# taz.de -- Palliativmedizin und assistierter Suizid: Noch mal einen Schluck Wh… | |
> Jede krankenversicherte Person in Deutschland hat Anspruch auf | |
> Palliativversorgung. Das wissen nur leider die Wenigsten – und das ist | |
> nicht gut. | |
Bild: Niemand sollte alleine sterben: Szene aus einem Hospiz in Offenburg | |
Jedes Mal, wenn ich etwas zum Thema Sterbehilfe lese, werde ich müde. Sie | |
können sich also vorstellen, dass ich im vergangenen Jahr sehr müde war. | |
Genau genommen [1][seit Februar 2020, als das Bundesverfassungsgericht die | |
bis dahin geltende Regelung zum assistierten Suizid gekippt hat.] | |
Müde werde ich deshalb, weil ich es nicht schaffe, mir eine klare Haltung | |
zu dem Thema zuzulegen, [2][obwohl ich denke, dass ich das sollte]. Ich | |
halte die Selbstbestimmung des Menschen für ein hohes Gut. Gleichzeitig | |
glaube ich, dass die Risiken, die mit einer Liberalisierung der Sterbehilfe | |
einhergehen, immens sind. Vor allem im Hinblick auf den Druck, der auf | |
alten und kranken Menschen lasten würde, wenn es – ja, wenn es eben doch | |
diesen anderen Ausweg gäbe. | |
In den Diskussionen wird oft darauf verwiesen, dass sich eine deutliche | |
Mehrheit der Bevölkerung dafür ausspricht, Schwerstkranke beim Suizid zu | |
unterstützen. Wenn ich so etwas lese, bin ich plötzlich hellwach. Denn wozu | |
ich eine klare Haltung habe, ist das: Es fehlt uns an Aufklärung über die | |
Möglichkeiten der modernen Palliativ- und Hospizversorgung. | |
Ich arbeite selbst für einen ambulanten Hospizdienst. Dort haben wir oft | |
mit todkranken Menschen zu tun, die den Wunsch äußern, ihrem Leben ein Ende | |
zu setzen. In den allermeisten Fällen ändern sie allerdings ihre Meinung – | |
einfach nur, indem wir aufzeigen, welche Mittel und Wege es jenseits des | |
assistierten Suizids gibt, würdevoll und selbstbestimmt zu sterben. | |
## Anspruch und Wirklichkeit | |
Jede krankenversicherte Person in Deutschland hat Anspruch auf eine | |
Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV), die die Pflege und | |
ärztliche Betreuung rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche gewährleistet | |
– zu Hause. Hand in Hand mit dem SAPV-Team arbeiten ambulante | |
Hospizdienste, die schwerstkranke Menschen und ihre Angehörigen in allen | |
psychischen und sozialen Belangen unterstützen und so eine intensive | |
Begleitung ermöglichen. Das wissen oft nicht einmal die Hausärzte, die es | |
verschreiben könnten. | |
Ich glaube, dass es wichtig ist, die Gründe zu verstehen, die hinter dem | |
Ruf nach assistiertem Suizid stehen. Oftmals ist es Angst: vor Schmerzen | |
und unerträglichem Leid, davor, im Krankenhaus an Schläuchen vor sich hin | |
zu vegetieren. | |
Die Vorstellung, dass der Tod qualvoll sein muss, hält sich hartnäckig. | |
Palliativmediziner hingegen sind Spezialisten für Schmerz- und | |
Symptomkontrolle. Ihre Arbeit fängt da erst so richtig an, wo andere | |
medizinische Fachrichtungen aufhören. Gemeinsam mit den Hospizdiensten ist | |
es nicht ihr Ziel, das Leben zu verlängern, sondern die bestmögliche | |
Lebensqualität bis zum Tod zu gewährleisten. | |
Manchmal sind das auch kleine Dinge. Noch mal am Kanal in der Sonne sitzen, | |
einen Schluck des Lieblingswhiskeys genießen, und vor allem: in alldem | |
nicht alleine sein. | |
Wir sollten über Sterbehilfe diskutieren – aber auch wissen, was ansonsten | |
alles möglich ist. | |
15 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/0… | |
[2] /Debatte-um-Sterbehilfe/!5745233 | |
## AUTOREN | |
Caroline Kraft | |
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