| # taz.de -- Abkehr vom Binge-Watching bei Serien: Ein Häppchen die Woche | |
| > Alle Serienfolgen am Stück: Mit dem Streaming kam das Bingen. Nun kehren | |
| > Anbieter zurück zum wöchentlichen Erscheinungsrhythmus. | |
| Bild: Woche für Woche positiv durch die Pandemie: Jason Sudeikis in der zweite… | |
| Im Jahr 2013 hat Netflix alle Folgen der ersten Staffel von „House of | |
| Cards“ auf einen Schlag veröffentlicht. Seitdem haben sich Streamende an | |
| eine neue Form des Serienschauens gewöhnt: Ans sogenannte Binge-Watching. | |
| Fast zehn Jahre lang hielt das Konzept, mehrere Episoden einer Serie direkt | |
| hintereinander schauen zu können. | |
| Seit etwa zwei Jahren kehren Streaming-Anbieter zurück in Richtung des | |
| bewährten Modells vom linearen Fernsehen: Immer mehr Sendungen werden peu à | |
| peu veröffentlicht. Vor allem, wenn es um prestigeträchtige Serien geht wie | |
| Amazon Primes „Die Ringe der Macht“. Der Streaming-Anbieter [1][Disney+ | |
| veröffentlicht standardmäßig nur eine Folge pro Woche]. Für die Plattformen | |
| hat das Vorteile. | |
| Das Publikum führt so potenziell über Monate hinweg Gespräche über die | |
| Serie, tauscht sich wöchentlich über das Geschehen in den einzelnen Folgen | |
| auf Social Media aus. Das ist vor allem für die Serien gewinnbringend, die | |
| mit geringerem Marketingbudget, aber dafür dank Mundpropaganda langsam eine | |
| Fangemeinde aufbauen, [2][wie etwa „Ted Lasso“ (Apple+)]. | |
| Die Feelgood-Serie über einen Football-Coach am College bewies gutes | |
| Timing: Mitten im ersten Jahr der Coronapandemie, im August 2020, wurde die | |
| erste Folge veröffentlicht. Obwohl die Serie inhaltlich wenig | |
| Gesprächsstoff liefert, vermittelte gerade die erste Staffel den | |
| Zuschauer*innen seitdem wöchentlich ein Gefühl von Hoffnung und Wärme – | |
| und [3][vergrößerte so beständig ihr Publikum]. Erst 50 Tage nach dem | |
| ersten Release erreichte „Ted Lasso“ seine beste Quote. | |
| ## Ein bisschen Zeit nehmen | |
| Die Anbieter profitieren zudem auch wirtschaftlich davon: Wer die gesamte | |
| Staffel einer Serie schauen will (und das pünktlich zur Veröffentlichung, | |
| nicht ein halbes, spoilerreiches Jahr später), kann nicht nach einem | |
| Probemonat wieder aussteigen, sondern muss das Abo mehrere Monate lang | |
| bezahlen. | |
| Für diejenigen, die hinter den Kulissen arbeiten, kann Binge-Watching | |
| frustrierend sein: „Man arbeitet ein Jahr lang an etwas und dann ist es für | |
| die Leute an einem Wochenende vorbei“, sagte Serienmacher Josh Schwartz | |
| („O.C., California“, „Gossip Girl“) vergangenes Jahr in einem Interview… | |
| Vanity Fair. | |
| Doch auch wenn alle Folgen einer Serie gleichzeitig veröffentlicht werden – | |
| man muss sie ja nicht an einem einzigen Wochenende sehen. Über die | |
| Verfilmung von Colson Whiteheads Pulitzerroman „Underground Railroad“ | |
| (Prime) [4][schreibt etwa die New York Times]: „Amazon veröffentlicht alle | |
| zehn Folgen auf einen Schlag, damit man sie bingen kann. Tun Sie das | |
| nicht.“ Unter anderem gibt auch [5][das Baltimore Magazine ] diesen Tipp. | |
| Regisseur Barry Jenkins und Protagonistin Cora hätten es verdient, dass man | |
| ein paar Tage Zeit zwischen den einzelnen Episoden lässt, um sie wirklich | |
| wertschätzen zu können. | |
| ## Gespräche und Bindung | |
| Für die Zuschauer*innen wiederum hat das wöchentliche Schauen von Folgen | |
| psychologische Effekte. Das Wissen, dass im ganzen Land oder gar auf der | |
| ganzen Welt Leute gleichzeitig dieselbe Folge sehen, verleiht einem das | |
| Gefühl einer geteilten Erfahrung. Außerdem erhalten die Menschen mit | |
| weniger Zeit die Chance, trotzdem mitzuhalten und sich an Diskussionen zu | |
| beteiligen. | |
| Nicht zuletzt bedeutet ein längerer Zeitraum, in dem man sich mit einer | |
| Serie beschäftigt, dass man eine stärkere parasoziale Beziehung zu den | |
| Protagonist*innen aufbauen kann. Das hilft dabei, sich besser an den | |
| Inhalt zu erinnern. Vielleicht auch deswegen werden Serien, die wöchentlich | |
| veröffentlicht werden, auch immer beliebter: Laut der Datenanalysewebsite | |
| Parrot Analytics waren 2021 weltweit 62 Prozent der 50 beliebtesten | |
| Sendungen Wochenreleases, eine Steigerung von ganzen 32 Prozent im | |
| Vergleich zum Vorjahr. | |
| Sollte das also bei allen Sendungen so gehandhabt werden? Nicht unbedingt. | |
| Seriengrößen wie „Stranger Things“, „Squid Game“ oder „Bridgerton�… | |
| es, viele Zuschauer*innen anzuziehen und länger im Gespräch zu bleiben. | |
| Wobei für die neueste Staffel von „Bridgerton“ Bälle und Pop-up-Shops | |
| organisiert wurden, um für mehr Aufmerksamkeit zu sorgen. | |
| Gerade kleinere Produktionen könnten aber vom wöchentlichen Erscheinen | |
| profitieren und dadurch nach und nach mehr Fans gewinnen. Möglich ist auch | |
| ein Zwischenmodell: Die Reality-TV-Sendung „Love Is Blind“ wird von Netflix | |
| in zwei Päckchen à fünf beziehungsweise vier Folgen und plus Hochzeitsfolge | |
| herausgegeben. So können mehrere Episoden gebingt werden und trotzdem haben | |
| die Zuschauer*innen Zeit, sich in den sozialen Medien darüber | |
| auszutauschen. | |
| 26 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://collider.com/disney-plus-episodes-released-weekly/ | |
| [2] https://decider.com/2021/03/10/ted-lasso-slow-burn-streaming-success/ | |
| [3] https://www.businessinsider.com/apple-tv-plus-ted-lasso-is-word-of-mouth-hi… | |
| [4] https://www.nytimes.com/2021/05/13/arts/television/underground-railroad-bar… | |
| [5] https://www.baltimoremagazine.com/section/artsentertainment/review-the-unde… | |
| ## AUTOREN | |
| Isabella Caldart | |
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