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# taz.de -- Nutzer*innenschwund bei Netflix: Weniger Netflix and Chill
> Jahrelang war Netflix das Synonym für Streaming schlechthin. Inzwischen
> verliert der Anbieter Abonnements. Woran liegt das?
Bild: Immer mehr Publikumslieblinge sind inzwischen nicht mehr bei Netflix verf…
Als Mitte August die Meldung veröffentlicht wurde, dass Disney inzwischen
mehr Abonnent*innen zähle als Netflix, wird das die wenigsten überrascht
haben. Es ist zwar nicht die vollständige Story – unter dem Dach von Disney
sind neben dem Streaminganbieter Disney+ auch Hulu und der Sportsender
ESPN+ vereint –, es zeigt aber eine Tendenz, die sich schon seit Monaten,
wenn nicht Jahren abzeichnet: Den Wettbewerb der Streaminganbieter
entscheidet Netflix nicht zwangsläufig für sich. Durchaus verwunderlich,
wenn man bedenkt, dass die Plattform rund ein Jahrzehnt lang als synonym
mit dem Begriff Streaming galt.
Die aktuellen Zahlen sind dabei mit etwas Vorsicht zu genießen. Netflix ist
nach wie vor extrem erfolgreich: Im zweiten Quartal 2022 hatte der Anbieter
rund 220,7 Millionen zahlende Abonnent*innen weltweit, während es bei
Disney im Juli 221,1 Millionen (Disney+ alleine macht [1][152,1 Millionen
davon] aus) waren. Diese Statistik ist allerdings irreführend: Werden
mehrere der Disney-Streamingangebote genutzt (etwa Disney+ und Hulu,
Letzteres ist derzeit nur in den USA verfügbar), so zählen diese [2][als
separate Abos] und nicht als ein einziges.
Das heißt also, dass ein Haushalt, der drei Kanäle von Disney abonniert
hat, auch als drei Haushalte zählt. Von diesem Umstand aber abgesehen kann
man nicht leugnen, dass die Bedeutung von Netflix schwindet (Wer sagt heute
noch den Spruch „Netflix and Chill“, was vor nicht allzu langer Zeit noch
als Code für Sex galt?). Wieso [3][also verliert Netflix an Abos] und an
Einfluss? Die Gründe sind vielfältig.
In den vergangenen Jahren sind unter anderem mit Disney+ (November 2019),
Peacock (April 2020) und HBO Max (Mai 2020) viele neue Streaminganbieter
hinzugekommen, die in direkter Konkurrenz zu Netflix stehen. Während zu
Beginn der Pandemie alle, die zu Hause bleiben konnten, gefühlt kollektiv
Netflix geschaut haben, ist die Auswahl und somit die Qual der Wahl jetzt
größer. Damit einhergehen eine gewisse Überforderung der
Konsument*innen – wer hat schon Zeit, die ganzen Filme und Serien, die
Woche für Woche veröffentlicht werden, zu schauen – und gestiegene Kosten,
wenn man mehrere Anbieter abonniert und Netflix zudem auch noch seine
Preise erhöht, wie zuletzt geschehen in diesem Jahr. Und anders als einige
Streamingservices, darunter Amazon Prime Video oder Apple TV, deren
Kerngeschäft ein anderes ist, ist Netflix allein von seinen Abo-Zahlen
abhängig.
## Wichtig: der Back-Katalog
Es gibt im Streaming eine Faustregel: Neuabonnent*innen kommen wegen
des neuen Contents, bleiben aber wegen der Backlist, also dem Grundbestand
an bereits vorhandenen Titeln. Soll heißen, dass Serien wie zum Beispiel
die Netflix-Hits „Squid Game“, „Bridgerton“ oder „Stranger Things“ …
aktuellen vierten Staffel des Blockbusters betrug die Streamingzeit allein
in den ersten [4][17 Tagen 781,04 Millionen Stunden]) neue Abos generieren
können. Wobei sich hier immer stärker abzeichnet, dass es von Vorteil ist,
die Serie nicht auf einen Schlag zu veröffentlichen – denn wer
Bingewatching betreibt, kann sein Abo noch während der [5][Probezeit
wieder kündigen].
Dann aber braucht es vor allem einen guten Katalog, damit das Abo nicht
direkt wieder abbestellt wird. Und da hat Netflix, vor allem Netflix USA,
in den vergangenen Monaten sehr viele Federn gelassen. Mit dem Launch von
Disney+ hat Netflix sämtliche Disney- und Marvel-Filme und -Serien
verloren, darunter sogar Eigenproduktionen wie „Jessica Jones“, die nach
und nach zum Konkurrenten abwanderten. Der Klassiker „Friends“ – in
Deutschland noch verfügbar, in den USA aber nicht mehr – wird jetzt von HBO
Max angeboten, und auch andere Publikumslieblinge wie „New Girl“, „The
Office“ und „How I Met Your Mother“ sind inzwischen nicht mehr auf Netflix
verfügbar.
Was Netflix-Eigenproduktionen betrifft, gibt es schon seit Langem die
Kritik, die Plattform würde mehr auf Quantität denn Qualität setzen:
Eigenen Angaben zufolge hat Netflix allein im Jahr 2021 rund 17 Milliarden
US-Dollar nur für eigenen Content ausgegeben. Gleichzeitig hat Netflix seit
Jahren den schlechten Ruf, selbst populäre Serien nach nur zwei Staffeln
abzusetzen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: „Alte“ Serien locken keine
neuen Abonnent*innen an, während gleichzeitig die Produktionskosten mit
jeder weiteren Staffel steigen, etwa weil Schauspieler*innen höhere
Gagen verlangen können.
## Abo-Möglichkeit mit Werbeunterbrechungen
Weitere Gründe für den Image- und Abonnent*innen-Verlust von Netflix sind
negatives Marketing, weil mehrere Hundert Mitarbeitende entlassen wurden,
darunter viele [6][People of Color] und [7][queere Personen], die man erst
wenige Monate zuvor abgeworben hatte. Zudem ist die Kommunikationsstrategie
des Anbieters oft undurchsichtig. Netflix hat seine Abonnent*innen
zuletzt unter anderem mit der (noch nicht umgesetzten) Ankündigung, das
Teilen von Accounts zu unterbinden, verwirrt. Auch die Einstellung des
Angebots in Russland im März dieses Jahres hat zu einem Verlust von
weiteren 700.000 Abos geführt.
Netflix hat Lösungsansätze, um gegen diesen Negativtrend anzusteuern. Die
wichtigste Neuerung erwartet uns Anfang des nächsten Jahres: Um der Kritik
wegen der Preiserhöhungen zu begegnen, wird der Streaminganbieter bald
eine Abo-Möglichkeit mit Werbeunterbrechungen anbieten – diese wird dann,
ganz wie in den guten alten Zeiten des konventionellen Fernsehens, auch
während des Films eingeblendet. Die Kosten für Abos sollen sich dann
voraussichtlich auf 7 bis 9 US-Dollar belaufen. Ob das Netflix’ Zukunft
sichert, ist offen.
Also düstere Aussichten für Netflix? Nicht unbedingt, denn der leichte
Abwärtstrend der vergangenen Monate ist natürlich nicht in Stein gemeißelt.
Er bedeutet erst mal nur, dass die sogenannten „Streaming Wars“, das
Kopf-an-Kopf-Rennen der Streaminganbieter darum, der beliebteste zu sein,
noch lange nicht entschieden sind.
2 Sep 2022
## LINKS
[1] https://variety.com/2022/digital/news/disney-earnings-beat-disney-plus-subs…
[2] https://variety.com/2022/digital/news/disney-streaming-subscribers-netflix-…
[3] /Streamdingdienst-Netflix-in-der-Krise/!5852591
[4] https://deadline.com/2022/06/stranger-things-4-viewership-ratings-netflix-m…
[5] /Abkehr-vom-Binge-Watching-bei-Serien/!5847186
[6] https://www.essence.com/news/netflix-black-women-terminations/
[7] https://www.news18.com/news/buzz/woman-complains-about-bf-being-nice-to-ric…
## AUTOREN
Isabella Caldart
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