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# taz.de -- Stark-Watzinger und Fördergeldaffäre: Unglaubwürdig, unplausibel
> Am Mittwoch musste Ministerin Stark-Watzinger in den Bildungsausschuss.
> Viele Fragen der Abgeordneten zur Affäre um Gaza-Proteste blieben offen.
Bild: In der Kritik: Stark-Watzinger vergangene Woche im Kabinett
Berlin taz | Viele Fragen, wenige Antworten: Am Mittwoch stand
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) dem Bildungsausschuss im
Bundestag Rede und Antwort zur Entlassung ihrer Staatssekretärin [1][Sabine
Döring]. Viele Fragen der Abgeordneten ließ die Ministerin unbeantwortet,
stattdessen wiederholte sie Aussagen aus vergangenen Pressekonferenzen und
-statements.
Hintergrund der Affäre ist eine Prüfung dienst-, förder- und
strafrechtlicher Konsequenzen für Hochschullehrer:innen, die einen offenen
Brief unterzeichnet hatten. Dieser hatte sich gegen die Räumung eines
propalästinensischen Protestcamps an der Freien Universität Berlin durch
die Polizei gerichtet. Der [2][Prüfauftrag] wurde am 11. Juni durch
Recherchen des NDR bekannt.
In der Befragung am Mittwoch betonte Stark-Watzinger, die
Fördermittelaffäre in drei verschiedene Vorgänge einordnen zu wollen.
Zuerst habe Staatssekretärin Döring am 13. Mai per Telefon ein Referat
beauftragt, den offenen Brief der Wissenschaftler:innen juristisch zu
prüfen.
Laut Stark-Watzinger ist dieses Telefonat offensichtlich so missverstanden
worden, dass Mitabeiter:innen auch von einer förderrechtlichen Prüfung
ausgingen. „Ich habe die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen nicht
erteilt und nicht gewollt“, wiederholte Stark-Watzinger ihre Aussage von
der Bundespressekonferenz am vergangenen Dienstag.
Vom zweiten Vorgang habe die Ministerin gewusst. Es ging um die Frage, ob
der Inhalt des offenen Briefs von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das
bejahten die zuständigen Mitarbeiter:innen.
## Neue Mailverläufe aus dem Bildungsministerium
Als Letztes sei schließlich der Auftrag ergangen, eine Liste aller
Wissenschaftler:innen zu erstellen, die den offenen Brief
unterschrieben hatten und in Verbindung mit dem Bildungsministerium (BMBF)
stehen. Dieser Auftrag wurde am Montag durch die Internetplattform
[3][„Frag den Staat“] bekannt.
Sie veröffentlichte interne Mailverläufe, die zudem zeigen, dass
Mitarbeiter:innen des Ministeriums mit der Prüfung nicht einverstanden
waren. „Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, dass es unter den Kolleginnen und
Kollegen großes Unwohlsein ausgelöst hat, Namen in Listen zu markieren“,
heißt es in einer Mail.
Stark-Watzinger erklärte nun im Ausschuss, dass die Liste erstellt werden
sollte, um Nachfragen der Presse zuvorzukommen. Ihr selbst sei sie nie
vorgelegt worden. Weder sie noch der zuständige Abteilungsleiter habe diese
Liste in Auftrag gegeben. Wer es stattdessen war, ließ sie offen. Thomas
Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU, bezweifelt die
Darstellung.
Datenschutzrechtlich wäre es nicht möglich gewesen, die Namen der Presse zu
nennen. „Aus diesem Grund heraus ist das ziemlich wenig plausibel, dass das
eine Aktion gewesen sein könnte, um daraus Pressestatements zu generieren“,
sagte er der taz. Jarzombek warf Stark-Watzinger vor, seine Fragen bewusst
nicht zu beantworten. Auch nach mehreren Nachfragen, wer denn die Liste in
Auftrag gegeben hätte, wollte sich Stark-Watzinger nicht äußern. „Es geht
um den Schutz von Mitarbeitenden, die jetzt unter Feuer stehen“, sagte sie.
## Zweifel über die Aussagen der Ministerin
Nicole Gohlke (Linke) hält es für unplausibel, dass Stark-Watzinger nur von
einem der Prüfaufträge wusste. Im Ausschuss sagte sie: „Es ist
unglaubwürdig, dass alle möglichen Mitarbeiter Prüfaufträge zeitgleich
aufgegeben haben und Sie davon nichts gewusst haben“, sagte sie.
Mehrere Abgeordnete äußerten zudem Sorgen über einen [4][Vertrauensverlust
von Wissenschaftler:innen] gegenüber dem Ministerium. „Wir haben eine
sehr aufgebrachte, aufgewühlte und verunsicherte Wissenschaftscommunity“,
sagte Anja Reinalter von den Grünen. Es habe einen gravierenden
Vertrauensschaden gegeben.
Auf die Frage von Ali Al-Dailami, Abgeordneter für das Bündnis Sahra
Wagenknecht (BSW), zu Rücktrittsforderungen gegen Stark-Watzinger,
antwortete diese: „Ich sehe dazu keine Veranlassung.“ Mittlerweile haben
über 3.200 Wissenschaftler:innen einen zweiten offenen Brief
unterzeichnet, der den Rücktritt der Ministerin fordert.
An ihrer Kritik am ersten Brief hielt Stark-Watzinger weiterhin fest. „Der
Brief war ein Meinungsbeitrag, dem habe ich eine Meinung entgegengesetzt.
Eine Meinung hat kein Recht auf Zustimmung“, so die Ministerin in der
Befragung.
## Auch bei der Regierungsbefragung kein Entkommen
Dass Stark-Watzinger auch bei turnusmäßiger Befragung der Regierung am
Mittwochnachmittag im Bundestag Rede und Antwort stehen muss, ist Zufall.
Anfangs spricht sie über das [5][Startchancen-Programm], Bafög-Reform und
Fusionsforschung, dann äußert sie sich zu der Förderaffäre in ihrem
Ministerium. Doch neues gab es auch dabei nicht.
Die angeschlagene Ministerin wiederholte, was sie in den vergangenen Tagen
bereits häufig selbst sagte oder ihre Sprecherinnen sagen ließ. Sie bleibe
bei ihrer Kritik an dem offenen Brief, aber dieser sei von der
Meinungsfreiheit gedeckt.
Die Wissenschaftsfreiheit aber sei ebenfalls ein hohes Gut, „ein Schatz“,
so Stark-Watzinger. „Im BMBF vergeben wir Fördermittel nach
wissenschaftlicher Exzellenz, nicht nach politischer Weltanschauung. Das
ist das Kernprinzip von Wissenschaftsfreiheit.“ Dafür stehe sie auch
persönlich.
Stark-Watzingers Glück an diesem Nachmittag vor laufenden Kameras: Die Zeit
in der Regierungsbefragung ist begrenzt, die Regeln sind streng. Drei
CDU-Fachpolitiker:innen versuchten es trotzdem – und erhielten wie am
Morgen nur ausweichende Antworten.
26 Jun 2024
## LINKS
[1] /Rauswurf-von-Staatssekretaerin/!6014583
[2] /Reaktionen-auf-veroeffentlichte-E-Mails/!6013421
[3] https://fragdenstaat.de/blog/2024/06/24/bmbf-pruefbitte-fu-berlin-offener-b…
[4] /Sorgen-um-Wissenschaftsfreiheit/!6016957
[5] /Forscher-ueber-Bildungsbericht-2024/!6014705
## AUTOREN
Emma Tries
Sabine am Orde
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