# taz.de -- CDU-Abgeordneter zu Fördergeld-Affäre: „Mehr Fragezeichen als A… | |
> In der Fördergeld-Affäre sabotiert die Bildungsministerin die | |
> Aufklärungsbemühungen des Parlaments, kritisiert CDU-Abgeordneter Thomas | |
> Jarzombek. | |
Bild: Thomas Harzombek fordert Antworten | |
taz: Herr Jarzombek, Ihre Fraktion hat der Bundesregierung in einer Kleinen | |
Anfrage 100 detaillierte Fragen zur sogenannten Fördergeld-Affäre gestellt. | |
Im Kern geht es um die Frage, wann Bundesbildungsministerin Bettina | |
Stark-Watzinger (FDP) von den umstrittenen Prüfaufträgen in ihrem | |
Ministerium wusste – und ob sie die Öffentlichkeit belogen hat. Nun liegen | |
die Antworten der Bundesregierung vor. Tragen sie denn zur Aufklärung bei? | |
Thomas Jarzombek: [1][Die Antworten] sorgen eher für Verwirrung als für | |
weitere Aufklärung. An mehreren Stellen hat der Parlamentarische | |
Staatssekretär Jens Brandenburg Dinge revidiert, die die Ministerin bisher | |
anders schriftlich dargelegt und auch vor dem Bildungsausschuss gesagt hat. | |
Zum Beispiel die Frage, ob in der Morgenlage im Ministerium konkrete | |
Aufträge verteilt werden. Das hat Stark-Watzinger bisher verneint, was uns | |
schon damals unglaubwürdig erschien. Schließlich kommt in der Morgenlage | |
die gesamte Ministeriumsspitze zusammen. Nun hat die Ministerin zugegeben: | |
Dort werden sehr wohl Aufträge vergeben. | |
taz: Wo verstrickt sich Bildungsministerin Stark-Watzinger noch in | |
Widersprüche? | |
Jarzombek: Bei der Liste mit den Namen der Wissenschaftler, die im | |
Ministerium erstellt worden ist. Bisher hat das Ministerium immer | |
mitgeteilt, das habe die Pressestelle getan. Jetzt ist plötzlich zu lesen, | |
das habe der Abteilungsleiter eigenmächtig getan. Darüber hinaus steht auch | |
die Aussage, wann das Ministerium sämtliche Prüfungsvorgänge gestoppt haben | |
will, im Widerspruch mit einer veröffentlichten E-Mail aus dem Ministerium. | |
Darin wird auch zwei Tage nach dem genannten Datum Druck auf einen | |
Mitarbeiter aufgebaut, die gewünschte Liste zu erstellen. Das erscheint | |
alles nicht plausibel. Es sind mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. | |
taz: Das Parlament versucht seit Wochen, die Vorgänge im | |
Bundesbildungsministerium (BMBF) zu rekonstruieren. Der Bildungsausschuss | |
hat Stark-Watzinger [2][vorgeladen und befragt], auch bei einer | |
Regierungsbefragung im Plenum musste sie Rede und Antwort stehen, zwei | |
Fraktionen haben kleine Anfragen gestellt. Alles mit überschaubarem | |
Erkenntnisgewinn. | |
Jarzombek: Ich persönlich finde es bitter, dass das parlamentarische | |
Fragerecht von der Ministerin so ausgehöhlt wird. Das erleben wir auch bei | |
anderen Themen wie dem Digitalpakt 2, dass wir keine wirklichen Antworten | |
erhalten. Und damit schadet die Ministerin sich selbst. Das sieht man an | |
der Presse, die Stark-Watzinger in der Fördergeldaffäre bekommt. Von daher | |
halte ich die Antworten auf unsere Kleine Anfrage für nicht sonderlich | |
klug. | |
taz: Bisher kommt Stark-Watzinger damit durch. Wie geht es nun weiter? | |
Jarzombek: Am Ende wird es darauf ankommen, wie die Gerichte entscheiden. | |
Es sind ja zwei Klagen anhängig: Zum einen möchte sich die entlassene | |
Staatssekretärin Sabine Döring gerne zu den Vorgängen äußern, was ihr | |
bisher vom Ministerium untersagt wird. Und zweitens steht noch die | |
Entscheidung aus, ob das Ministerium auch seine interne Kommunikation auf | |
Wire veröffentlichen muss. | |
taz: Beide Vorgänge könnten Stark-Watzinger der Lüge überführen. Wie | |
[3][brisant die internen Wire-Chatnachrichten] sind, zeigt ein Bericht des | |
Spiegel. Demnach hat die Leitungsebene im BMBF sehr früh über mögliche | |
förderrechtliche Konsequenzen für kritische Wissenschaftler:innen | |
gesprochen. Das Ministerium weigert sich aber, diese Chatnachrichten | |
herauszugeben – mit dem Argument, es handele sich um rein private Inhalte. | |
Jarzombek: Diese Argumentation erschließt sich uns gar nicht. Schließlich | |
ist Wire kein Eins-zu-eins-Medium, über das eine Person einer anderen eine | |
private Nachricht schickt, sondern wird im Ministerium als offizieller | |
Gesprächsverteiler mit den führenden Personen im Haus genutzt. Deshalb ist | |
die Klage hier von grundsätzlicher Bedeutung. Es gibt eine | |
Aktenführungspflicht. Zu guter Regierungsführung gehört, dass die Dinge | |
nachvollziehbar dokumentiert sind. Wenn aber jetzt ein größerer Teil der | |
Ministeriumsarbeit und auch der Entscheidungen nicht mehr über eine | |
Schriftakte stattfinden, sondern über solche Kommunikationskanäle wie Wire, | |
dann ist das auch klar ein Teil dessen, was in so eine Akte gehört. Ich | |
erhoffe mir hier auch ein grundlegendes Gerichtsurteil, wie eine | |
gesetzeskonforme Aktenführung zu Zeiten neuer Medien aussieht. | |
taz: Gefährlich für Stark-Watzinger könnte auch die Klage Dörings werden. | |
Die soll ja alleinig [4][für den umstrittenen förderrechtlichen Prüfauftrag | |
im BMBF] verantwortlich sein – und will sich nun selbst dazu äußern. | |
Jarzombek: Es ist relativ offensichtlich, dass Frau Döring nicht | |
einverstanden ist mit der offiziellen Darstellung des Ministeriums. Nach | |
den bisherigen Äußerungen ist Döring schließlich der Sündenbock. Und | |
offenbar hat sie in diesem Punkt Redebedarf. Ansonsten würde sie nicht vor | |
Gericht ziehen, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. Das sieht im Übrigen | |
auch die Koalition so. Der bildungspolitische Sprecher der SPD, Oliver | |
Kaczmarek, hat dies ja deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er Frau Döring | |
hören möchte. | |
taz: Darüber hinaus halten sich SPD und Grüne aber sehr zurück mit Kritik. | |
Sehen Sie Kanzler Olaf Scholz in der Pflicht, Druck auf seine Ministerin | |
aufzubauen? | |
Jarzombek: In der letzten unserer 100 Fragen wollten wir wissen, wie der | |
Kanzler zu den Vorgängen im BMBF steht und ob Stark-Watzinger noch sein | |
Vertrauen genießt. In der Antwort wurde nur auf Stellungnahmen verwiesen, | |
die noch vor den relevanten Zeiträumen der Fördergeld-Affäre liegen. Ein | |
Committment des Kanzlers sieht anders aus. Entscheidend müsste nach meiner | |
Ansicht für den Kanzler sein, welche Wahrnehmung die Ministerin in der | |
Wissenschaftsgemeinschaft hat. Dass sie dort Vertrauen verspielt hat, ist | |
glaube ich unstrittig. Wenn aber nur noch Christian Lindner an Frau | |
Stark-Watzinger glaubt, dann ist das zu wenig. | |
taz: Die Wissenschaftscommunity ist auch irritiert [5][über den neuen | |
Staatssekretär Roland Philippi], der laut Spiegel kritische | |
Wissenschaftler:innen BMBF-intern als „verwirrte Gestalten“ bezeichnet | |
haben und eine mögliche Selbstzensur begrüßt haben soll. Was sagen Sie zu | |
der Personalentscheidung? | |
Jarzombek: Wenn der Spiegel-Bericht stimmt, scheint Philippi auch der | |
Initiator der förderrechtlichen Prüfung gewesen zu sein und nicht Döring. | |
Dass Stark-Watzinger nun Döring abgesetzt und Philippi zum neuen | |
Staatssekretär gemacht hat, entbehrt nicht einer gewissen Tragikomik. Wir | |
haben übrigens bei der Ernennung gefragt, ob sich Frau Stark-Watzinger mit | |
Philippis Aussagen gemein machen möchte. Durch das Festhalten an seiner | |
Person hat sie sich damit gemein gemacht. Das passt natürlich überhaupt | |
nicht zu der Begründung, mit der sie Döring entlassen hat. Für die | |
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ist das mehr als irritierend. Denn | |
wenn Stark-Watzinger eine Art Antisemitismus-Klausel bei Fördergeldern | |
einführen will, soll sie dazu stehen. Stattdessen macht sie einen | |
Rückzieher mit fadenscheinigen Begründungen, wenn sie bei solchen Plänen | |
ertappt wird. Als Bürger sollte man von einer Ministerin erwarten können, | |
dass sie mit offenem Visier auftritt. | |
taz: Finden Sie, dass Stark-Watzinger zurücktreten muss? | |
Jarzombek: Zunächst muss sie erklären, was da genau passiert ist. Wie | |
gesagt, es sind jetzt mehr Fragezeichen als Antworten da. Und ich finde, | |
die Menschen in diesem Land und allen voran die Wissenschaftsgemeinde hat | |
ein Recht darauf, das zu erfahren. | |
taz: Mal unabhängig von Bettina Stark-Watzinger: Halten Sie die Koppelung | |
von Fördergeldern an ein Bekenntnis zu Antisemitismus für eine gute Idee? | |
Jarzombek: Ich glaube, man kann die Frage diskutieren. Es gibt eine klare | |
Definition von Antisemitismus und die gilt auch für Forschungsvorhaben. Es | |
gibt einen Bereich der Meinungsfreiheit und es gibt rote Linien – zum | |
Beispiel, wenn man das Existenzrecht des Staates Israel in Frage stellt. | |
Wichtiger fände ich aber die Frage, wo es in der Forschung Leerstellen | |
gibt. Bei Instituten und Forschungsgruppen, die sich mit dem neuen | |
Antisemitismus befassen, sehen wir einen Mangel und fordern hier eine | |
Initiative ein. | |
31 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://fragdenstaat.de/artikel/exklusiv/2024/07/weiterhin-keine-aufklarung… | |
[2] /Stark-Watzinger-und-Foerdergeldaffaere/!6016464 | |
[3] /Stark-Watzinger-unter-Druck/!6023555 | |
[4] /Rauswurf-von-Staatssekretaerin/!6014583 | |
[5] /Kritik-an-kuenftigem-Staatssekretaer/!6019764 | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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