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# taz.de -- Kanzler Scholz in Litauen: Viel Harmonie in Vilnius
> Bei seinem Litauen-Besuch kündigt Olaf Scholz an, mehr Truppen in dem
> Land zu stationieren. Lob erntet der Kanzler auch für ein anderes
> Vorhaben.
Bild: Stippvisite bei der Truppe: Kanzler Scholz mit Litauens Präsident Naused…
Vilnius taz | Olaf Scholz will jetzt erst mal „eine Reihe nicht ganz
richtiger Behauptungen“ zurechtrücken. Berlin liefere nämlich so viele
Waffen an die Ukraine wie kaum ein anderes Land, von Mörsern bis zu
hochmodernen Haubitzen. Was die [1][Lieferung von alten Leopard-Panzern aus
Spanien angeht], kann der Kanzler nicht viel sagen. Es liege ihm kein
Antrag aus Spanien vor. Er trägt dieses Plädoyer schwungvoll im
Präsidentenpalast in Vilnius vor. Neben ihm steht mit unbewegtem Antlitz
der litauische Präsident Gitanas Nausėda.
Seit dem Krigesbeginn am 24. Februar ist die Reise nach Litauen Scholz’
erster Besuch in einem Nato-Land, das an Russland grenzt – und in dem sich
die Ängste vor einem russischen Angriff mit historischen Erfahrungen mit
dem russischen Imperialismus verknüpfen. Dass Scholz nach Litauen kommt,
ist naheliegend. Hier sind knapp 1.000 Bundeswehrsoldaten, zwei Drittel des
gesamten Nato-Kommandos, stationiert. Die rotierende Kampftruppe „Forward
Presence Battle Group“ steht unter deutschem Kommando.
Zudem ähnelt Präsident Nausėdas’ politischer Stil Scholz’. Er formuliert
meist bedächtig, zieht aber am Dienstagmittag als Erstes harte Linien klar.
Weil man einen „terroristischen Staat“ wie Russland „nicht beschwichtigen…
solle, hält er auch von Gesprächen mit Putin, wie sie Scholz und Macron
führen, nicht viel. Nausėda aber garniert solche Aussagen mit dem
Bekenntnis, Litauen sei vor allem „dankbar für die deutschen Truppen“.
Die Pressekonferenz von Scholz und den StaatschefInnen der baltischen
Staaten findet im klassizistischen Präsidentenpalast in Vilnius statt. Der
war im 19. Jahrhundert Sitz des russischen Generalgouverneurs. Jetzt
residiert hier Nausėda. Litauen hat eine Vergangenheit als Teil des
russischen Imperiums – und eine Zukunft im Westen.
Verhältnis positiver als erwartet
Das spiegeln auch die westlich geprägten Biografien der politischen Elite.
Nausėda hat in Mannheim studiert und spricht fließend Deutsch. Kaja Kallas,
Ministerpräsidentin in Estland, ist die Tochter eines EU-Kommissars, der
lettische Ministerpräsident Krišjānis Kariņš hat lange in den USA gelebt
und hat die US-Staatsangehörigkeit. Scholz hat gerade die größte Hürde
seiner bisherigen Kanzlerschaft genommen: das 100-Milliarden-Euro-Paket für
die Bundeswehr. Wäre es gescheitert, wäre die von ihm verkündete
Zeitenwende Asche gewesen. In Vilnius verkündet er vollmundig, dass die
Bundeswehr damit „die größte konventionelle Armee in Europa in den Reihen
der Nato wird“.
Das beeindruckt auch Kaja Kallas, die sonst manchmal zu scharfer Kritik an
Berlin neigt. Kallas dankt dem Kanzler für die „historische Entscheidung,
die Militärausgaben zu erhöhen“. Und: „Olaf, ich freue mich sehr über die
Entscheidung, Luftabwehrwaffen an die Ukraine zu liefern.“
Die Versuche einiger baltischer Journalisten, ihre Politiker gegen die in
Osteuropa oft kritisierte Zögerlichkeit Scholz’ bei Waffenlieferungen in
Stellung zu bringen, fruchten nicht. Nausėda betont, dass per Ringtausch
auch schwere Waffen in die Ukraine geliefert werden. Jeder Nato-Staat
spiele „dabei seine Rolle“, so die wohltemperierte Formulierung. Das
Verhältnis der baltischen Länder zu Deutschland ist positiver, als einige
scharfe Kritik mitunter vermuten lässt. Es ist ja ein kompliziertes
Unterfangen, dauernd jenen Staat scharf zu kritisieren, von dem man mehr
militärische Unterstützung möchte.
Kopfzerbrechen bereitet den Litauern der [2][Suwalki-Korridor.] Dieser nur
60 Kilometer breite Streifen ist die Grenze zu Polen. Falls russische
Truppen diesen Korridor absperren würden, hätte Litauen keine
Landverbindung mit der Nato mehr. Die Nato will im Baltikum militärisch
mehr tun. Die Entscheidung soll Ende Juni auf dem Nato-Gipfel in Madrid
fallen.
Als Außenministerin Annalena Baerbock im April in Vilnius war, forderte der
forsche litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis 4.000
Nato-Soldaten. Zu viel, fand Berlin.
Nun gibt es einen Kompromiss. In einer gemeinsamen Erklärung von Scholz und
Nausėda heißt es nun, dass Deutschland zusätzlich „eine robuste und
kampfbereite Brigade in Litauen führen“ will. Die Brigade soll aus
deutschen Kampftruppen bestehen, „die schnell verlegt und eingesetzt
werden“ können.
Insgesamt 3.000 Kampfsoldaten
Etwas heikel ist hingegen der Status der Truppen. Denn laut
Nato-Russland-Akte sind dauerhafte Stationierungen von Kampftruppen in
Polen und den baltischen Staaten verboten. Scholz will verhindern, dass der
Westen die [3][Nato-Russland-Akte] offensichtlich verletzt – um Russland
keinen Vorwand für Angriffe jeder Art auf den Westen zu liefern. Dem
Kanzler zufolge bedeutet die anvisierte Aufstockung keine Verletzung der
Nato-Russland-Grundakte. Denn insgesamt sollen künftig 3.000 Kampfsoldaten
zwischen Deutschland und Litauen rotieren, 1.500 hier, 1.500 dort – also
wären diese formal nicht dauerhaft stationiert.
Scholz präzisiert in Vilnius auch die Ziele des Westens, ohne die müßige
Debatte zu befeuern, ob die Ukraine nur nicht verlieren oder siegen müsse.
Putin sei schon jetzt an der Einigkeit des Westens gescheitert. Er führe
[4][einen brutalen Krieg im Donbass], „um irgendwas zu erreichen“. Eine
Aufhebung der Sanktionen werde es aber nur geben, wenn Russland alle
Truppen zurückziehe und die Ukraine der Aufhebung von Sanktionen zustimme.
Das ist, wenn man recht versteht, Scholz’ Kriegsziel.
7 Jun 2022
## LINKS
[1] /Waffenlieferungen-an-die-Ukraine/!5859127
[2] /Litauen-fuerchtet-russischen-Angriff/!5841692
[3] https://www.nato.int/nato_static/assets/pdf/pdf_2014_04/20140523_140411-fac…
[4] /Evakuierungen-in-der-Ostukraine/!5856603
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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