# taz.de -- Deutsch-türkischer Gangsterfilm "Chiko": Gangster in der Midlife-K… | |
> Kein Respekt auf Hamburgs Straßen: Özgür Yildirims Debüt "Chiko" will der | |
> harte deutsche Film sein, der ethnische Klischees endlich von der | |
> richtigen Seite ausbeutet. | |
Bild: Kommt nach oben. Erstmal: Chiko (Denis Moschitto). | |
Moritz Bleibtreu ist eigentlich noch zu jung für eine Midlife-Krise. Auf | |
eine solche aber deuten die Rollen hin, die er sich zuletzt ausgesucht hat | |
(den Fernsehterroristen Rainer, den Terroristenstar Andreas Baader), mit | |
ihrer gesteigerten Lust an der Attraktivität böser Buben. In Özgür | |
Yildirims "Chiko" spielt Moritz Bleibtreu einen ekligen Musikproduzenten | |
namens Brownie. Das Geschäft ist Tarnung, hinter den Kulissen wird heftig | |
gedealt. Die Dealer sind nicht immer nach allen Regeln der Kunst besetzt. | |
Diese Lücke entdeckt der junge Chiko (Denis Moschitto). Er vermöbelt einen | |
Zwischenhändler und dringt so in die Zentrale vor. Dort tritt er | |
überzeugend auf, nun ist Chiko im Geschäft. Er will alles: Geld, Mädchen, | |
Stoff, vor allem aber will er "Respekt" wie er ständig betont. | |
"Chiko" spielt in Hamburg, Fatih Akin zählt zu den Produzenten, der Film | |
verfügt in hohem Maß über die "credibility", die ein Drama braucht, das | |
nicht lahmarschig sein will. Die Frage, was "Respekt" ist und in welcher | |
Währung (Geld, Mädchen, Stoff) er bekundet wird, steht im Zentrum. Chiko | |
und seine beiden besten Freunde Tibet (Volkan Öczan) und "Curly" (Fahri | |
Yardim) sind Türken in Deutschland. Sie lieben die Provokation; schnelle | |
Autos und schnelle Sprüche sind ihnen wichtig. Sie kennen aber auch die | |
anderen Seiten des Lebens. Die nierenkranke Mutter von Tibet bildet für den | |
Film nicht den einzigen Bezug zu einer anderen Alltagswirklichkeit. | |
Insgesamt verlaufen die Grenzen zwischen der Welt der Ambition und der Welt | |
des Rückhalts ziemlich genau entlang der deutschtürkischen Trennlinien: | |
hier das protzige Domizil von Brownie, dort die Teestuben, in denen | |
türkische Männer ihre Solidarität gewähren (gebetet wird auch). | |
Bezeichnenderweise ist die zweite Frau des Films eine Handelsware zwischen | |
den Fronten: Meryem (Reyhan Sahin aka [1][Lady Bitch Ray]) ist eine | |
Prostituierte, die zufällig in einer Wohnung neben dem Umschlagplatz | |
arbeitet, den Chiko mit seinen Kumpels benutzt. Man kommt ins Gespräch und | |
bald auch ins Geschäft, aus dem gelegentlichen Treffen wird Liebe, aber | |
auch hier bleibt die Sache mit dem unabgegoltenen Respekt. Brownie ist in | |
jedem Moment eine Karikatur, trotzdem umkreist Chiko diesen Fixpunkt mit | |
zunehmend wahnhafter Intensität, zudem kann er seine Jungs nicht unter | |
Kontrolle halten, und so eskaliert die Sache bald. | |
Nach einer Stunde ist Özgür Yildirim schon ein Gefangener seines eigenen | |
Dualismus: er hat die Welt so strikt in Gut und Böse, hart und lächerlich, | |
streetwise und dekadent eingeteilt, dass seinen charismatischen Helden nur | |
noch die Flucht nach vorn bleibt. Auf Gewalt folgt mehr Gewalt, in seiner | |
unbedingten Rhetorik will der Film dem eigenen Soundtrack nicht nachstehen. | |
"Ich will nach oben", deklamiert Karim-Bonez MC feat. CEZA, als schon alles | |
vorbei ist. Der Versuch, sich auf den Straßen von Hamburg Respekt zu | |
verschaffen, ist nicht nur an den eigenen Illusionen gescheitert, sondern | |
auch an den Illusionen von einem harten deutschen Film, der die ethnischen | |
Klischees einfach einmal von der "richtigen", weil minoritären Seite her | |
ausbeutet, und dabei fast ebenso schnell alt aussieht wie Moritz Bleibtreu. | |
17 Apr 2008 | |
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## AUTOREN | |
Bert Rebhandl | |
## TAGS | |
Gangsta-Rap | |
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