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# taz.de -- Neue Studie zum Wohnungsmarkt: Auf der Suche nach Sozialwohnungen
> Berlin benötigt dringend bezahlbaren Wohnraum. Statt dafür zu sorgen,
> subventioniere der Senat lieber die Privatwirtschaft, kritisiert eine
> Studie.
Bild: Der Wohnungsbau klappt bei weitem nicht so schnell wie erhofft. Spürbar …
Berlin taz | Deutschland steckt in der größten Wohnungskrise seit 30
Jahren. So lautet das Fazit der aktuellen Wohnungsmarktstudie „Bauen und
Wohnen 2024“ des Pestel-Instituts, die das Verbändebündnis Soziales Wohnen
am Dienstag vorgestellt hat. Organisiert sind darin Mieterbund,
Bau-Gewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbände.
Zurückzuführen sei die dramatische Lage am Wohnungsmarkt vor allem auf die
jahrelange Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus und eine ineffektive
Wohnungspolitik der Bundesregierung. Der Staat, so der Vorwurf,
subventioniere steigende Mieten über Wohngeld und die Kostenübernahme für
Unterkünfte, statt neue bezahlbare Wohnungen im sozialen Wohnungsbau zu
schaffen.
Vor allem in Berlin sei die Unterversorgung mit Sozialwohnungen
„dramatisch“, sagt Niklas Schenker, Sprecher für Mieten und Wohnen der
Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. In der Hauptstadt gab es 2022 knapp
105.000 Sozialwohnungen, notwendig wären laut der Pestel-Studie rund
236.000 gewesen. Knapp 800.000 Berliner*innen hätten Anspruch auf eine
Sozialwohnung, sagt Schenker. Berechtigt sind Empfänger*innen von
Transferleistungen und Haushalte mit niedrigen Einkommen.
Der Kreis der Anspruchsberechtigten wurde allerdings im vergangenen Sommer
durch den Senat ordentlich ausgeweitet und umfasst nun auch die (etwas)
besser Verdienenden. Das Angebot jedoch nicht. „Berlin kommt nicht
annähernd hinterher, genügend sozialen Wohnraum zu schaffen“, sagt
[1][Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins]. Ganz im
Gegenteil: Bis 2025 laufen drei alte Neubauförderungsprogramme in Berlin
aus. Die Förderungen sind nämlich immer nur temporär. Nach 30 Jahren endet
die Bindungsfrist. „Jedes Jahr fallen rund 3.000 bis 4.000 Sozialwohnungen
aus der Bindung“, sagt Schenker. Etwa genauso viele entstehen durch Neubau.
„Man baut eigentlich nur, um den wegfallenden sozialen Wohnungsbau zu
kompensieren“, sagt er.
## Kritik an der Fördersystematik
Die Fördersystematik müsse überdacht werden. [2][Die Investitionspolitik
des schwarz-roten Senats] sei nicht nachhaltig. Es werde immer mehr Geld
investiert und immer weniger Sozialwohnungen werden gebaut. 2022 wurden 750
Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau investiert, im Jahr 2023 wurden
die Mittel auf 1,5 Milliarden aufgestockt.
[3][Sozialen Wohnungsbau] so teuer zu fördern, sei eine „soziale
Zwischennutzung“ und das Geld lande in der Tasche privater
Investor*innen und Konzerne, so Schenker. Deshalb müsse man den
landeseigenen Wohnungsunternehmen Eigenkapital zur Verfügung stellen, damit
diese dauerhaft gebundene Wohnungen bauen könnten. Dann würde auch das Geld
in öffentlicher Hand bleiben. „Das wäre für Berlin ein Ende des ewigen
Dilemmas und Desasters“, sagt Ulrike Hamann vom Mieterverein.
Dauerhafte Sozialbindungen fordert auch das Verbändebündnis Soziales
Wohnen. Der soziale Wohnungsbau müsse „intelligenter“ subventioniert
werden, fordert Pestel-Institutsleiter Günther. Bislang drehe der Staat,
„wenn auch unabsichtlich“, durch finanzielles Missmanagement die
Mietpreisspirale weiter nach oben.
Weil Sozialwohnungen fehlten, sei der Staat zu immer höheren Ausgaben in
Milliardenhöhe gezwungen – für das Wohngeld und für die Kosten der
Unterkunft, um bedürftigen Haushalten die notwendige Unterstützung zu
geben.
## Ruf nach „Trendwende“
Die Mieten, die der Staat dabei bezahle, lägen allerdings in vielen
Regionen deutlich über den ortsüblichen Vergleichsmieten. Das gilt vor
allem dort, wo die Mietwohnungsmärkte eng sind, etwa in Berlin. „Es findet
eine Überzahlung statt, weil der Staat erpressbar ist und Mieten in Kauf
nehmen muss, die man sonst nicht zahlen müsste“, sagt Günther.
Auf die Zukunft schaut das Bündnis nicht besonders zuversichtlich: Die
zugewanderten Menschen der vergangenen und der kommenden Jahre drängten auf
die Mietwohnungsmärkte, es gebe einen Einbruch der Wohneigentumsbildung im
Neubau und im Jahr 2023 dürften das Wohnungsdefizit bundesweit um weitere
100.000 Wohnungen auf über 800.000 Wohnungen angestiegen sein.
Deshalb brauche es eine „Trendwende“ im sozialen Wohnungsbau. Es brauche
Mietpreisbindungen und ein „effektives Mietrecht“, mit dem man die Mieten
für einige Jahre einfrieren könne. Zudem müsse der soziale Wohnungsbau
„nicht mit der Gießkanne“, sondern durch ein Sonderbudget treffsicher
subventioniert werden. Die vier Milliarden Euro, mit denen der Bund den
sozialen Wohnungsbau bislang fördert, reichten nicht. Die Verbände fordern
daher ein Sondervermögen von fünfzig Milliarden Euro.
16 Jan 2024
## LINKS
[1] /Mieterbund-ueber-sozialen-Wohnungsbau/!5904576
[2] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/koalitionsvertrag/
[3] https://www.berlin.de/sen/wohnen/rechtliches/sozialer-wohnungsbau/
## AUTOREN
Lilly Schröder
## TAGS
Sozialer Wohnungsbau
Mieterverein
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Wohnungspolitik
Sozialer Wohnungsbau
Neubau
Wohnungsbau
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