| # taz.de -- Studie zum Mangel an Sozialwohnungen: „Der Staat ist erpressbar“ | |
| > Die Zahl der Sozialwohnungen schrumpft. Das hat Folgen für die | |
| > Staatsfinanzen, zeigt eine Studie. Der Staat bezuschusse oft überhöhte | |
| > Mieten. | |
| Bild: Eine Wohnung zu haben ist schön. Vor allem wenn es schneit wie hier in S… | |
| Berlin taz | Routiniert beziffert Matthias Günther vom Pestel-Institut aus | |
| Hannover die Misere im sozialen Wohnungsbau: „2007 hatten wir noch gut 2 | |
| Millionen Sozialwohnungen, heute stehen wir bei knapp 1,1 Millionen“, sagt | |
| er am Dienstag in Berlin gleich zu Beginn der Pressekonferenz des | |
| Bündnisses Soziales Wohnen, in dem Mieterbund, Baugewerkschaft sowie | |
| Sozial- und Branchenverbände organisiert sind. | |
| Der Gesamtbestand staatlich bezuschusster Wohnungen hat sich in diesem | |
| Zeitraum also fast halbiert. Ein Trend, der sich seit Jahren abzeichnet. | |
| Die Lage auf dem Wohnungsmarkt wird damit insbesondere für Haushalte mit | |
| geringem Einkommen immer prekärer. Grob die Hälfte der Miethaushalte habe | |
| „vom Einkommen her die Berechtigung, in einer Sozialwohnung zu wohnen“, | |
| sagt der Studienleiter Günther. | |
| Das Bündnis Soziales Wohnen geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 | |
| bundesweit 2 Millionen Sozialwohnungen nötig sind. Demnach müssten also | |
| noch 910.000 Sozialwohnungen geschaffen werden. | |
| Die Studie „Bauen und Wohnen 2024 in Deutschland“ zeigt nicht nur, wie der | |
| soziale Wohnungsbau in den einzelnen Bundesländern vernachlässigt wurde – | |
| besonders viele Sozialwohnungen fehlten demnach in Baden-Württemberg | |
| (Lücke: rund 206.000 Wohnungen), Bayern (rund 195.000), Berlin (rund | |
| 131.000) und Niedersachsen (rund 109.000). | |
| ## Staat zahlt überteuerte Mieten | |
| Sie richtet den Blick auch auf ein bisher unterbeleuchtetes Thema: wie viel | |
| Geld der Staat für Mieten ausgibt, indem er diese zum Beispiel für | |
| Bürgergeldberechtigte übernimmt oder Menschen mit niedrigem Einkommen durch | |
| Wohngeld unterstützt. Und in welchem Verhältnis steht das eigentlich zu den | |
| Ausgaben im sozialen Wohnungsbau? | |
| „Um bedürftigen Haushalten das Wohnen überhaupt noch zu ermöglichen, ist | |
| der Staat mittlerweile gezwungen, stetig steigende Mieten auf dem freien | |
| Wohnungsmarkt zu akzeptieren“, erklärt Günther. Dadurch seien „staatliche | |
| Ausgaben für das Wohngeld und für die Kosten der Unterkunft geradezu | |
| explodiert“. Sprich: Weil Sozialwohnungen fehlen, zahlt die öffentliche | |
| Hand oft völlig überhöhte Mieten. | |
| Davon profitierten vor allem Vermieter, kritisiert Günther und nennt | |
| München als Beispiel: Hier zahlten die Jobcenter im Juni 2022 laut der | |
| Studie 19,20 Euro pro Quadratmeter. Die Durchschnittsmiete lag 2022 bei nur | |
| 12,8 Euro pro Quadratmeter. Bundesweit habe der Staat demnach pro Jahr rund | |
| 700 Millionen Euro mehr übernommen, als die Miete durchschnittlich gekostet | |
| habe, rechnet die Studie hoch. Günther fasst das so zusammen: „Der Staat | |
| ist erpressbar, weil er Mieten in Kauf nehmen muss.“ | |
| Im Jahr 2022 habe der Fiskus demnach erstmals mehr als 20 Milliarden Euro | |
| zur Unterstützung von Wohnen für Bedürftige ausgegeben: davon 15 Milliarden | |
| Euro für die Unterkunft, die die Job-Center übernehmen, und mehr als 5 | |
| Milliarden Euro für das Wohngeld. | |
| Zum Vergleich: Die Ausgaben von Bund und Ländern für den sozialen | |
| Wohnungsbau lagen in den letzten Jahren unter 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, | |
| so die Studie. „Die Sozialausgaben fürs Wohnen sind damit 8-mal so hoch wie | |
| die zur Förderung des Neubaus von Sozialwohnungen“, kritisiert Günther das | |
| Missverhältnis. | |
| ## Bundesbauminsterin findet Studie unseriös | |
| Immerhin hat der Bund kürzlich bekannt gegeben, dass die Bundesmittel für | |
| den sozialen Wohnungsbau und das Programm „Junges Wohnen“ von bisher 2,5 | |
| Milliarden auf 3,15 Milliarden Euro im Jahr 2024 erhöht werden. Die Länder | |
| haben sich zudem verpflichtet, diese Summe kozufinanzieren. Insgesamt | |
| kommen Bund und Länder für das Jahr 2024 auf mindestens 4,16 Milliarden | |
| Euro für den Sozialen Wohnungsbau. | |
| Aus Sicht von Soziales Wohnen reicht das aber nicht aus, das Bündnis | |
| fordert seit Längerem [1][ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro | |
| für den sozialen Wohnungsbau.] | |
| Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, mahnt zudem an, | |
| dass es ein „effektives Mietrecht“ brauche. Es sei nötig, „die Mieten f�… | |
| einige Jahre einzufrieren“. | |
| Die Studie offenbare „das Versagen der Wohnungspolitik der | |
| Bundesregierung“, kommentiert Linken-Politikerin Caren Lay gegenüber der | |
| taz. Sie unterstütze die Forderung eines Sondervermögens für den sozialen | |
| Wohnungsbau. Daneben brauche es dringend eine neue Wohngemeinnützigkeit. | |
| Nur diese könne „den Teufelskreis durchbrechen, dass geförderte | |
| Sozialwohnungen wieder aus der Bindung fallen“, kritisiert Lay. | |
| Auch aus den Regierungsparteien kommen selbstkritische Töne. Die Studie | |
| frage zu Recht, ob „an der richtigen Stelle“ investiert werde, sagt | |
| Grünen-Politikerin Hanna Steinmüller der taz. „Statt jedes Jahr steigende | |
| Mieten mit Milliarden Euro zu subventionieren in Form von Wohngeld und | |
| Kosten der Unterkunft“ müssten mehr neue bezahlbare Wohnungen durch | |
| sozialen Wohnungsbau und die neue Wohngemeinnützigkeit geschaffen werden. | |
| Anders sieht es hingegen die [2][Bundesbauministerin Klara Geywitz] (SPD). | |
| „Ich persönlich halte die Studie für hochgradig unseriös und zweifle die | |
| Analysen an – denn diese sind teilweise völlig absurd“, erklärt sie am | |
| Dienstag. Dennoch sei richtig, „dass wir in Deutschland viel zu wenig | |
| Sozialwohnungen haben – eine Folge von zwei Jahrzehnten fehlender Gelder | |
| für den sozialen Wohnungsbau.“ | |
| Geywitz warnt zudem vor einem Sondervermögen für den sozialen Wohnungsbau. | |
| „Der Bau von Sozialwohnungen ist eine Kernaufgabe des Staates und gehört | |
| auch in den ordentlichen Haushalt“, so die Bauministerin. Die | |
| Bundesregierung hatte 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr versprochen, | |
| aber [3][2022 wurden nur 22.545 neue Sozialwohnungen] fertiggestellt. | |
| 16 Jan 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Fehlender-Wohnraum-in-Deutschland/!5905219 | |
| [2] /Bundesbauministerin-Klara-Geywitz/!5939857 | |
| [3] /Sozialwohnungen-in-Deutschland/!5947897 | |
| ## AUTOREN | |
| Jasmin Kalarickal | |
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