# taz.de -- Grüner über Sondervermögen und Bürgergeld: „Brauchen eine ehr… | |
> Wolfgang Strengmann-Kuhn, Grüne, sieht Verteilungsdebatten mit der FDP | |
> kommen. Neben den Militärausgaben muss Geld für Soziales da sein. | |
Bild: Die Ausgaben für Soziales sind nicht „nice to have“, sondern Notwend… | |
taz: Herr Strengmann-Kuhn, der Bundestag hat die Schuldenaufnahme für ein | |
[1][sogenanntes Sondervermögen] in Höhe von 100 Milliarden Euro bewilligt, | |
um die Militärausgaben in den kommenden Jahren zu stemmen. Sind entgegen | |
anders lautender Beteuerungen durch solche Ausgaben soziale Reformen | |
gefährdet? | |
Wolfgang Strengmann-Kuhn: Es ist eine sinnvolle Idee, notwendige | |
zusätzliche Maßnahmen für die Verteidigung aus einem Sonderschuldentopf zu | |
stemmen und nicht aus dem Bundeshaushalt. Ich habe dennoch gegen das | |
Sondervermögen gestimmt, aus mehreren Gründen. Einer der Gründe ist, dass | |
wichtige Ausgaben für die Verteidigung, etwa für die Cybersicherheit, gar | |
nicht [2][im Sondervermögen] enthalten sind. Diese milliardenteuren | |
Ausgaben müssen aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden, und das schränkt den | |
Spielraum für andere Projekte, auch für die Armutsbekämpfung ein. | |
Dieses Sondervermögen, das ja eigentlich Sonderschulden von 100 Milliarden | |
Euro sind, kostet Zinsen. Außerdem muss es laut Gesetz spätestens ab 2031 | |
zurückgezahlt werden. Kommt das dicke Ende in einigen Jahren? | |
Das Sondervermögen muss irgendwann getilgt werden, entweder das geht dann | |
zu Lasten des Bundeshaushalts oder durch neue Schulden, um die Schulden zu | |
tilgen. Die Zinskosten sind derzeit kein Problem, da die Zinsen sehr | |
niedrig sind. Aber wie hoch die Zinsen in zehn Jahren sind, wissen wir | |
nicht. Irgendwann kann die Finanzierung des Sondervermögens zu Lasten von | |
anderen Dingen gehen, aber dieser Zeitpunkt ist durch die | |
Schuldenfinanzierung eben sehr weit nach hinten geschoben. | |
Die Ampelkoalition hat zuletzt milliardenteure Entlastungspakete | |
verabschiedet. Gibt es da überhaupt noch Spielraum für kommende soziale | |
Reformen? Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat angekündigt, die | |
Hartz-IV-Regelsätze, die dann Bürgergeld heißen, ab Januar 2023 um 10 | |
Prozent erhöhen zu wollen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat das | |
schon abgelehnt, er will an der Schuldenbremse festhalten und keine Steuern | |
erhöhen. | |
Eine Ausweitung der Leistungen in der Grundsicherung ist sinnvoll und | |
notwendig. Wir Grünen haben schon im Wahlprogramm eine Erhöhung der | |
Regelsätze in der Grundsicherung als ersten Schritt um 50 Euro im Monat | |
gefordert, was jetzt auch Hubertus Heil ankündigt. Mit der FDP brauchen wir | |
angesichts der gestiegenen Herausforderungen eine ehrliche Debatte zur | |
Finanzsituation: Dazu gehört die Schuldenbremse, aber wir müssen auch über | |
zusätzliche Einnahmen und den Abbau umweltschädlicher Subventionen reden. | |
Die FDP will die Sozialausgaben begrenzen, Finanzminister Lindner mahnte | |
für das kommende Jahr zur Ausgabendisziplin. | |
Ungeachtet des Sondervermögens haben wir in diesem Jahr im Bundeshaushalt | |
100 Milliarden Euro mehr an Ausgaben als normalerweise. Wenn wir im | |
nächsten Jahr zur Schuldenbremse zurückkehren, so wie der Finanzminister | |
das möchte, dann müssten wir also mindestens 100 Milliarden Euro an | |
Ausgaben wieder reduzieren. Ich wüsste aber nicht, wie das gehen sollte. | |
Die Ausgaben für Soziales sind nicht „nice to have“, sondern | |
Notwendigkeiten, sonst fliegt uns die Gesellschaft um die Ohren, weil wir | |
den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht hinkriegen. | |
Eine neue sogenannte Übergewinnsteuer zur Finanzierung der öffentlichen | |
Aufgaben ist im Gespräch. Wird es künftig auch wieder Debatten um höhere | |
Steuern auf Vermögen und Erbschaften geben? Das Wirtschaftsinstitut DIW | |
sieht durch Reformen bei der Erbschaftsteuer, bei der steuerlichen | |
Belastung von Immobilienverkäufen und sehr hohen Vermögen | |
Einnahmemöglichkeiten von über 20 Milliarden Euro im Jahr für die | |
öffentlichen Haushalte. | |
Eine Übergewinnsteuer könnte ein Baustein sein. Zudem sind hohe Einkommen | |
und Vermögen, insbesondere das reichste eine Prozent der Bevölkerung in | |
Deutschland, relativ wenig belastet durch Steuern und Sozialabgaben. Da | |
ist noch Luft nach oben. Um die Herausforderungen zu meistern, müssen die | |
Finanzspielräume erweitert werden. | |
10 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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