
ausbleibt, „aus Angst vor den Gedanken, die ohne Beschäftigung kommen“.
Das Bedürfnis von Hochbetagten nach einer Exit-Strategie könne sie gut
nachvollziehen, sagt Wetzel. Zum Glück sei es nun aber nicht mehr nötig,
den Ausweg in der Schweiz zu suchen oder im [6][Sterbefasten]. Wenn die
Unterlagen bei der DGHS komplett seien, könne der Antrag auch erst mal
ruhen, wenn das gewünscht sei. Wenn es so weit sei, könne es innerhalb von
wenigen Tagen geschehen.
Nicht selten, sagt Wetzel, habe man festgestellt, dass die grundsätzliche
Zusage für eine Freitodbegleitung beruhigend und somit stark präventiv
wirke. Die Antragsteller hätten ihrem Lebensende gelassener
entgegengesehen.
Im Wohnzimmer von T. ist es dämmrig geworden. Den ganzen Tag wurde es nie
hell. Sein Vater sei qualvoll an zerebraler Sklerose zugrunde gegangen,
erzählt T. Einmal habe ihn der alte Herr nach seinem Jagdgewehr gefragt.
„Ich habe Nein gesagt.“ Nein, das sei keine Option, schon aus Rücksicht auf
die Hinterbliebenen nicht.
Wir schauen durch das Fenster auf den Wald. „In der Natur“, sagt T., „holt
sich der Beutegreifer die Alten.“
29 Nov 2021
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Plutonia Plarre
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