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# taz.de -- Katalanische Sängerin Marina Herlop: Ineinander fallende Fantasieg…
> In ihrem dritten Album „Pripyat“ wagt sich die katalanische Musikerin
> Marina Herlop auch in die ihr bislang fremde Klangwelt der
> Musik-Software.
Bild: Die Sängerin Marina Herlop in Sepiafarben
„Break out“ singt Marina Herlop in „Lyssof“; Der zunächst sanfte Wellen
schlagende, dann zunehmend soghafte Track findet sich auf dem dritten Album
der spanischen Künstlerin – „Pripyat“. Mach’ dich frei, wirf alle Fess…
ab – sonst ein abgelutschter Topos der Popmusik. Doch bei der Sängerin aus
Barcelona klingt die Aufforderung nicht nach hohler Phrase, sondern wie die
Einladung zu einer Entdeckungsreise. Eine, die für die 30-Jährige ebenso
Offenbarungen bereit hielt, wie die dabei entstandene Musik für die
Hörer:in.
Was „Pripyat“ – der Name ist entliehen von der bis heute intakten,
weitgehend verlassenen ukrainischen Stadt in der Nachbarschaft der
Reaktorruine von Tschernobyl – bemerkenswert macht: Alle Tracks operieren
in einem eng gesteckten Rahmen; jeder Song dreht sich um den Klang von
Herlops klarer, heller Stimme und doch wirkt jeder für sich ganz
unterschiedlich.
Die Aufforderung zum Aufbruch hallt umso stärker nach, weil wenige
Textzeilen überhaupt etwas bedeuten. Die meisten Worte, die Herlop formt,
ja einer Skulptur gleich aufschichtet, um sie dann kaskadenhaft ineinander
fallen zu lassen, sind Fantasiegebilde. Ohne konkreten Wortsinn sang sie
schon auf ihren Alben „Nanook“ (2016“) und „Babasha“ (2018). Es gehe …
wie sie immer wieder erklärt, darum, eine eigene Ästhetik entstehen zu
lassen. Nicht darum, aus ihrem Leben zu erzählen oder Gefühle zum Ausdruck
zu bringen.
Letzteres lässt sich bei kreativer Arbeit zwar kaum vermeiden. Doch was bei
Herlop erfrischend anders wirkt, gerade vor dem Hintergrund inflationärer
und ubiquitärer Identitätsverortungen: es fehlt ihr jedweder Wille zum
Bekenntnishaften.
## Ein neues Werkzeug: Ableton
Die ersten beiden Alben der klassisch am Klavier und Gesang ausgebildeten
Musikerin klangen noch vergleichsweise konventionell, im klassischen Sinne.
Auf „Pripyat“ ist ein Werkzeug dazugekommen, das eine Vielzahl von
Instrumenten beinhaltet: die Musik-Software Ableton.
Herlop verließ ihre Komfortzone und stürzte sich mit dem Tool in eine ihr
bisher fremde Klangwelt: “Obwohl ich noch längst nicht alle Funktionen
verstehe, habe ich mit Ableton schon sehr viel neue Musik kreiert.“
Auf dem gesamten Album schwingt mit, wie ungebunden dieser Trip für Herlop
gewesen sein muss. Dabei wirkt ihr Sound alles andere als chaotisch oder
maximalistisch. Less is more, scheint ihre Devise zu sein. Ihre im
Vordergrund stehende Stimme setzt sie dabei auch als Perkussionsinstrument
ein; das Klanggerüst ist ansonsten zurückhaltend, fragmentarisch angelegt.
Nicht nur für eine digitale Produktionsweise hat die Künstlerin sich
geöffnet, sondern auch für nicht-westliche Musiktraditionen. Für den Track
„Miu“, einmal mit Electronica-Geklöppel und dann noch als Chorversion auf
dem Album zu finden – ließ sie sich von klassischer südindischer Musik
inspirieren, in der auch viel vokale Perkussivität steckt: genauer die
Gesangstechnik Konakkol, die im Kontext Karnatischer Musik die Art und
Weise bezeichnet, wie Silben vortragen werden. Und doch hat sich Herlop von
den technischen und musikalischen Herausforderungen nicht überfordern
lassen: ihre Tracks klingen wie aus einem Guss.
Das beim Berliner Avantgarde-Elektroniklabel PAN erschienene Album
präsentiert sich zunächst etwas spröde, seine Resonanzräume offenbart
„Pripyat“ erst peu à peu. Unmittelbarer wirkt es, Herlop live mit
fünfköpfiger Band zu erleben – darunter zwei Sängerinnen, mit denen sie den
komplexen Harmoniegesang im Konzertkontext umsetzt. Mit ihnen hatte sie
unlängst einen umjubelten Auftritt beim [1][Berliner CTM-Festival]. Sollte
jemand die Gelegenheit haben, Herlop live zu erleben: unbedingt hingehen.
Sie hat eine phänomenale Bühnenpräsenz.
10 Jun 2022
## LINKS
[1] /CTM-Konzert-in-der-Volksbuehne/!5854806
## AUTOREN
Stephanie Grimm
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Spanien
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