# taz.de -- Mehr Geld für die Bundeswehr: Aus der Reserve gelockt | |
> Kanzler Scholz hat seine Mehrheit für das Sondervermögen | |
> zusammenbekommen. Aber in die alte Rolle des Zauderers kann er schnell | |
> wieder zurückfallen. | |
Bild: Kanzler Scholz bei der Stimmabgabe für die Grundgesetzänderung zum Sond… | |
Für Bundeskanzler Olaf Scholz ist die Woche doch noch gut zu Ende gegangen | |
– und das hat viel mit Friedrich Merz zu tun. Der Bundestag hat am Freitag | |
mit den Stimmen der Ampel und der Union das Grundgesetz [1][um das | |
100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr erweitert], das ja kein | |
Vermögen, sondern die Erlaubnis zum Schuldenmachen ist. Damit hat Scholz | |
eines der zentralen Versprechen aus seiner „Zeitenwende-Rede“, die er kurz | |
nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Bundestag hielt, eingelöst. | |
Dem Kanzler dürften mehrere Steine vom Herzen gefallen sein. Ein Scheitern | |
des Sondervermögens – wie im Fall der von Scholz ebenfalls unterstützten | |
Impfpflicht – hätten der Ampel einen schweren Schlag versetzt; und es | |
bleibt offen, ob sie sich davon überhaupt erholt hätte. Dass Merz nun vor | |
Selbstbewusstsein strotzend im Bundestag nicht ganz wahrheitsgemäß | |
verkündete, die Bundesregierung sei auf alle Forderungen der Union | |
eingegangen, und nur deshalb habe diese zugestimmt, dürfte da das kleinere | |
Übel sein. Eher handelt es sich um eine Win-Win-Situation (was nicht für | |
die Grünen gilt, aber von denen soll hier nicht die Rede sein). | |
Eine Win-Win-Situation gab es auch bei der Generaldebatte im Bundestag, bei | |
der der Kanzler Merz einen bemerkenswerten Auftritt zu verdanken hat – | |
zumindest teilweise. Der Oppositionsführer, der traditionell die | |
Generaldebatte in der Haushaltswoche eröffnet, [2][lockte Scholz mit | |
Vorwürfen, Unterstellungen und Fragen zum Ukrainekrieg aus der Reserve]. | |
Der ließ sein Redemanuskript erst einmal liegen, sprach klarer als sonst – | |
und sogar mit Leidenschaft. | |
Als er dann noch von Munition bis Sprengmaterial herunterratterte, was | |
Deutschland der Ukraine bereits alles geliefert habe, auf versprochene | |
Haubitzen und Geparde sowie Panzer im Ringtausch verwies und zudem | |
ankündigte, nun käme noch das Flugabwehrsystem Iris-T und ein hochmodernes | |
Ortungsradar dazu, da schien das Image des Zögerns und Bremsens – für das | |
der Kanzler seit Wochen in der Kritik steht – von diesem abzufallen. Zumal | |
die jetzt angekündigten Waffen aus Sicht von Experten hochmodern sind und | |
das, was die Ukraine derzeit nötig braucht. | |
War die Rede also ein Befreiungsschlag für Scholz? Das ist offen. Die | |
Bundesregierung muss die Versprechen erst einmal umsetzen. Scholz sagte ja | |
nicht, wann all das schwere Gerät geliefert werden soll, was nach Angaben | |
der Außenministerin Monate dauern kann. Man kann es auch so sehen: Der | |
Kanzler ist mit den neuen Versprechen über die alten – bislang | |
uneingelösten – hinweggegangen. In der Ukraine sind bisher weder Geparde | |
noch Marder noch Panzerhaubitzen angekommen. Schnell kann Scholz also | |
wieder als Zauderer und Bremser dastehen, als einer, der nur auf Druck | |
reagiert – und damit immer zu spät. | |
Wobei es durchaus gute Gründe dafür gibt, dass der Kanzler sorgsam abwägt. | |
Die berechtigte Sorge, der Krieg könne sich ausweiten, gehört ebenso dazu | |
wie die drängende Frage, wie es überhaupt einen Weg heraus geben kann. Und | |
dass in der SPD grundsätzliche Bedenken gegen die Lieferung schwerer Waffen | |
weit verbreitet sind, das spielt natürlich auch eine Rolle. | |
## Bedarf an Erklärung | |
Es wäre – zumindest innenpolitisch – schon etwas geholfen, wenn Scholz all | |
das erklären würde. Aber er lässt die Bevölkerung nicht an seinen | |
Überlegungen und Abwägungen teilhaben. Zwar gibt er inzwischen mehr | |
Interviews, doch darin bleibt er oft so nebulös, dass man nachher nicht | |
schlauer als vorher ist. | |
Nun hat nicht jeder [3][das Talent eines Robert Habeck] zur lustvollen | |
Kommunikation, doch schon die positive Resonanz auf Scholz’ Rede im | |
Bundestag zeigt, wie groß in dieser Zeit potenzierter Krisen der Bedarf an | |
Erklärung durch den Kanzler ist. Steuert Scholz hier nicht um, dürfte er | |
weiter an Zustimmung verlieren. | |
Außenpolitisch aber helfen alle Erklärungen nicht. Der ukrainische | |
Außenminister sagte jüngst, man habe es satt, auf Deutschland zu warten. | |
Entscheidend ist, dass die Bundesregierung jetzt das zugesagte schwere | |
Gerät auch liefert. Oder, wie die Außenministerin es nennt: „Das Zeug muss | |
ankommen.“ Bis dahin wird Unionsfraktionschef Merz noch einige Gelegenheit | |
haben, den Kanzler zu piesacken. Es wird nicht immer eine Win-Win-Situation | |
sein. | |
3 Jun 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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