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# taz.de -- Hamburger Rapperin Finna auf Tour: Kompliziert und immer liebevoll
> Selbst gedacht, selbst verkackt, selbst geschafft: Die Hamburger Rapperin
> Finna geht mit ihrem Debütalbum „Zartcore“ auf Tournee.
Bild: „Mittelfinger in die Luft“: die Hamburger Rapperin Finna
Mit „Hallo, ich bin Finna und ich hab da was zu sagen“ stellte sich die
Hamburger Musikerin Finna auf ihrer Debütsingle „Musik ist Politik“ im Jahr
2015 selbstbewusst und nonchalant zugleich der HipHop-Welt vor. Der Track
brachte der damals 25-Jährigen den Gewinn des Newcomer*innen-Preises „Krach
& Getöse“ von Rockcity Hamburg ein. Mit gespitzten Ohren wartete man dann,
was Finna diesem Paukenschlag noch draufsetzen würde. Doch anstelle einer
weiteren selbstbewusst-feministischen Wortmeldung folgte erst mal: längere
Funkstille.
Eine persönliche Krise zwang Finna dazu, sich aus der Öffentlichkeit
zurückzuziehen. Bis sie 2020 mit ihrer Single „Overscheiß“ erneut
aufhorchen ließ: Sloganhafte Reime wie „Mittelfinger in die Luft / Riot not
diet!“ machten Hoffnung auf ihr Debütalbum, das nun endlich beim Hamburger
Schepper-Indie-Label Audiolith veröffentlicht wurde.
## Inhalt ist das, worum es ihr geht
„Zartcore“ heißt es und – man hat es geahnt – Finna hat immer noch etw…
erzählen. Sie tut dies erfrischend anders, als man es kennt. „Mache den Rap
wieder soft und zart“, verkündet die Hanseatin im programmatischen
Titelsong. Das musikalische Mittel ihrer Wahl sind 13 Stücke, deren Beats
und Hooklines sie selbst produziert und arrangiert hat. Dazu kommt ihr
klare, warme Stimme, die sich sowohl gerappt als auch gesungen ins Herz
gräbt.
Dass es am Ende doch meist beim Rap bleibt, begründet sie damit, dass sich
in schnellen Reimen einfach mehr Worte, ergo mehr Inhalt unterbringen
lässt. Inhalt ist das, worum es Finna geht.
Als Verfechterin eines queeren, intersektionalen Feminismus verschont Finna
nichts und niemanden. Zeilen wie „Slutpride, ja / Digga, komm drauf klar /
Hundert Pro Gefahr für das Patriarchat“ machen klar, gegen wen sie die
Stimme erhebt. Sie folgt dabei ihren musikalischen Vorbildern [1][Sookee],
Beth Ditto und [2][Lizzo]. Sie prangert genormte Schönheitsheitsideale an,
kritisiert das inhumane Wesen der staatlichen Bürokratie und fordert
sexuelle Freiheit.
Auch die Klimakrise erwähnt sie in einem Zwischenspiel, lakonisch
„Klimakrise“ genannt. Meilenweit entfernt von der Konkurrenz ist „Mudda�…
Dabei dürfte es sich um einen der ersten deutschsprachigen Raptracks
handeln, der HipHop, Aktivismus und Muttersein verbindet. „Nur weil ich
Mutter bin / Bin ich trotzdem wer ich bin / Nur jetzt halt mit Kind“, singt
sie über einen luftigen Beat und erteilt Schubladisierungen eine Absage.
## Ausbildung zur Tonmeisterin
Finna nimmt ihre Tätigkeit als Rapperin nicht nur inhaltlich, sondern auch
handwerklich ernst. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Tonmeisterin.
„Selbst gedacht, selbst verkackt, selbst geschafft“ heißt es schon auf
„D.I.Y.“, dem Intro zum Album, und das zieht sich als Leitmotiv bis zum
Ende durch. Mal in einem Trapbeat, wie bei „Overscheiß“, mal etwas
gespenstisch wie in dem melancholischen Song „Wenn ich ich bin“, dann
wieder mit R&B-Einschlag wie bei „Mudda“.
Jeder ihrer meist elektronischen, immer progressiven Beats stammt, mit
Unterstützung ihres musikalischen Partners in crime, Spoke, aus Finnas
eigener Hand. Auch gefühlige Pop-Balladen wie „VDAVZ“ kriegt sie hin.
Finna schafft es in ihren Textwelten, glaubwürdig über tief sitzende Angst
und höchste Glücksgefühle zu singen, verschlingende Zweifel und große
Hoffnung zu thematisieren. Ihre Lehre aus einem langen Kampf mit sich und
der Welt ist es, dabei weich zu bleiben, ohne gefühlig zu werden.
Hart sein kann jeder, aber das Herz aufzumachen und sich mit all den
eigenen Wunden und Wunderlichkeiten hinzustellen und zu sagen: „Das bin
ich“, das muss man erst mal schaffen. Diese Lehre gibt Finna in den Songs
von „Zartcore“ durchaus elegant weiter und bleibt dabei so glaubwürdig und
verletzlich, dass man gar nicht anders kann, als sich mit ihr verbunden zu
fühlen wie mit einer guten Freundin.
Da verzeiht man Finna sogar, dass sie textlich manchmal zu sehr ins
Dogmatische rutscht und ihre Musikvideos so aussehen, als hätte sie
Freund*innen wahlweise ins Wohnzimmer, in den Park nebenan oder vor einen
Greenscreen mitgenommen. Andererseits ist das genau die unperfekte
Inszenierung, mit der Finna ihren musikalischen Safespace aus Glitzer und
Kraftausdrücken baut. Nicht immer einfach, aber immer liebevoll.
14 Jun 2022
## LINKS
[1] /Rapperin-Sookee-im-Interview/!5736390
[2] /Lizzo-hat-eine-neue-Castingshow/!5850430
## AUTOREN
Paula Steinbauer
## TAGS
Debütalbum
Rap
Feminismus
Indie
Punk
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Feminismus
Neues Album
Gangsta-Rap
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