# taz.de -- Rap-Musical-Serie „Hype“: Bemüht um Authentizität | |
> In der Rap-Serie „Hype“ geht es um die Träume von jungen Menschen aus | |
> Köln-Porz. Erzählerische Schwächen gleicht sie durch musikalische Stärken | |
> aus. | |
Bild: Manche wollen hier bleiben, andere wollen weg | |
Das popkulturelle Repertoire für Geschichten aus sogenannten | |
Problemvierteln ist überschaubar: Es geht oft um Zukunftsträume junger | |
Menschen, denen gesellschaftliche Hürden gegenüberstehen; um die Frage, ob | |
man dann [1][als träumender junger Mensch] dann sauber bleibt, oder ob man | |
doch Gesetze bricht, weil man sie brechen muss; und um einige wenige, die | |
es trotz allem doch woandershin geschafft haben, wodurch sich ihre Probleme | |
aber nicht einfach in Luft auflösen, weil sich dann quälende Fragen von | |
Herkunft und Loyalität stellen. | |
Diese und andere ähnliche Motive tauchten schon in US-amerikanischen | |
Gangster-Sozialdramen aus den 1990ern auf, wie „Menace II Society“ (1993), | |
oder in [2][deutschen Pendants wie „Chiko“ (2008)], oder etwas aktueller | |
auch in Serien „4 Blocks“ (ab 2017). Und man findet sie ganz klassisch auch | |
in der nicht ganz so harten Serie „Hype“ von Cosmo (im | |
Öffentlich-Rechtlichen!) wieder – auch wenn die mit Tanzchoreografien und | |
Rap-Einlagen auf der Straße auch sehr an den US-amerikanischen Tanz-Film | |
„Step Up“ (2006) erinnert. | |
In „Hype“ aber ist Denis Moschitto nicht mehr der Dealer Chiko aus Hamburg | |
mit dem Freund, der seine nierenkranke Mutter versorgen muss, sondern der | |
Vorgesetzte des 20-jährigen Musa (Soufiane El Mesaudi) aus Köln-Porz. Musa | |
jobbt nämlich in einem Logistikunternehmen; einen Tag bevor er dort seinen | |
festen Arbeitsvertrag unterschreiben soll, geht er extra noch mal zum | |
Friseur, um die Seiten auf null rasieren zu lassen. Der Friseursalon aber | |
wird zum Ort willkürlicher Polizeigewalt und den Arbeitsvertrag bekommt | |
Musa nicht, weil der Vorgesetzte vorgibt, sich nicht mehr an sein | |
Versprechen zu erinnern. Das sind zwei Ereignisse, die Musas Vorhaben, | |
sauber zu bleiben, auf die Probe stellen. Die letzte Möglichkeit, die | |
bleibt: [3][eine Karriere als Rapper]. Die Jungs aus Musas Viertel lassen | |
aber nicht los, sie wollen ihn für ihre Geschäfte gewinnen, damit Musa | |
nicht mehr nur Viagrapillen vertickt. | |
Auch Emo (Leonidas Emre Pakkan), Musas Bruder, ist dabei ein Faktor. Der | |
Gangchef tritt hart auf, zeigt aber später seinen weichen Kern und seine | |
Verletzungen. Enttäuscht ist er nicht nur, weil auf Menschen in seinem | |
Viertel herabgeblickt wird, sondern auch weil seine Jugendliebe Naila (Nora | |
Henes) von dort einfach weggegangen ist. Die erfolgreiche Influencerin hat | |
zwar viele Follower:innen und ein eigenes Parfum, fremdelt aber mit der | |
neuen Welt. Als sie ein Video des Polizeiübergriffs im Friseursalon teilt | |
und sich politisch positioniert, bekommt sie von ihrer Managerin eine | |
verärgerte Sprachnachricht. | |
## Die Musik ist das Beste | |
Ein Unterschied zu den oben genannten Filmen und Serien ist nun, dass die | |
Macher:innen von „Hype“ (Regie: Esra und Patrick Phul, die die Serie mit | |
Marco Gilles und Lutz Heineking jr. produziert und das Drehbuch mit Claudia | |
Bach und Leonidas Pakkan geschrieben haben), fast nur mit | |
Laiendarsteller:innen zusammengearbeitet haben, „um die Geschichten | |
möglichst realistisch darstellen zu können“. Dabei sei alles, was in der | |
Serie erzählt wird, „so oder so ähnlich wirklich passiert“, heißt es in … | |
Vorstellung. „Um die Realität möglichst authentisch und direkt abzubilden�… | |
habe man zudem auf geschriebene Dialoge verzichtet und nur mit | |
Improvisation gearbeitet, wofür sich zuletzt auch die Serie „Die | |
Discounter“ mit wirklich amüsantem Ausgang entschieden hatte. | |
Bei „Hype“ überzeugt diese Offenheit leider nicht. Die Dialoge wirken oft | |
aufgesetzt, was auch daran liegt, dass die Sprechenden den Slang immer | |
wieder übertreiben. Das Laienschauspiel erinnert oft auf unangenehme Weise | |
an die Gerichtsshows im Privatfernsehen der 2000er Jahre. | |
Dass in der Serie [4][gleich drei echte Rapper] mitspielen, macht sich in | |
Form von Rap-Einlagen mit hörenswerten Beats bezahlt. Sie sind wesentlicher | |
Teil des Storytellings und das Beste an der Serie. Die Musik lässt auch | |
über die etwas unterkomplexe Handlung (Emo zwingt Musa, Drogen zu | |
verkaufen, weil Ersterer die kaputten Scheiben des Autos des Letzteren | |
verantwortet) hinwegsehen. Höhepunkt ist dabei ein Battle zwischen den | |
Brüdern auf einem Parkhausdach. Der Track heißt „Verkauf jetzt das Kokain“ | |
und man kann ihn auch auf Spotify hören. | |
1 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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