Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Reaktion auf sinkende Kundenzahlen: Tabubruch bei Netflix
> Erstmals seit zehn Jahren verliert Netflix Kund:innen. Nun will der
> Streamingdienst Zuzahlung bei geteilten Abos verlangen und Werbung
> einführen.
Bild: Verliert erstmals seit langer Zeit Kund:innen: das Portal Netflix
Berlin dpa | Netflix will angesichts sinkender Kund:innenzahlen härter
bei Nutzer:innen durchgreifen, die ihre Zugangsdaten teilen. Auch ein
Tabubruch zeichnet sich ab: Der Streaming-Marktführer arbeitet an einer
günstigeren Version mit Werbung. Anleger sind skeptisch: Die Aktie brach im
vorbörslichen Handel am Mittwoch zwischenzeitlich um rund ein Viertel ein.
Für Netflix war es das erste Quartal mit Kundenschwund seit mehr als zehn
Jahren. In den drei Monaten bis Ende März gingen unterm Strich rund 200.000
Bezahlabos verloren. Ein Grund dafür war zwar der Stopp des
Russland-Geschäfts [1][nach dem Einmarsch in die Ukraine], wodurch auf
einen Schlag 700.000 Kund:innen wegfielen. Doch auch mit dem Zuwachs von
500.000 Abonnent:innen wäre Netflix weit hinter der eigenen Prognose von
2,5 Millionen zurückgeblieben. Schlimmer noch: Fürs laufende Quartal
rechnet der Dienst mit dem Abgang von rund zwei Millionen Kunden. Dabei hat
Netflix neue Folgen von [2][Hit-Serien wie „Stranger Things“] und
hochkarätig besetzte Filme wie „The Gray Man“ mit Hollywood-Star Ryan
Gosling starke Produktionen am Start.
Insgesamt sank die weltweite Kundenzahl zum Quartalsende auf 221,6
Millionen. Wie kam es dazu? Das Management um Gründer und Co-Chef Reed
Hastings verwies unter anderem auf „Faktoren außerhalb unserer Kontrolle“
wie den langsameren Anstieg des Anteils von Smart-TVs mit
Internet-Anschluss, Russlands Krieg in der Ukraine und die Inflation.
Vor allem sind Netflix aber die Kund:innen ein Dorn im Auge, die ihre
Login-Daten mit anderen teilen. Der Dienst schätzt, dass mehr als 100
Millionen Haushalte so als Trittbrettfahrer unterwegs seien. Als das
Wachstum noch hoch war, habe man ein Auge zugedrückt, sagte Hastings. Doch
nun will Netflix nicht mehr tatenlos zusehen.
## Mehr Geld für geteilte Abos
„Wenn sie etwa eine Schwester haben, die in einer anderen Stadt lebt und
ihr Netflix-Abo mit ihr teilen wollen, ist das super. Wir versuchen nicht,
das zu unterbinden“, sagte Produktchef Greg Peters. „Aber wir werden sie
bitten, dafür etwas mehr zu bezahlen.“ Netflix kann zum Beispiel anhand der
IP-Adressen feststellen, von wo Nutzer auf den Dienst zugreifen. Bis das
System eingefahren sei und weltweit eingesetzt werde, könne es aber noch
ein Jahr dauern, sagte Peters.
Zu Beginn der Corona-Pandemie galt Netflix noch als einer der großen
Gewinner der Krise, allein im Jahr 2020 stieg die Kundenzahl um 37
Millionen. Doch jetzt heißt es, der Schub habe die Sicht vernebelt.
## Immer mehr Konkurrenz
Netflix konnte als Pionier zunächst nahezu ungehindert Land im
Videostreaming-Geschäft gewinnen. Doch inzwischen gibt es immer mehr
Konkurrenz – unter anderem von Disney, Amazon, Apple sowie Warners HBO Max.
Nannte Hastings vor ein paar Jahren noch mit einem Anflug von Arroganz das
Online-Spiel „Fortnite“ als schärfsten Konkurrenten, gibt er nun zu, dass
der Wettbewerb „einige sehr gute Filme und Serien herausgebracht“ habe.
Branchenbeobachter sehen auch ein Problem in der Netflix-Strategie, das
Programm mit einer Flut von Inhalten zu überschwemmen, wobei manchmal die
Qualität auf der Strecke bleibe. Ein Rivale wie Disney setzt dagegen auf
aufwendig produzierte wenige Serien rund um populäre Figuren aus den Welten
von „Star Wars“ und Marvel, die mit einer Folge pro Woche über einen
längeren Zeitraum die Kunden binden.
## Günstigeres Angebot mit Werbung
Um das Wachstum wieder in Gang zu bringen, ist Netflix sogar bereit, an
einem seiner größten Tabus rütteln und ein günstigeres Abo mit
zwischengeschalteten Werbe-Clips einführen. So etwas gab es bei Netflix
noch nie – Hastings hatte bislang wenig dafür übrig. Er sei zwar nach wie
vor ein Fan der Einfachheit von Abos – „aber ich bin noch mehr ein Fan
davon, den Verbrauchern eine Wahl zu bieten“, sagte er. Netflix sei nun
offen fürs Werbe-Modell. „Wir schauen uns das an und versuchen, das in ein
bis zwei Jahren auf die Reihe zu kriegen.“ Details wie die Personalisierung
der Werbung könne man dabei auch anderen überlassen.
Das letzte Mal, dass Netflix ein Quartal mit sinkenden Nutzerzahlen
verbuchte, war im Oktober 2011. Trotz des Rückgangs liegt Netflix weiter
deutlich vor der Konkurrenz. Zum Vergleich: Der große Rivale Disney+ hatte
Ende 2021 knapp 130 Millionen Kund:innen. Doch auch beim Gewinn musste
Netflix im abgelaufenen Quartal Abstriche machen. Der Überschuss sank
gegenüber dem Vorjahreswert um etwa sechs Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar
(1,5 Mrd Euro). Der Umsatz legte zwar um rund zehn Prozent auf 7,9
Milliarden Dollar zu, verfehlte die Erwartungen der Analysten aber dennoch
knapp. Die Netflix-Aktie war seit Beginn des Jahres bereits um über 40
Prozent gefallen. Der Quartalsbericht setzte auch den Kursen anderer
Streaming-Anbieter zu.
20 Apr 2022
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] /Serienkolumne-Die-Couchreporter/!5456941
## TAGS
Netflix
Streaming
Werbung
Netflix
Serien
Netflix
Schwerpunkt #metoo
Kino
Medienwandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streamingdienst-Übersättigung: Die Party geht zu Ende
Hat der Streamingboom bei Filmen und Serien mittlerweile seinen Höhepunkt
überschritten? Ein Zwischenstand.
Abkehr vom Binge-Watching bei Serien: Ein Häppchen die Woche
Alle Serienfolgen am Stück: Mit dem Streaming kam das Bingen. Nun kehren
Anbieter zurück zum wöchentlichen Erscheinungsrhythmus.
Lektionen der Woche: #tazdown und Obst im All
Netflix will nicht teilen, die taz hat jetzt eine Lücke und das Weltall ist
auch keine Lösung. Fünf Dinge, die wir diese Woche gelernt haben.
Netflix-Serie „Anatomie eines Skandals“: Irgendwas mit #MeToo
In der Netflix-Serie „Anatomie eines Skandals“ erschüttert ein
Vergewaltigungsvorwurf die britische Polit-Elite. Dennoch bloß triviale
Unterhaltung.
94. Oscar-Verleihung mit Ohrfeige: Die Crux des Heimglotzens
Bei der 94. Oscar-Verleihung ging es handgreiflich auf der Bühne zu. Preise
gingen vor allem an Filme von Streamingdiensten.
Reform der dänischen Medienförderung: Geldsegen für Redaktionen
Dänemarks Regierung will den Lokaljournalismus stärker subventionieren.
Außerdem sollen Streamingdienste wie Netflix eine Kulturabgabe zahlen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.