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# taz.de -- Arte-Doku zu Filmklassiker: Hund mit altem Namen
> Eine Doku zum Spielfilm „Der Garten der Finzi Contini“ beleuchtet die
> Biografie des Autors Bassani. Thema auch: der Spagat zwischen Realität
> und Fiktion.
Bild: 1962 erschien der Film „Der Garten der Finzi-Contini“ – und machte …
Oh, wie schön, dass es [1][Arte] gibt. Den einzigen
(öffentlich-rechtlichen) Sender hierzulande, der seinen Zuschauern zur
Primetime einen mehr als 50 Jahre alten Filmklassiker zeigt. Während ARD
und ZDF fortfahren, in den Monaten des sogenannten Sommerlochs
Krimi-Hausmarken zu wiederholen, die schon bei der Erstausstrahlung ein
oder zwei Jahre zuvor zweit- oder drittklassig waren – bei in dieser Zeit
nicht etwa reduzierter Rundfunkgebühr und trotz der Herausforderungen des
Streaming-Zeitalters.
Nein, „Der Garten der Finzi Contini“ (1970) ist, wie gesagt, ein veritabler
Filmklassiker, zertifiziert immerhin durch einen Goldenen Berlinale-Bären
und den Auslands-Oscar. Noch dazu handelt es sich um eine
Literaturverfilmung, des Romans, der [2][Giorgio Bassani] (1962)
weltberühmt gemacht hat: „Die Gärten der Finzi-Contini“. Warum bei der
Übertragung des italienischen Buchtitels („Il Giardino dei Finzi-Contini“)
ins Deutsche aus dem einen Garten gleich mehrere werden mussten, weiß der
Himmel. Es ist jedenfalls nur einer, wenn auch von beachtlichen Ausmaßen,
und der deutsche Titel der ebenfalls italienischen Verfilmung hat dann
jedenfalls die Möglichkeit genutzt, das richtigzustellen.
Überhaupt ist der Vergleich von Werken der Literatur und ihrer Verfilmung
regelmäßig eine spannende, mitunter nervenaufreibende Sache. Und Arte wäre
nicht Arte, würde der rührige Kultursender diesen Vergleich nicht auch noch
besorgen, gleich im Anschluss mit: „Auf der Suche nach den Gärten der
Finzi-Contini“. (Da hat er sich wieder eingeschlichen, der Plural, der
hartnäckige)
## Hier geht es nicht um Gartenbau
Und zu dem Vergleich zwischen Roman und Verfilmung kommt dann ja noch der
Vergleich zwischen Roman und Realität hinzu. Denn auch bevor so viel vom
autofiktionalen Erzählen die Rede war, wurde sie natürlich bereits
gestellt, die Frage nach dem autobiografischen Gehalt von Romanen.
Nehmen wir also diesen mit dem scheinbar harmlosen Titel, in dem es aber
keineswegs um Gartenbau geht. Sondern um eine großbürgerliche jüdische
Familie in Ferrara, die – nachdem das faschistische Italien die deutschen
Rassengesetze drei Jahre später, 1938, mehr oder weniger nachvollzogen hat
– darauf reagiert, indem sie den nunmehr und nicht nur aus dem örtlichen
Tennisclub ausgeschlossenen jungen jüdischen Spielern den im eigenen
paradiesischen Garten gelegenen Tennisplatz zur Verfügung stellt.
Der 1916 geborene und 2000 verstorbene Giorgio Bassani beschreibt die
Haltung der Familie in der Doku als „eine Art maliziöser Verachtung“. Wie
die männliche Hauptfigur seines Romans entstammt er einer jüdischen,
zunächst mit dem Faschismus sympathisierenden Familie in Ferrara und sah
sich damals gezwungen, seiner Tennisleidenschaft infolge der Rassengesetze
an einem anderen Ort als dem Club nachzugehen: im Garten einer Familie
namens Finzi-Magrini. Einer von deren Nachfahren erzählt nun in der Doku,
dass diese sich in Bassanis Roman zwar eindeutig wiedererkannt habe („Nicht
einmal den Namen des Hundes hat er geändert!“), mit ihrer dekadenten
Darstellung aber keineswegs einverstanden gewesen sei.
## Groll mit dem Regisseur
Keineswegs einverstanden war dann auch Bassani mit dem – preisgekrönten –
Ergebnis der Verfilmung seines Romans durch den Regisseur Vittorio De Sica.
Der hatte einst (1948) mit „Fahrraddiebe“ den Inbegriff des
neorealistischen Films geschaffen – vor dem vernichtenden Urteil Bassanis
schützte ihn das nicht: „Was konnte De Sica, ein Neapolitaner, schon über
die Juden von Ferrara wissen?“
Kann ein Autor, der sich gegenüber den Finzi-Magrini auf die Kunstfreiheit
beruft, es einem Regisseur vorhalten, wenn dieser in die Biografie des
Vaters der Hauptfigur eingreift? Nun, wenn die Hauptfigur ihrem Autor so
offensichtlich nachempfunden ist, dann kann er wohl nicht anders.
„Der Garten der Finzi Contini“ ist nicht der einzige italienische Film, der
um 1970 von Faschismus und Familie erzählt. Ein Jahr zuvor war Viscontis
„Die Verdammten“ erschienen. Der Durchbruch für Helmut Berger, der danach
der schönste Mann der Welt war. Dass De Sica ihn auch umgehend für „Der
Garten …“ besetzte, wenigstens an dieser Entscheidung hat Bassani nichts zu
mäkeln, in der Doku.
4 Jul 2022
## LINKS
[1] /Arte/!t5012635
[2] /Giorgio-Bassanis-Romane-neu-aufgelegt/!5191215
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Arte
Romanverfilmung
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Dokumentation
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italienisches Kino
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Comic
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