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# taz.de -- Barbara Salesch über ihr TV-Comeback: „Sie müssen unterhaltsam …
> Barbara Salesch wurde als TV-Richterin bekannt – und hat damit auch im
> echten Gerichtssaal ihre Wirkung entfaltet. Nun kehrt sie zurück.
Bild: Ikone des Privatfernsehens in den frühen 2000ern: Richterin Barbara Sale…
taz: Frau Salesch, in ihrem Buch „Ich liebe die Anfänge!“ aus dem Jahr 2014
schreiben Sie, wie Sie am letzten Drehtag Ihrer Show nach knapp 13 Jahren
feierlich Ihren Richtertresen zersägt und ein Stück mitgenommen haben. Das
war 2012. Was ist mit dem Stück passiert, steht das in Ihrer Galerie?
Barbara Salesch: Das wäre schön! Aber als ich gemerkt hab, dass ich’s
brauchen kann, war’s weg. Das war ja sowieso ein total ramponiertes Stück.
Ich habe seinerzeit mein Haus saniert, und die haben das als Unterlegstück
für die Kreissäge benutzt. Es war nur ein sehr kleines Stück.
Das ist ja eine tragische Geschichte.
Ach, das finde ich nicht. Da muss man sich auch nicht mit solchen alten
Sachen beschäftigen.
Nun beschäftigen Sie sich aber zweifellos wieder mit alten Sachen: Sie
haben nach Ihrer TV-Karriere fast zehn Jahre lang als Künstlerin
gearbeitet, was sie oft als „dritte Phase“ Ihres Lebens bezeichnet haben.
Ursprünglich wollten Sie sogar nie Juristin werden. Und doch kommt nun eine
Wiederauflage ihrer TV-Gerichtsshow. Warum gerade jetzt?
Es waren zehn schöne Jahre auf dem Land. Aber dann kam der Anruf,
eigentlich waren es sogar viele Anrufe, und dann habe ich mich damit
einfach auseinandergesetzt. Irgendwann fand ich es doch ganz interessant,
wieder neu anzufangen. Es hat sich so viel juristisch geändert, auch im
Tatsächlichen. Es gibt neue Möglichkeiten. Ich dachte: Ach, probiers doch
noch mal. Einerseits ist es das Altvertraute, es ist also nicht so schwer
für mich. Ich weiß, wie es geht. Aber es ist trotzdem etwas Neues.
Haben Sie Ihr juristisches Wissen für die neuen Folgen noch einmal
aufgefrischt?
Ja, ich habe meine Schularbeiten gemacht. Ich komme noch aus der
Generation, die mit Büchern lernt. Nachdem ich zugesagt habe, bin ich
sofort in die nächste Buchhandlung und habe mir ein paar Bücher bestellt.
Ich habe mir das angeschaut, etwa [1][Nachstellung, wie wir Juristen sagen
– „Stalking“ auf Neudeutsch] – da gibt’s eine ganze Menge Neues. Und …
die Verwertbarkeit von Beweismitteln – es hat sich einiges getan. Zum
Fortschritt der Justiz muss ich sagen: Man hat mehr Möglichkeiten als
früher.
Können Sie mir da ein konkretes Beispiel nennen?
Das ist ein bisschen schwierig zu erklären, aber: Man zeichnet heute doch
alles auf. Gefilmt wird auf Teufel komm raus, es wird gechattet, bis der
Arzt kommt, es wird bei Social Media alles reingestellt, was nicht bei drei
auf dem Baum ist, es gibt Handys mit Bewegungsprofil. Wenn es drauf
ankommt, kann ich diese Beweismittel – und das war das Interessante für
mich – benutzen. Ich habe es nicht rechtswidrig erlangt, sondern
irgendjemand hat irgendjemand aufgenommen. Aber wenn ich das Handy in den
Händen hab, dann kann ich das wunderbar auswerten.
Lassen Sie uns noch einen Blick auf die Vergangenheit werfen. Sie sind
Volljuristin, haben im Strafrecht gearbeitet. Wie muss ich mir das
vorstellen: Kam da in den 90er-Jahren einfach eine TV-Produktionsfirma auf
Sie zu und fragte: Frau Richterin Salesch, hätten Sie nicht Lust darauf,
Fälle in einer Fernsehsendung zu verhandeln? Das muss einem doch als
praktizierende Richterin relativ bizarr vorgekommen sein.
Wäre das so gewesen, wäre es mir in der Tat bizarr vorgekommen. Nein, es
war so: Meine Landgerichtspräsidentin hat mich angesprochen. Die meinte:
Frau Salesch, ich hätte da was, Sie könnte ich mir in der Rolle gut
vorstellen.
Sie wiederum war von einer Produktionsfirma gefragt, worden, ob sie in
ihrem Bereich eine Frau kenne, die möglicherweise im Fernsehen eine
Schiedsrichterin machen könnte. Frau deshalb, weil im ersten Jahr der Suche
geschlechtsneutral nach einem Mann gesucht worden war, bis man merkte, dass
die wenigen Frauen, die dabei abfielen, besser waren. Es ging um
Schiedsgerichtsverhandlungen mit echten Richtern und echten Fällen. Dann
bin ich nach Köln gefahren zu filmpool, die auch die neue Sendung
produziert – und habe verhandelt, wie das so meine Art ist. Und dann bin
ich’s geworden. Ehrlich gesagt habe ich mir die Gedanken dazu erst
hinterher gemacht.
Auch die anderen Mitwirkenden an der TV-Show waren ja größtenteils
praktizierend. Da muss es in den 90ern eine Zeit gegeben haben, wo
massenweise Kanzleien und Richterschaften angeschrieben wurden, um
TV-taugliche Juristinnen und Juristen zu rekrutieren.
Wie die das gemacht haben, weiß ich nicht. Seinerzeit lag das Format in der
Luft. Alle Produzenten haben versucht, Richterinnen oder Richter für ein
Schiedsgericht zu finden. Ich hatte davon aber nichts gehört. Und wer als
Erstes den oder die Richtige findet, gewinnt. Allein filmpool hatte 200
Leute gecastet und fand keinen. Und plötzlich komme ich daher und mache
meine Verhandlung wie immer, und dann hieß es nur noch: Genau die ist es!
So eine Rolle zu machen ist nicht so leicht. Sie müssen natürlich eine gute
Juristin sein und einigermaßen aussehen fürs Fernsehen. Sie müssen nicht
schön sein, aber sie müssen gut rüberkommen. Und, ganz wichtig: Sie müssen
spontan sein und einen Unterhaltungswert haben. Und das habe ich
zusätzlich.
Echte Schiedsgerichtsfälle gab es in Ihrer Sendung nur kurz, danach wurden
die Verhandlungen komplett fiktiv.
Wir haben es mit dem echten Schiedsgericht probiert, für ein Jahr. 18 bis
18.30 Uhr. Das war übrigens einmalig im Deutschen Fernsehen. Aber das hat
nicht so funktioniert. Alle Maschendrahtzäune zusammen hätten nicht
ausgereicht (eine bekannte Episode verhandelt einen Maschendrahtzaun,
[2][Stefan Raab hat daraus ein Lied gemacht; die R.]). Die Quoten genügten
nicht. Wir flogen vom Sendeplatz. Gisela Marx von filmpool wurde der
Nachmittag angeboten. Dazu mussten wir uns von den echten Fällen trennen
und auf geschriebene umstellen. Und auf was wohl? Strafrecht natürlich.
Darin bin ich natürlich Profi. Aber das war nicht meine Idee. Das war die
von Gisela Marx. Und das lief! Erst war das natürlich sensationell, und
dann, wie immer: Kopie, Kopie, Kopie …
Die geschriebenen Fälle kamen derartig gut beim Publikum an, dass sie sogar
auf die Realität zurückgewirkt haben sollen. Es gibt Juristen, die
berichten von Verhandlungen, in denen es hieß: „Bei Richterin Salesch
durften die das, also darf ich das ja wohl auch.“ Ist Ihnen da als
ehemalige Strafrichterin nicht manchmal mulmig geworden?
Nein. Sagen wir so: Jeder macht seine Verhandlungen, und wenn irgendwas
schiefläuft, dann kann ich auch zusehen, wie ich es noch mal geradegerückt
bekomme. Meine Verhandlungen wurden genauso oft im Jugendgericht verwendet,
als Mutmacher, wenn man Kinder als Zeugen hatte. So nach dem Motto: Das
kennst du doch aus dem Fernsehen, das ist nicht schwer, die stellt Fragen
und dann geht’s los. Man hat das immer so benutzt, wie man es gerade
brauchte.
Was glauben Sie denn, was die Zuschauer so daran fasziniert, fiktive Fälle
anzuschauen?
Es gibt nur fiktive Fälle, es ist Fernsehen. Und Fernsehen bedeutet zudem:
50 Prozent Strafrecht. Wir haben Rechtsmediziner, wir haben Anwälte, wir
haben Gerichte, Anwaltsserien – Kriminalgeschichten hoch und runter. Das
ist das, was die Leute interessiert. Das Gute an der Gerichtsshow ist, dass
es was anderes ist. Beim Krimi ist es ja so: schießen, schießen, schießen
und am Schluss hat man den Täter. Da fange ich ja gerade erst an. Ich
frage: War’s der wirklich? Unsere Geschichten werden rückwärts wieder
aufgerollt. Das ist das entscheidende: Wie sehen Richter das, wie sieht es
ein Staatsanwalt, wie arbeitet ein Verteidiger? Wie bewerten die das. Und
zwar als Profis. Echte Profis. Das ist interessanter.
5 Sep 2022
## LINKS
[1] /Stalking/!t5291127
[2] https://youtu.be/yxwXozLR2IA?t=105
## AUTOREN
Konstantin Nowotny
## TAGS
Gericht
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