# taz.de -- Private gegen ARD und ZDF: Kampf der Produktionsstudios | |
> Private Studio-Betreiber klagen über unfairen Wettbewerb durch | |
> Tochterunternehmen von ARD und ZDF. Der Preiskampf könnte sich noch | |
> verstärken. | |
Bild: Die MMC-Studios in Köln-Ossendorf | |
Der Ärger in Köln ist zurzeit groß: Die privaten Film- und | |
TV-Studio-Betreiber, darunter die MMC sowie die EMG-Studios Hürth, klagen | |
über unfairen Wettbewerb von Tochterunternehmen von [1][ARD und ZDF]. Ob | |
die Show „Ich bin ein Star – holt mich hier raus! Das Nachspiel“ oder | |
„Promi Big Brother“ – immer mehr Formate des Privatfernsehens, die die | |
unabhängigen Unternehmen bereits seit Jahren realisieren, gehen an die | |
öffentlich-rechtliche Konkurrenz verloren. | |
Freier Wettbewerb, könnte man sagen, aber genau das wird von MMC oder EMG | |
bezweifelt. „Wir wissen ja, wie man ‚Promi Big Brother‘ gut und | |
kostengünstig umsetzen kann, haben den Zuschlag letztes Jahr aber nicht | |
bekommen“, beklagt sich MMC-Geschäftsführer Dirk Schweitzer. Das Angebot | |
sei zu hoch gewesen, habe das Produktionsunternehmen Endemol Shine | |
mitgeteilt. Stattdessen konnten die Bavaria Studios punkten. | |
Das Unternehmen, das letztlich öffentlich-rechtlichen Sendern gehört, | |
mietete letzten Sommer auf dem WDR-Gelände in Köln-Bocklemünd nicht mehr | |
genutzte Hallen, um auch im bevölkerungsreichsten Bundesland | |
Studiokapazitäten anzubieten. | |
„Das Angebot der Bavaria muss ja deutlich kostengünstiger gewesen sein“, | |
folgert Schweitzer, „obwohl wir bei uns seit Jahren bestehende Strukturen | |
haben, die die Bavaria in Köln erst aufbauen musste – inklusive Erdarbeiten | |
und Infrastruktur.“ Viele in der Branche fragen sich, ob es eine verdeckte | |
öffentlich-rechtliche Quersubventionierung gibt, damit das | |
Tochterunternehmen Angebote der Privatwirtschaft unterbieten kann. | |
## Der Kuchen ist zu klein | |
„Dass es Zweifel gibt, kann ich verstehen. Es darf in jedem Fall kein | |
selbstzerstörerischer Preiskampf entstehen, denn das würde die gesamte | |
Branche schädigen“, mahnt Stefan Hoff. Der Geschäftsführer der seeyouhere | |
communication GmbH gilt als Experte für diesen Bereich. | |
Schon die Konstruktion der Bavaria Studios ist, vorsichtig formuliert, | |
leicht unübersichtlich. Sie ist ein öffentlich-rechtliches | |
Tochterunternehmen von öffentlich-rechtlichen Tochterunternehmen, darunter | |
WDR Mediagroup, MDR Media sowie SWR Media Services. | |
„Es gibt keine Einsicht über die Investitionen, die da nötig waren, aber | |
sie müssen erheblich gewesen sein“, vermutet zum „Big Brother“-Wechsel | |
EMG-Chef René Steinbusch, eigentlich ein Wettbewerber der MMC. Nicht nur er | |
geht davon aus, dass bei den Öffentlich-Rechtlichen Angaben, etwa zu | |
Mietpreisen, „nicht transparent ausgewiesen und damit nicht zuordenbar | |
sind“. Man könnte auch von Verschleierung sprechen. Auf taz-Anfrage haben | |
sich weder Bavaria noch WDR geäußert. Ein Sprecher der Bavaria antwortete | |
lediglich: „Vorwürfe von Wettbewerbern im Zusammenhang mit dem | |
Studiobetrieb in Bocklemünd sind uns nicht bekannt.“ | |
## Die Überkapazität kommt wieder voll zum Tragen | |
Dabei waren die letzten Jahre für Studiobetreiber ausnahmsweise gute Jahre: | |
Das mag an Corona gelegen haben, da in Studios sicherer und kontrollierter | |
gedreht werden konnte, und an der Expansion von US-Streamingdiensten, die | |
auch lokal produzieren ließen. Doch die gute Auftragslage ist angesichts | |
schwächelnder Werbewirtschaft und stagnierender [2][Abonnentenzahlen bei | |
Netflix und Co vorbei]. Und dadurch kommt die historisch bedingte | |
Überkapazität im Studiobereich wieder voll zum Tragen. | |
Denn fast alle großen Film- und TV-Studio-Komplexe in Deutschland können | |
kaum rentabel arbeiten. Im Wettbewerb der Medienstandorte NRW, Bayern, | |
Berlin sowie Hamburg, geschürt durch die politischen Verantwortlichen, sind | |
mit öffentlichen Mitteln zu viele Produktionsstätten entstanden. | |
Das betrifft auch die in den 90er Jahren errichteten MMC Studios in | |
Köln-Ossendorf, die die Domstadt zu einer Medienmetropole machen sollten: | |
Finanziert von einem Immobilienfonds für Deutschlands Superreiche und | |
unterstützt von der Sparkasse KölnBonn, die sogar zum Besitzer wurde, was | |
dann durch die EU unterbunden wurde. Jetzt gehört die MMC, wo unter anderem | |
internationale Kinoproduktionen wie „Die fabelhafte Welt der Amelie“ | |
entstanden, einem Finanzinvestor. | |
Im Boomjahr 2022 jedenfalls lag der Gesamtumsatz bei den Studios in der | |
Bundesrepublik schätzungsweise bei um die 200 Millionen Euro. Schon im | |
letzten Jahr dürfte sich das deutlich reduziert haben. Und für dieses Jahr | |
wird der Einbruch wohl noch stärker sein, was den Preiskrieg so oder so bei | |
allen Akteuren weiter verstärkt. Der Kuchen ist in der Regel etwa 150 | |
Millionen Euro groß, zu klein für sämtliche Akteure und vor allem zu einem | |
großen Teil durch die Gesellschaft finanziert: Denn die deutsche Film- und | |
TV-Branche wäre ohne Rundfunkgebühren und staatliche Förderungen kaum | |
lebensfähig. | |
4 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Zukunftsrat-ueber-Oeffentlich-Rechtliche/!5984409 | |
[2] /Streamingdienst-Uebersaettigung/!5858202 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Urbe | |
## TAGS | |
Netflix | |
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk | |
Privatfernsehen | |
Filmindustrie | |
Netflix | |
Netflix | |
Netflix | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Netflix ändert seine Strategie: Weniger Masse, dafür Klasse | |
Netflix bringt weniger Eigenformate heraus. Eine Tendenz, die auch bei | |
anderen Plattformen zu beobachten ist. Was passiert da in der Branche? | |
Streamingdienst-Übersättigung: Die Party geht zu Ende | |
Hat der Streamingboom bei Filmen und Serien mittlerweile seinen Höhepunkt | |
überschritten? Ein Zwischenstand. | |
Netflix und seine deutsche Konkurrenz: Fremde oder Freunde? | |
Seit Netflix auch in Deutschland sendet, stehen deutsche Programmanbieter | |
unter Druck. Mal kooperieren sie, mal reagieren sie gereizt. |