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# taz.de -- Streamdingdienst Netflix in der Krise: Und nun zur Werbung
> Netflix hat erstmals Kund:innen verloren. Auch an der Börse musste der
> Streamingdienst Federn lassen. Jetzt will er gegensteuern – mit drei
> Maßnahmen.
Bild: Wer schaut künftig noch zu? Kind mit Klamotten aus der Netflix-Serie „…
Berlin taz | Es herrscht Alarmstimmung im kalifornischen Los Gatos. Reed
Hastings, Geschäftsführer von Netflix, gab [1][im letzten Geschäftsbericht
an die Aktionär:innen Mitte April] zu, dass die neuesten Zahlen
enttäuschend seien. Der Streamingdienst verlor einen Teil seiner
wichtigsten Währung: Abonnent:innen. Aktuell [2][haben zwar noch rund 222
Millionen Menschen ein Abo], was es zur größten Streamingplattform macht.
Doch zuletzt hat das Unternehmen 200.000 Kund:innen verloren. Weitere
zwei Millionen sollen in den folgenden Monaten abwandern. Wegen der
schlechten Wachstumsprognosen entlässt Netflix nun sogar rund 150
Mitarbeiter:innen.
Bei einem expansionsgetriebenen Unternehmen, das permanent wachsen muss,
sind die Folgen an der Börse verheerend. Ende Oktober 2021 war die Aktie
noch knapp 700 Euro Wert, [3][Mitte Mai 2022 liegt sie bei nur noch 188
Euro]. Die Zeiten, in denen Netflix ständig wächst, Milliarden in eigene
Inhalte steckt und dabei seinen Abonnent:innen niedrige Preise
garantieren kann, sind vorbei.
Die Gründe für die Abwanderung von Abonnent:innen sind vielfältig, sagt
der Geschäftsbericht. Menschen, die sich während der Pandemie angemeldet
und ihr Abo mittlerweile wieder gekündigt haben, würden „das Gesamtbild
verzerren“. Das schleppende Wirtschaftswachstum und der Krieg in der
Ukraine seien Gründe für den Rückgang. Anfang März verlor Netflix über
Nacht mehr als 700.000 Kund:innen, als sich das Unternehmen aus Russland
zurückzog.
Auch der wachsende Konkurrenzkampf mit anderen Diensten wie Disney+ spiele
eine Rolle. Doch die Abonnent:innenzahlen stagnierten bereits vor der
Pandemie. Im Sommer 2019 sanken diese in den USA erstmals, der heimische
Markt [4][war bereits damals gesättigt]. Nur in Asien kamen zuletzt noch
neue Nutzer:innen hinzu. Für Netflix reicht das nicht, um profitabel zu
bleiben.
## Sharing ist nicht mehr caring
Um das dringend benötigte Wachstum wieder anzukurbeln, [5][will Netflix bis
Jahresende Werbung schalten]. Damit geht es einen Schritt zurück in
Richtung des klassischen Kabelfernsehens und entzieht den User:innen
einen Teil des Erfolgsgeheimnisses von Streamingdiensten: die Kontrolle
über das Seherlebnis. Um Kund:innen nicht zu verprellen, sollen die
teureren Abomodelle, die bereits mehrere angemeldete Geräte und die beste
Bildqualität ermöglichen, werbefrei bleiben.
Erst bei den günstigen Modellen soll Werbung geschaltet werden. Das soll
für jene Nutzer:innen interessant sein, denen das bislang günstigste Abo
in Höhe von 7,99 Euro pro Monat zu teuer ist und die sich eher berieseln
lassen wollen. Mit einem durch Werbung finanziertes, noch günstigeres
Modell könnten sie auf der Plattform gehalten werden oder neue Kund:innen
hinzukommen.
Das sogenannte [6][Account-Sharing soll künftig ebenfalls Geld und Abos
einbringen]. Der Begriff meint User:innen, die Netflix nutzen, ohne für ein
Abo zu bezahlen. Anstatt diese auszusperren und damit an die Konkurrenz zu
verlieren, wagt man ein Experiment. [7][Seit März können Menschen in Costa
Rica] bei einem Konto für umgerechnet etwa zwei Euro zwei Unterkonten
hinzufügen. Allein durch die von Netflix geschätzten 100 Millionen
User:innen ohne Abo wären das viele neue Abonnent:innen auf dem
Papier.
Netflix ist indes einer der letzten Streamingdienste, der Werbung schaltet.
Hulu zeigt etwa seit 2015 Werbeblocks, [8][die bis zu 90 Sekunden] lang
sind. [9][Auch Disney+ wird dieses Jahr folgen], Amazon setzt mit Freevee
auf einen rein werbefinanzierten Streamingdienst.
Brancheninsider:innen vermuten, dass die Werbung auf Netflix aus
einzelnen Clips bestehen werde. [10][Durch Algorithmen und gesammelte
Nutzer:innendaten] könnte Netflix Produkte genau platzieren und von
Werbekund:innen hohe Summen verlangen.
Neben dem klassischen Serien- und Filmstreaming [11][will Netflix auch
Games anbieten]. Seit November 2021 gibt es mehrere Spiele, die im Abopreis
in der App enthalten sind. [12][Bislang hat Netflix drei Studios gekauft],
die sich auf Mobile Games für Smartphones und Tablets spezialisiert
haben. Theoretisch haben Games riesiges Potenzial für Netflix: Geschichten
in verschiedenen Serien könnten dort weitergesponnen werden. Zusammen
[13][mit dem im Juni 2021 eröffneten Merchandise-Store] könnte Netflix mehr
Umsatz generieren und seine Marken im Game-Bereich platzieren. 50 Spiele
sollen bis Jahresende im Katalog vorhanden sein.
Bislang sind das aber größtenteils nur belanglose Geschicklichkeitsspiele,
die an klassische Mobile Games wie „Candy Crush“ erinnern. Kurioserweise
finanzieren sich diese Spiele durch Werbung und Käufe mit Echtgeld.
Womöglich schaltet Netflix ja auch bald in seinen Games Werbeanzeigen.
18 May 2022
## LINKS
[1] https://s22.q4cdn.com/959853165/files/doc_financials/2022/q1/FINAL-Q1-22-Sh…
[2] https://www.statista.com/statistics/250934/quarterly-number-of-netflix-stre…
[3] https://www.marketwatch.com/investing/stock/nflx
[4] /Netflix-gibt-Abozahlen-heraus/!5646386
[5] https://www.theverge.com/2022/5/10/23065126/netflix-login-sharing-rollout-a…
[6] /Reaktion-auf-sinkende-Kundenzahlen/!5849637
[7] https://about.netflix.com/en/news/paying-to-share-netflix-outside-your-hous…
[8] https://www.reddit.com/r/assholedesign/comments/eujzs8/hulu_sandwiching_90_…
[9] https://www.theverge.com/2022/5/17/23105023/disney-plus-ad-supported-tier-s…
[10] /Netflix-testet-lineares-Angebot/!5724034
[11] /Netflix-will-Videospiele-anbieten/!5791269
[12] https://about.netflix.com/en/news/game-developer-boss-fight-entertainment-…
[13] https://www.netflix.shop/products/first-encounter-geralt-by-tracy-tubera
## AUTOREN
Denis Gießler
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