| # taz.de -- Studie zum Wohnungsmarkt in Berlin: Im Immobilienhimmel | |
| > Von wegen gebeutelte Kleinvermieter: Laut der „Wem gehört die | |
| > Stadt“-Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung gehört fast halb Berlin | |
| > Millionären. | |
| Bild: Mieter:innen protestieren gegen die jüngste Shopping-Tour des Großinves… | |
| Berlin taz | Der Immobilienmarkt ist ein Dunkelfeld: Zwei Jahre hat | |
| Christoph Trautvetter undurchsichtigen Investmentfonds und | |
| Eigentümer:innen hinterherrecherchiert und noch immer gibt es Lücken. | |
| Schwer macht die Erforschung der wirklichen Eigentumsverhältnisse auf dem | |
| Wohnungsmarkt vor allem, dass in Deutschland nicht der wirtschaftlich | |
| Verfügungsberechtigte im Grundbucheintrag eines Hauses stehen muss. | |
| Dafür reicht eine Briefkasten-GmbH, die typischerweise wiederum einer | |
| anderen Gesellschaft gehört, die ihrerseits im Besitz einer anderen Firma | |
| ist. Die Spuren führen meist in Steuerparadiese wie die Cayman Islands, | |
| Luxemburg, das amerikanische Delaware oder das [1][brandenburgische | |
| Zossen]. | |
| Auch wenn nach der am Dienstagabend vorgestellten [2][Studie der | |
| Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung] Berlins Wohnungsmarkt noch lange | |
| nicht transparent ist, liefert sie doch einen systematischen Überblick über | |
| die Eigentumsverhältnisse. Klar wird sofort: Der [3][Mythos], dass der | |
| Markt hauptsächlich von Kleinvermieter:innen bestimmt ist, deren | |
| Altersvorsorge angeblich durch Regulierungen wie den [4][Mietendeckel] in | |
| den Ruin getrieben werde, ist Quatsch. | |
| Ein wesentlicher Teil des privaten Immobilienbesitzes gehört größeren, | |
| häufig anonymen privaten Vermietern und Firmen. Ebenso gehören | |
| deutschlandweit einmalig hohe 25 Prozent der Stadt renditegeilen | |
| Investmentfonds und privaten Wohnungsunternehmen, die für ihre Anleger auf | |
| Mieter flieg raus Gewinn aus ihren Immobilien quetschen. Im Gegenzug gibt | |
| es in Berlin weniger Selbstnutzer:innen und Privateigentümer als in | |
| anderen Städten. | |
| ## Profite ohne Leistung dank Preisboom | |
| Oder wie Trautvetter, der Autor der Studie, zusammenfasst: „Fast halb | |
| Berlin gehört einigen tausend Millionären.“ Als Millionäre gelten | |
| angesichts der hohen Immobilienpreise bereits Personen, die zwei Wohnungen | |
| und mehr in Berlin besitzen. Menschen, die fünf oder mehr Wohnungen | |
| besitzen, zählt Trauvetter als Multimillionäre. | |
| Sein Befund: Von Berlins insgesamt 2 Millionen Wohnungen gehören 800.000 | |
| Immobilienmillionären, großen Wohnungsunternehmen und professionellen | |
| Investoren. 305.000 gehören Selbstnutzern, 320.000 kleineren privaten | |
| Eigentümern, 545.000 sind in öffentlicher Hand. Die problematischen | |
| Vermieter, die Verdrängungsprozesse befördern, sind dabei vor allem unter | |
| den größeren Privatvermietern, privaten Wohnungsfirmen und Investmentfonds | |
| zu finden. | |
| Der Preisboom der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass alle | |
| Eigentümer:innen ohne eigene Leistung mächtig profitiert haben. | |
| Während öffentliche oder genossenschaftliche Wohnungsbaugesellschaften | |
| Erträge in Bestand und Neubau investieren, geht es größeren privaten | |
| Vermietern um höchstmögliche Rendite. | |
| Besonders problematisch sind laut Studie dabei nicht nur große | |
| Wohnungsunternehmen wie die Deutsche Wohnen, sondern auch | |
| Privat-Equity-Gesellschaften, die Anleger:innen dauerhaft zweistellige | |
| Renditen versprechen. Langfristige Investitionen in den Wohnwert blieben | |
| aus, dafür nutzten sie Schattenfinanzplätze für Steuervermeidung. | |
| Mehr als 100 dieser problematischen Eigentümer:innen hat die Studie | |
| unter der Mithilfe von Mieter:innen und auf Basis von Recherchen | |
| identifiziert und näher analysiert. Besonders interessant sind dabei | |
| Investmentfirmen und renditeorientierte Wohnungsunternehmen, die bisher | |
| weitgehend unter dem Radar flogen. Trautvetter sagt über diese Player: „Es | |
| geht ihnen auch nach dem Mietendeckel gut.“ | |
| Zu den näher untersuchten Eigentümer:innen gehören der globale | |
| US-Investor Blackstone, der mehr als 3.500 Wohnungen in Berlin besitzen | |
| soll und [5][laut Tagesspiegel-Recherche] zur Verschleierung ein komplexes | |
| Briefkasten-Imperium nutzt. Mit seinem nun offenkundig werdenden Bestand | |
| liegt er über der Vergesellschaftungsgrenze von 3.000 Wohnungen des | |
| [6][Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co enteignen“]. | |
| ## Phoenix Spree, Becker & Kries, Ziegert | |
| Trautvetter kommt auch auf den Investmentfonds Phoenix Spree aus Jersey zu | |
| sprechen, der seit 2007 in Berlin 2.537 Wohnungen gekauft hat. Aus deren | |
| Mieteinnahmen fließen mehr als 50 Prozent an die Manager, den | |
| Anleger:innen werden dennoch 10 bis 15 Prozent ausgeschüttet. Die | |
| Antwort des Fonds auf den Mietendeckel lautet: Aufteilung in | |
| Eigentumswohnungen. Wie er es auf eine „wahnsinnige“ Neuvermietungsquote | |
| von jährlich 11 Prozent schaffe, sei schleierhaft, so Trautvetter, ebenso | |
| die Identität der Eigentümer. | |
| Aber auch die deutsche Familienstiftung Becker & Kries kommt nicht gut weg | |
| in der Studie: Die Milliardäre in dritter Generation besitzen 2.884 | |
| Wohnungen in Berlin und sehen laut Trautvetter den Mietendeckel gar als | |
| Chance, um weiter günstig einzukaufen. „Sie erhöhen die Mieteinnahmen, wo | |
| sie können“, sagt er. Ähnlich sieht es aus bei Ziegert, einem Investor, der | |
| offenbar nur auf Umwandlung in Eigentum setzt und über den auch nach der | |
| Studie nicht viel bekannt ist: seit wann er in Berlin investiert und in | |
| welchem Umfang etwa. | |
| Weil es weiter bei vielen Playern an Transparenz fehlt, hat die | |
| Rosa-Luxemburg-Stiftung auch die Website [7][„Wem gehört die Stadt?“] | |
| aufgesetzt. Da können Mieter:innen selbst nach ihren Vermietern suchen | |
| oder helfen, Wissen über Eigentumsverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt zu | |
| sammeln. | |
| Die Handlungsempfehlungen der Studie sind dann folgerichtig: „Am Ende | |
| brauchen wir Regulierung, dass diese leistungslosen Gewinne fair verteilt | |
| werden“, sagt Trautvetter. Das kann laut Studie mit einer reformierten | |
| Vermögens- und Erbschaftsteuer passieren, zudem könnten Preislimits extreme | |
| Wertsteigerungen verhindern. Außerdem brauche es Maßnahmen gegen [8][Share | |
| Deals], also steuersparende Häuserverkäufe außerhalb der Grundbücher, und | |
| Schutz gegen Eigenbedarfskündigungen und Umwandlung in Eigentum. | |
| Erforderlich sei dafür aber eine solide Datenbasis: ein transparentes | |
| Gebäude- und Wohnungsregister und Mietenkataster, das die realen | |
| Eigentumsverhältnisse abbildet. Immerhin das wird in der [9][rot-rot-grünen | |
| Koalition] bereits vorbereitet. | |
| 11 Nov 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Steuerparadies-Zossen/!5596487 | |
| [2] https://www.rosalux.de/pressemeldung/id/43322/wem-gehoert-die-stadt-neue-st… | |
| [3] /Vermieter-Demo-gegen-Mietendeckel/!5648285 | |
| [4] /Mietendeckel/!t5567229 | |
| [5] https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/blackstone-3500-berliner-wohnungen-i… | |
| [6] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213 | |
| [7] https://www.wemgehoertdiestadt.de/berlin | |
| [8] /Mietenwahnsinn-in-Berlin/!5581628 | |
| [9] /Schwerpunkt-Rot-Rot-Gruen-in-Berlin/!t5473160 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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