# taz.de -- Sozialdemokratie in Frankreich: Die Arroganz der Ohnmacht | |
> Nirgends zeigt sich das Debakel der Sozialdemokratie so drastisch wie in | |
> Frankreich. Doch statt sich zu erneuern, drischt man meist Phrasen. | |
Bild: Nestelt an der Zukunft der einst ehrwürdigen Partei: Sozialistenchef Oli… | |
PARIS/LISIEUX taz | Albert de Bretagne ist 91 Jahre alt und trennt gern die | |
Spreu vom Weizen. Angestrahlt von einer flackernden Straßenlaterne steht er | |
vor dem Rund des Cirque d’Hiver nahe der Bastille und seziert mit Verve das | |
linke Frankreich. Drinnen, in dem plüschigen Gebäude endet gerade eine | |
Veranstaltung europäischer Sozialisten und Sozialdemokraten. Motto: „Morgen | |
ist die Zukunft Europas die Linke“. | |
Sozialisten und Sozialdemokraten, vielerorts zuverlässige Garanten nicht | |
nur für sozialstaatliche Maßnahmen, sondern noch öfter für neoliberale wie | |
bei Tony Blair in England oder Gerhard Schröder in Deutschland: Diese | |
Gruppen wollen also flächendeckend das Linkssein repräsentieren. Doch | |
derzeit kämpfen die meisten eher um ihr Überleben. Auch der PS. | |
„Irgendwie kriegen die immer die Kurve“, prophezeit de Bretagne auf eine | |
Krücke gestützt und grinst. „Aber die müssen jetzt höllisch aufpassen. Sie | |
drücken sich schon wieder um die großen Fragen – soziale Gerechtigkeit, | |
Migration und Arbeitsplätze.“ Da könnten die noch so viel „Solidarität�… | |
ihre Banner schreiben. | |
Der PS hat sich denn auch innerhalb weniger Jahre zerlegt. François | |
Hollande, Ex-Staatspräsident, riss die Partei mit seiner zögerlichen, | |
entgegen seiner Wahlversprechen, neoliberalen Politik der „fausse gauche“, | |
der falschen Linken, in den Abgrund. | |
## Historischer Absturz | |
Der PS stürzte so von einer historischen absoluten Mehrheit in Parlament, | |
Senat und in den Regionen auf den Status einer Splitterpartei ab. Benoît | |
Hamon, der [1][nur von den Mitgliedern, nicht von den Parteigranden | |
gewollte Präsidentschaftskandidat], verhedderte sich [2][dann 2017 komplett | |
im Wahlkampf]. Er erreichte unterirdische 6,3 Prozent. | |
Es stellt sich die Frage des Überlebens. Jan Rovny, Politikwissenschaftler | |
an der Sciences Po in Paris findet nicht, dass Hollande, als damaliger | |
Amtsinhaber, der alleinige Belzebub des PS war. „Ja, er hat auf falsche | |
oder gar keine Themen gesetzt, und er hat sich nicht an die fundamentale | |
Frage der sozialen Gerechtigkeit gemacht.“ | |
Doch, so Rovny, der Bedeutungsverlust des PS, und generell von | |
sozialistischen- und sozialdemokratischen Parteien in Europa, der habe viel | |
früher begonnen. Dieser Verlust hängt für ihn mit einem tiefen, | |
gesellschaftlichen Struktur- und Technologiewandel zusammen. „Die | |
Wählerschaft ist nicht einfach von der Linken, in diesem Fall vom PS | |
abgesprungen. Sie ist als schlüssige soziale Gruppe schlicht verschwunden.“ | |
Man wandte sich dann fast nur noch der zum Teil neu entstandenen | |
Mittelschicht zu, vergaß das schnell wachsende Dienstleistungs-Prekariat. | |
„Und in Frankreich“, so Rovny, „wie anderswo auch, wird diesem Prekariat | |
nur von Populisten, rechts wie links, Schutz versprochen.“ | |
## Es steht schlecht um die Genoss*Innen | |
Der PS hat sich das Etikett „progressiv“ verpasst, meidet die | |
Auseinandersetzung mit den Kommunisten und der [3][„France Insoumise“ des | |
Ex-Sozialisten Jean-Luc Mélenchon]. Reicht dieser Trotz am Abgrund, wenn | |
man nur noch rund 35.000 zahlende Mitglieder hat, Tendenz sinkend? Und | |
reicht dieser Trotz, wenn einen die Mehrheit in Frankreich als einstige | |
Regierungspartei zum Verräter an sozialen Werten erklärt? | |
Auch wenn die Entwicklung und die Historie der über 150 Jahre alten SPD und | |
des PS (der sich erst 1969 gründete) nicht zu vergleichen sind: Das quasi | |
Verschwinden einer nahestehenden Volkspartei muss die deutsche | |
Sozialdemokratie beunruhigen. Nicht, dass man bundesweit zur Zeit schon auf | |
unter zehn Prozent zusteuert. Man zählt auch noch rund 450.000 Mitglieder. | |
Trotzdem: In Sachsen etwa stimmten 2017 nur noch 11,7 Prozent per | |
Erststimme für die SPD, in mehreren der 16 Bundesländern kam die SPD auf | |
unter 20 Prozent, in ganz Ostdeutschland erreichte sie durchschnittlich nur | |
rund 14 Prozent. | |
Es steht, mit Ausnahme von Labour-Parteichef Jeremy Corbyn in England und | |
Pedro Sánchez in Spanien (der mit einer Minderheitsregierung am Start ist) | |
nicht gut um Europas Genossinnen und Genossen. | |
## Stammtisch, statt Inhalte | |
Hier in Paris treffen sie sich an diesem Abend im Format „Together“. Der | |
Veranstaltungsort Cirque d’Hiver fasst 1.800 Menschen. Über die Hälfte der | |
Sitze bleibt leer, und es gibt auch keine Lichtregie, die versucht das zu | |
kaschieren. Ist der Versuch der Sozialdemokraten, resolut auf die Karte | |
Europa und das Stichwort Solidarität zu setzen, nur eine verunglückte Show? | |
Keineswegs, versichert wortreich Udo Bullmann, 62, der joviale | |
Fraktionsvorsitzende der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im | |
EU-Parlament. Im SPD-Parteivorstand ist er verantwortlich für die | |
Beziehungen zur EU, einen Job den er von Martin Schulz geerbt hat. | |
„Wer“, fragt Bullmann, „wäre besser geeignet, um die demokratischen | |
Grundwerte in Europa gegen Trump und Co. zu verteidigen?“ Die Lehren aus | |
den „Mängeln der Vergangenheit“, die Bullmann nicht näher präzisiert, | |
würden nun endlich bei SPD und Konsorten gezogen: „Wir müssen den Menschen | |
ganz direkt eine neue Geschichte erzählen, wir müssen uns von Grund auf | |
erneuern.“ | |
Der Mann ist angstfrei was Phrasen angeht, durchaus hat er | |
Stammtischformat. | |
## Adelante, tönt der Spanier | |
Da passt der Treffpunkt nicht schlecht. Der Zirkus von 1853 hat eine | |
waschechte Arena. Star dieses europäischen Polit-Wanderzirkusabends ist als | |
neuer Hoffnungsträger der spanische Regierungschef Pedro Sánchez. | |
Der predigt den nach ihren Wahldebakeln zaudernden französischen und | |
deutschen Genossen dann auch gehörig fesch ins Gewissen. Zumindest auf | |
Spanisch tönt seine frei gehaltene Rede dynamisch, ja nachgerade | |
mobilisierend. Sie endet mit „¡Adelante, adelante!“ – vorwärts, vorwär… | |
Sánchez, 46, er wäre wohl der ideale EU-Spitzenkandidat der Sozialisten im | |
Mai 2019. | |
Die französischen Gastgeber sind da reservierter. Der neue Vorsitzende des | |
PS, Olivier Faure, 49, wimmelt gleichmal Fragen ab zur Zukunft seiner | |
erodierten politischen Familie. Auch „sonst sei es terminlich sehr, sehr | |
schwierig“, richtet seine Assistentin aus. | |
Gefragt ist der Ex-Fraktionschef des PS im Parlament aber trotzdem nicht. | |
Nach einer Farce von Pressekonferenz, bei der genau eine Frage erlaubt ist, | |
steht der von vielen jetzt schon für seine Laxheit gescholtene Faure wie | |
bestellt und nicht abgeholt herum. | |
## „Warum beginnt die Zukunft erst morgen?“ | |
Umschalten auf Diskurs, auf Nähe, das fällt ihm und anderen | |
zurechtgestutzten Parteigrößen an diesem Abend sichtlich schwer. Die | |
Arroganz der Macht. Ohne Macht. Oder wie hatte es Frédéric Orain, ein | |
durchaus sympathischer und ungekünstelter Regionalvorsitzender der PS, | |
Lehrer im Hauptberuf, gerade noch beim Kaltgetränk ausgedrückt: „Viele in | |
unserer Partei tun so, als wenn nichts gewesen wäre. Diese Haltung geht | |
nicht mehr. Wir müssen uns den Menschen nähern, uns wirklich interessieren | |
für sie.“ | |
Zurück zum Alter, zur Weisheit. Albert de Bretagne hat vier Stunden im | |
Zirkusrund ausgehalten, vier Stunden unter dem Slogan „Morgen ist die | |
Zukunft Europas die Linke.“ Jetzt steht der 91-Jährige noch immer, sich | |
Luft zufächelnd, im Schein der defekten Laterne. Sicherheitsmann ist er bei | |
Renault gewesen, er trägt einen blütenweißen Blouson, eine akkurat | |
gebundene Krawatte in himmelblau und kleine goldene Ohrringe. | |
De Bretagne hat in seinem Leben, das er fast immer in Paris zubrachte, | |
schon einiges an „politischen Zuständen“ erlebt. Er hat auch „immer für | |
links gestimmt“. Nur François Hollande, den habe er 2012 nicht wählen | |
können, „fausse gauche“ – für ihn die falsche, die Salon-Linke. | |
Nun rollt de Bretagne die weiße Fahne des PS zusammen, auf der eine | |
geballte Faust eine rote Rose hält. „Schöne Deko fürs Wohnzimmer“, sagt … | |
und geht, so aufrecht wie es ihm möglich ist, auf Krücken Richtung Metro. | |
„Aber ich frage mich schon: Warum beginnt die Zukunft der Linken erst | |
morgen? Warum fängt die nicht heute an?“ | |
## Auszug aus der ehemaligen Machtzentrale | |
Spurensuche auf 3.323 Quadrametern. Das Prachtpalais der Sozialisten, die | |
ehemalige Machtzentrale an der Rue de Solférino mitten in Paris hat für | |
45,55 Millionen Euro die Firma Apsys gekauft. Ein französisches | |
Unternehmen, das mehr als 30 Shoppingcenter in Polen und im Hexagon, wie | |
Frankreich auch genannt wird, lenkt und das jetzt einen Trupp Handwerker | |
schickt, damit auch alles zur „rentrée“, zum Ende der Sommerpause, schick | |
wird. | |
Lautes Gebohre darob und mittendrin Elisabeth Humbert-Dorfmüller, die hier | |
für die SPD Paris reserviert hat. | |
Über 4.000 Mitglieder sind weltweit in internationalen Gruppen der SPD | |
organisiert, in Paris sind sie 80 Leute. Humbert-Dorfmüller, 54, fester | |
Händedruck, dunkelrote Löwenmähne, verkörpert auf Anhieb ein Stück | |
Zugewandtheit, ein Stück nahbares, gut gelauntes Europa. Die | |
Unternehmensberaterin ist Französin, Griechin und Deutsche, Mitglied bei | |
PS, PASOK und SPD. | |
Vorher im Café Solférino, vorne am lärmigen Boulevard, hat sie, die die | |
internationale Vernetzung des PS mitbetreut und in einem Ortsverein nahe | |
Paris engagiert ist, gleich angemerkt, dass sie auch nicht wisse, „ob und | |
wie der PS überlebt. Das ist ein völliger Ausnahmezustand, den wünsche ich | |
noch nicht mal der CSU.“ | |
## Die „Uberisierung“ der Gesellschaft überwinden | |
Macron habe es durch seine usurpierende Art geschafft, die Volksparteien in | |
Frankreich zu spalten. „Und jetzt eiern wir rum, halten uns mit Gesinnungs- | |
und Postenfragen auf. Wo es doch um Gerechtigkeitsfragen geht, besonders um | |
soziale Gerechtigkeit.“ Die Suche nach klaren, engagierten Positionen sei | |
zentral – auch für die SPD. „Die Uberisierung der Gesellschaft“, so | |
Humbert-Dorfmüller, „ist in vollem Gange, herumdrücken geht nicht mehr“. | |
Braucht es mehr Protektionismus, ohne sich in Frankreich dem ihrer Meinung | |
nach „linksautoritären Mélenchon“ zu nähern? Mehr EU? „Ich weiß es ni… | |
sagt sie. Auf alle Fälle müsse die EU wieder politischer werden, „über die | |
Jahre ist sie ein wirtschaftsdominiertes Projekt geworden.“ | |
Zum Feierabend hat die SPD Paris Jo Leinen eingeladen, den | |
SPD-Europaabgeordneten und früheren saarländischen Umweltminister unter | |
Oskar Lafontaine. Die Frage lautet „Große Koalition – Chance für Europa?�… | |
In Anbetracht des laufenden Berliner Polittheater wäre wohl „Desaster für | |
Europa“ passender, aber die Einladung ging eben früh raus. | |
Humbert-Dorfmüller hängt schnell noch im PS-Palais einen Pfeil mit „SPD“ | |
auf – vis-à-vis der Ahnengalerie der Vorsitzenden in schwarzweiß. Hollande | |
lächelt auf seinem leicht schief hängenden Porträt leicht zu viel. Links | |
unter ihm in der Ecke ducken sich sperrige Pappmachébuchstaben: PS in | |
sozialistischem Rot. Schrammen und Kratzer haben sie, als hätte jemand | |
dagegengetreten. | |
## Das sinkende Schiff namens PS | |
Jo Leinen ist zu spät; Zeit fürs Besichtigen. Nur vereinzelt sitzen noch | |
ein paar Getreue in den schlicht möblierten Räumen. Der Getränkeautomat | |
funktioniert, Süßigkeiten sind bereits aus. Kontrolliert wird auch nicht | |
mehr am Eingang. | |
Das sinkende Schiff PS ist so ziemlich sich selbst überlassen. Abgeschleppt | |
wird die Partei in einen südlichen Pariser Vorort. Dort hat sie sich auf | |
einem Bruchteil der jetzigen Quadratmeter ab Herbst eingemietet. | |
Als der SPDler Leinen dann eintrifft, ist es wieder da. Dieses | |
Profipolitikermoment. Dieses Moment von vermeintlicher Zugewandtheit bei | |
maximalem Phrasenausstoß, die hier aber sämtlich politisch korrekt klingen. | |
Leinen steht im Kurzarmhemd vor einer Wand auf der Begriffe stehen wie | |
Solidarität, Gleichberechtigung, Ökologie und Gerechtigkeit. | |
Leinen ist 70, er ist Saarländer, er hat immer an Grenzen gelebt. Seit fast | |
20 Jahren ist er im EU-Parlament, er redet erkennbar gern und zeitweise | |
wirkt es so, als wenn Opa vom Frieden erzählt, der langsam zerfällt. Noch | |
nicht mal resigniert klingt es, eher geschäftsmäßig. Es werde jetzt „doch | |
eine Festung Europa, die wir nie wollten.“ Man müsse jetzt ein „viel | |
größeres Paket schnüren“. | |
## Früher war alles besser. Sogar Kohl | |
Was ist denn falsch gelaufen, Herr Leinen? Seit Kohl habe es keinen | |
Politiker mehr gegeben, der EU-Visonen hatte, erst jetzt wieder Macron. Für | |
Helmut Kohl hat Leinen viel übrig, denn Griechenland etwa „wäre anders mit | |
Kohl ausgegangen. Der hätte die entschuldet.“ | |
Schöne, alte, eindimensionale Welt. Für die neuen, mehrdimensionalen Welten | |
finden auch die Sozis keine Bilder, nicht der PS und nicht die SPD. | |
Und jetzt? Drohen Leinen zufolge bei den kommenden EU-Wahlen „viele | |
Splittergruppen, die Sand ins Getriebe streuen.“ Ob die „Bürgerkammer EU“ | |
da mehrheitsfähig bleibe, sei ungewiss. Seltsam ist, dass der SPDler von | |
der Bürgerkammer spricht, aber nur von der CDU als „bürgerlicher Partei“. | |
Was anderes ist die SPD, ist der PS als eine Bürgerpartei? | |
Zum Schluss der Soirée gibt es Rosé aus Plastikbechern; Jo Leinen ist dann | |
schon weg, per Zug über Brüssel zum DGB nach Berlin. | |
## Vom verhassten Präsidenten zum Bestseller-Star | |
Szenenwechsel, von der zweiten Reihe der SPD in die ehemalige erste Reihe | |
des PS. Ortstermin mit Ex-Staatspräsident François Hollande in Lisieux, | |
einer Kleinstadt in der Normandie. Es ist die 52. Etappe seiner Tour de | |
France durch Buchläden, Einkaufscenter und Sporthallen. | |
Dutzende warten geduldig vor der Buchhandlung „Les Grands Chemins“. | |
Hollandes „Les leçons du pouvoir“ (Die Lehren der Macht) ist mit über | |
90.000 Exemplaren ein unerwarteter Bestseller – so unpopulär wie der Mann | |
bereits Ende 2016 war, als er nicht mehr zur Wiederwahl antrat. | |
Geschenkt, vergessen und verziehen! Die rund 500 Fans, die an diesem heißen | |
Tag schmoren, sich vom „Ex“ eine persönliche Widmung und ein Foto mit ihm | |
holen – sie sind sich in einem Punkt einig: „Mit ihm war es immerhin noch | |
besser als jetzt mit Macron!“ Denn im Vergleich zu jenem Neoliberalen sei | |
Hollande doch wirklich ein Linker. | |
So schnell wird in Frankreich die Politik von der Nostalgie eingeholt. | |
## Keine Scham | |
Der Gelobte bedankt sich artig, entledigt sich seiner Anzugweste, fragt | |
nach Wohlergehen, persönlichen Sorgen und Wünschen. Und er gesteht, dass er | |
als Staatsoberhaupt den Menschen nie so nahe gestanden war: „Die Franzosen | |
und Französinnen meinen, dass man ihnen nicht zuhört. Aber der Präsident | |
hat einfach keine Gelegenheit dafür.“ Bon. | |
Er hat und nimmt sich jetzt Zeit, das ist Hollands neue Definition | |
sozialistischer Politik: Alles auf Anfang, ohne jede Scham für die eigene | |
Bilanz. | |
In seinem Buch erklärt er wortreich, dass für seine Misserfolge nur die | |
linkssozialistischen Heckenschützen des PS verantwortlich seien, die | |
„frondeurs“. Er habe sich im Interesse der politischen Linken mit seinem | |
Kandidaturverzicht damals ja nur „aufgeopfert“. So kann man sich Misserfolg | |
auch zurechtbiegen. | |
Dem Sozialismus, davon ist der 63-Jährige überzeugt, gehört die Zukunft. | |
Doch die kleidet er nur in rhetorische Fragen – Vorschläge, Visionen? | |
Fehlanzeige. „Sind die sozialistischen Grundwerte“, fragt er, „von | |
Solidarität und kollektiver Aktion noch eine geeignete Antwort auf die | |
Globalisierungsunordnung? Oder sind sie entwertet durch den Liberalismus, | |
der Eliten inspiriert, aber Widerstände auslöst, die von Extremisten | |
benutzt werden?“ | |
## Nur Geduld – sagt die Satirezeitschrift | |
Hollande findet tatsächlich, dass er der „kleinen Elite der Finanz und | |
ihrer Bereicherung“ Widerstand geleistet hat. Die Frage eines Comebacks | |
lässt er vor seinen Fans in diesem normannischen Buchladen offen. | |
Hollande hat seine Partei nicht nur zerschlagen und desorientiert, sondern | |
auch ohne eigentliche Führung hinterlassen. „Ich kandidiere für keinen | |
Posten, aber wenn ich etwas zu sagen habe, dann sage ich das direkt“, gibt | |
er vor seiner geneigten Zuhörerschaft zu Protokoll. „Mein neuer | |
Lebensabschnitt lässt mir die Freiheit, mit innigster Überzeugung zu | |
verteidigen, was ich glaube“ – so liest sich das Schlusswort seines Buchs, | |
wohl nicht aber seiner politischen Laufbahn. | |
Die französische Satirezeitung Le Canard enchaîné amüsierte sich dieser | |
Tage denn auch über die Bräsigkeit Hollandes – und über die langsam | |
mahlenden Mühlen der Rumpfpartei PS. Unter dem Titel „Ist noch nicht | |
Schluss mit Links?“ rief sie zu augenzwinkernder Geduld auf: „Es gibt einen | |
PS, er wird sich erholen.“ | |
Bei der SPD-Zentrale in Berlin-Kreuzberg haben sie schon vor Wochen die | |
Parteiflagge eingeholt. Jetzt flattert dort auf dem Dach die Fahne Europas. | |
Der Wind dreht dieser Tage oft. | |
17 Jul 2018 | |
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Rudolf Balmer | |
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