# taz.de -- Streamingdienst-Übersättigung: Die Party geht zu Ende | |
> Hat der Streamingboom bei Filmen und Serien mittlerweile seinen Höhepunkt | |
> überschritten? Ein Zwischenstand. | |
Bild: Die bisher teuerste Netflix-Produktion: „The Gray Man“ mit Ryan Gosli… | |
Wie Produzent*innen und Streamingportale zusammenarbeiten, das war | |
Thema der Paneldiskussion „How to Produce Drama Series for Streaming | |
Platforms (Fast)“ in Köln. „Ich hoffe, dass die Goldgräberstimmung, die | |
durch die Streamer nach Deutschland kam, noch nicht vorbei ist“, wünschte | |
sich direkt zu Anfang des Gesprächs Philipp Kässbohrer. | |
Die Hoffnung des Produzenten, der bereits zwei Serien für Netflix | |
produziert hat, dürfte sich erfüllen, denn in der Domstadt machten | |
Vertreterinnen von Netflix und Amazon während der Diskussion, die im | |
Rahmen des „Alumni Summits“ des Mediengründerzentrums NRW stattfand, klar, | |
dass sie auch weiterhin intensiv auf der Suche nach gut gemachten Inhalten | |
sind. Von daher sah auch Mediengründerzentrum-Geschäftsführer Rainer | |
Weiland trotz der aktuellen Debatten über die Grenzen des Wachstums bei | |
den Streaming-Plattformen „keinen Grund zur Panik“. | |
## Fehlende Refinanzierung durch Content | |
Was für die Produzent*innen Hochkonjunktur bedeutet, verwandelt sich | |
allerdings für die Portalbetreiber*innen immer mehr zu einer | |
Bedrohung. Denn noch kein Player kann sich durch sein Portfolio | |
refinanzieren. Es sind beispielsweise Gebührengelder, Einnahmen [1][aus dem | |
klassischen Werbegeschäft] sowie Börsengänge, Kredite oder wie bei Amazon | |
Umsätze, die durch den Onlinehandel erwirtschaftet werden, mit denen das | |
Content-Business quersubventioniert wird. Parallel dazu wird der Kuchen für | |
die Videoportale immer kleiner, weil [2][immer mehr | |
Wettbewerber*innen] auf dem umkämpften Markt auftauchen. | |
In Deutschland sind es inzwischen über 15, dieses Jahr soll beispielsweise | |
unter anderem Paramount+ dazukommen. Und sie alle müssen kräftig weiter | |
investieren. Denn nur, wer ständig neue hochwertige Filme oder Serien | |
bringt, kann die Kundschaft halten. Netflix etwa wird demnächst seinen | |
bisher teuersten Film veröffentlichen: Die Auftragskiller-Geschichte „The | |
Gray Man“ mit Ryan Gosling und Chris Evans hat 200 Millionen Dollar | |
gekostet. Solche Ausgaben hinterlassen Spuren. Zum letzten abgelaufenen | |
Geschäftsjahr belief sich der Schuldenstand von Netflix auf 13,7 Milliarden | |
Dollar. Nicht nur Ufa-Geschäftsführer Nico Hofmann beschreibt die aktuelle | |
Situation als Verdrängungswettbewerb: „Wie viel Investment können die | |
Streamer verkraften, um die kostspieligen Produktionen zu finanzieren?“ | |
## Gefahr durch Abo-Kündigungen | |
Auch der ungebremste Anstieg der Abonnements dürfte in der | |
Nach-Corona-Zeit, die von wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägt ist, | |
[3][vorbei sein]. Eine US-Dependance des | |
Wirtschaftsberatungsunternehmens Deloitte hatte bereits im letzten | |
Dezember eine Prognose für 2022 veröffentlicht: Weltweit werden mehr als | |
150 Millionen Menschen ihr kostenpflichtiges Abo kündigen – mit einer | |
globalen Abwanderungsrate von 30 Prozent. | |
„In Deutschland belief sich 2021 die Abwanderungsrate auf 11 Prozent“, gibt | |
Klaus Böhm von Deloitte die Daten für unseren Markt im letzten Jahr wieder. | |
„Diese Bewegungen werden weiter zunehmen“, ist er sich sicher. Einen ersten | |
deutlichen Beleg dafür gibt Kantar: Das Marktforschungsunternehmen mit | |
Hauptsitz in London hat herausgefunden, dass im ersten Quartal 2022 die | |
Abwanderungsrate hierzulande auf 18 Prozent gestiegen ist. In den USA etwa | |
waren es im selben Zeitraum nur 11 Prozent. Selbst bei Anbietern wie Amazon | |
Prime Video war die Zahl der Neuzugänge genauso hoch wie die der | |
Kündigungen. | |
## Große Konkurrenz durch US-Angebote | |
Kantar prognostiziert zudem eine weitere Verbreitung von werbefinanzierten | |
Diensten, damit überhaupt noch Wachstum beziehungsweise eine Stabilisierung | |
der Abo-Zahlen erzielt werden kann. In den USA hätten werbefinanzierte | |
Dienste seit 2020 das rasche Wachstum des Marktes dort vorangetrieben und | |
maßgeblich dazu beigetragen, dass die Zahl der durchschnittlichen | |
Abonnements gestiegen ist. | |
Eine übersichtliche Präsentation des Programmangebots in der Start-Maske | |
sowie eine regelmäßige Anreicherung mit weiteren Programmhighlights sei | |
unabdingbar, um das erreichte Niveau zu halten. „Da die Zahl der Akteure | |
auf den europäischen Märkten aufgrund der Ausweitung des Angebots aus den | |
USA zunimmt, wird die relative Bedeutung jedes Abos in einem Haushalt immer | |
wichtiger“, so eine Sprecherin von Kantar. In Zeiten finanzieller | |
Unsicherheit müssten Dienste „in den Köpfen der Abonnenten“ unverzichtbar | |
sein. | |
17 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Urbe | |
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