# taz.de -- Sondervermögen für die Bundeswehr: Teurer Aktionismus | |
> Die Probleme der Bundeswehr sind vor allem systemischer Natur. Milliarden | |
> hineinzupumpen, ohne Grundlegendes zu ändern, ist Verschwendung. | |
Bild: Sprungübung mit Fallschirm im Baden-Württembergischen Althausen | |
Der Bundestag wird am Freitag die größte jemals getätigte Ausgabenerhöhung | |
für die Bundeswehr beschließen. 100 Milliarden Euro sollen in den nächsten | |
fünf Jahren vor allem in [1][Aufrüstung] fließen: Kampfflugzeuge, | |
Kampfpanzer, Mehrzweckkampfboote. Eine gigantische Summe, die in erster | |
Linie von politischem Aktionismus zeugt. | |
Es waren ja nicht die Verteidigungspolitiker:innen, die nach | |
sorgfältiger Bedarfsanalyse eine Einkaufsliste vorgelegt haben, die sich | |
zufällig auf 100 Milliarden Euro beläuft. Das ist eine politische Summe, | |
die Bundeskanzler Olaf Scholz drei Tage nach dem russischen Überfall auf | |
die Ukraine im Bundestag mit der Botschaft verkündete: Wir handeln jetzt, | |
nimm Dich in acht, Putin. | |
Aber rasches Handeln ist kein Selbstzweck. Keine Frage, es musste etwas | |
passieren. Angesichts eines hochgerüsteten Russlands mit imperialen | |
Großmachtfantasien sind Landes- und Bündnisverteidigung seit dem 24. | |
Februar keine abstrakten Begriffe mehr, sondern bittere Notwendigkeit. Und | |
ja, die [2][Bundeswehr] ist in einem schlechten Zustand. | |
Schimmelige Kasernen, Soldat*innen, die sich ihre Schutzwesten privat | |
kaufen, Panzer, die nicht fahren. Aber das ist nicht in erster Linie das | |
Resultat einer „kaputt gesparten“ Bundeswehr. Der Rüstungsetat ist seit | |
2014 kontinuierlich gestiegen und beträgt derzeit 50,3 Milliarden Euro. | |
Damit könnte man übrigens alle Schulen in Deutschland top sanieren. | |
Die Probleme bei der Bundeswehr sind systemischer und nicht fiskalischer | |
Natur. Ein verfilztes [3][Beschaffungswesen], das dafür sorgt, dass | |
zwischen Bestellung und Lieferung eines ballistischen Schutzhelms zehn | |
Jahre vergehen. Eine Bestellpolitik, die vor allem die heimische | |
Rüstungsindustrie pampert und nicht darauf schaut, was in Kooperation mit | |
den europäischen Partner*innen nötig und sinnvoll wäre. | |
Wenn deutsche Soldat*innen mit Funkgeräten hantieren, die außer ihnen | |
niemand nutzt, dann ist das vor allem Ausdruck von Geldverschwendung. Eine | |
Greenpeace-Studie hat jüngst berechnet, das aufgrund der ineffizienten | |
Strukturen bis zu 35 Milliarden Euro des Sondervermögens sinnlos | |
verplempert werden könnten. | |
## Das Beschaffungswesen durchlüften | |
Bevor man also weitere Milliarden in fragwürdige Kanäle pumpt, sollten | |
diese erst mal durchlüftet werden. Eine Reform des Beschaffungswesens wäre | |
vor der Grundgesetzänderung nötig gewesen. Denn, mal ehrlich: So sehr eilt | |
es nun auch nicht. Bis die aus dem Sondertopf beschafften F-35-Jets fliegen | |
und die ersten Schiffe schwimmen, werden Jahre vergehen. | |
Zwei Dinge sind nun entscheidend: Erstens eine tatsächliche Revision der | |
Beschaffungsstrukturen in der Bundeswehr. Und zweitens eine Strategie, wie | |
man aus dieser in Gang gesetzten Aufrüstungsspirale irgend wann wieder | |
heraus kommt. Abrüstungsverträge und Rüstungskontrolle sind angesichts | |
einer waffenstarrenden Welt nötiger denn je. | |
2 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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