# taz.de -- Spannungen zwischen Litauen und Russland: Die angebliche Blockade | |
> Bestimmte Güter dürfen nicht mehr über Litauen in die Exklave Kaliningrad | |
> transportiert werden. Russland droht mit Konsequenzen. | |
Bild: Stillstehende Züge in der Region Kaliningrad. Der Güterausfall soll 40 … | |
BRÜSSEL/BERLIN taz | Wieder einmal haben die Spannungen zwischen Litauen | |
und Russland einen neuen Höhepunkt erreicht. Es geht um die r[1][ussische | |
Exklave Kaliningrad]. Am Samstag hat Litauen den Transitverkehr für einen | |
großen Teil russischer Frachttransporte gesperrt. Vorwürfe von russischer | |
Seite, dass es sich dabei um eine „Blockade“ handele, wies Litauen zurück. | |
Mit dem Stopp setze es lediglich EU-Sanktionen um, so die Regierung. | |
Drei Tage später, am Dienstagmorgen, wurde der EU-Botschafter in Moskau, | |
Markus Ederer, ins russische Außenministerium einbestellt. Man habe ihm | |
„entschiedenen Protest wegen der einseitigen antirussischen Beschränkungen | |
des Gütertransits zwischen dem Gebiet Kaliningrad und dem Rest der | |
Russischen Föderation erklärt“, so das Außenministerium. | |
Derartige Aktionen seien unzulässig, verstießen gegen die rechtlichen und | |
politischen Verpflichtungen der Europäischen Union und hätten eine | |
Eskalation der Spannungen zur Folge. Sollte Litauen nicht unverzüglich | |
einen normalen Transit ermöglichen, werde man Vergeltungsmaßnahmen | |
ergreifen. | |
Und Putins Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Entscheidung Litauens als | |
„beispiellos und illegal“. Für Andrei Klischas, Mitglied des Russischen | |
Föderationsrats, sind nun die Voraussetzungen „für harte und absolut | |
gerechte Maßnahmen“ von Russland erfüllt. Für ihn sei die faktische | |
Blockade durch Litauen eine Verletzung der Souveränität Russlands, so | |
Klischas auf Telegram. In einem weiteren Post betont er, dass sich Litauen | |
in den letzten Jahren nie als unabhängiger Staat etabliert habe. | |
Harte wirtschaftliche Maßnahmen gegen Litauen fordert auch der Pressedienst | |
der russischen Liberaldemokratischen Partei. Man müsse litauischen | |
Lastwagen einen Aufenthalt auf russischem Gebiet verbieten. Außerdem könne | |
man Litauen, das aus technischen Gründen nach wie vor in einem gemeinsamen | |
Stromnetz mit Russland, Belarus und den baltischen Staaten verbunden ist, | |
den Strom abknipsen. | |
## Litauen bestreitet Blockade | |
Die litauische Regierung bestreitet, das Gebiet Kaliningrad zu blockieren. | |
Man setze lediglich die [2][EU-Sanktionen] um. Am 17. Juni seien die | |
Maßnahmen des vierten Sanktionspakets in Kraft getreten, so die litauische | |
Regierung. Und diese sähen nun mal Restriktionen für die Einfuhr und den | |
Transit von russischen Stahl- und anderen Eisenmetallprodukten in die EU | |
vor. Litauen wende die restriktiven Maßnahmen der EU im Einklang mit dem | |
EU-Recht und in Absprache mit der Europäischen Kommission an. | |
Auch die Ukraine unterstützt Litauen. „Die Russische Föderation hat kein | |
Recht, Litauen zu bedrohen. Moskau hat sich die Folgen der unprovozierten | |
und ungerechtfertigten Invasion in die Ukraine selbst zuzuschreiben. Wir | |
begrüßen die prinzipielle Haltung Litauens und unterstützen unsere | |
litauischen Freunde nachdrücklich“, schrieb Außenminister Kuleba auf | |
[3][Twitter]. | |
Für das Gebiet Kaliningrad sind diese Transporteinschränkungen deutlich | |
spürbar. Das Volumen der Lieferungen in das Gebiet könnte nun um das | |
Vierfache sinken, zitiert das Nachrichtenportal RIA Novosti den ehemaligen | |
Vizepräsidenten der Kaliningrader Industrie- und Handelskammer, Dmitri | |
Chemakin. Der Gouverneur der Region Kaliningrad, Anton Alichanow, geht laut | |
RIA Novosti, von einem Ausfall von 40 bis 50 Prozent der zu | |
transportierenden Güter aus. Dabei dürfte es sich vor allem um auf der | |
EU-Sanktionsliste stehende Güter wie Kohle, Metalle und Baumaterialien | |
handeln. | |
Die EU hat sich im Streit über russische Warenlieferungen nach Kaliningrad | |
hinter Litauen gestellt. Die Maßnahmen seien von den im Juni erlassenen | |
Sanktionen gedeckt, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Dienstag in | |
Brüssel. Dabei gehe es nicht nur um den Export aus Russland, sondern auch | |
um den Transit durch ein EU-Land. „Litauen macht es genau so, wie man es | |
machen muss“, betonte der Chefsprecher von Kommissionspräsidentin Ursula | |
von der Leyen. | |
Genau daran waren zunächst Zweifel aufgekommen. Noch am Montagabend hatte | |
der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärt, er wolle noch einmal | |
gegenchecken, ob Litauen sich an die Richtlinien der Kommission halte. | |
Zugleich betonte er, dass es nicht um eine „Blockade“ gehe, wie Moskau | |
behauptet. Das sei „reine Propaganda“, so Borrell. Der Transit von | |
Passagieren und Gütern nach Kaliningrad gehe normal weiter, betroffen seien | |
nur sanktionierte Waren. | |
Zur letztlich entscheidenden Frage, ob Litauen und die EU mit ihrem | |
Verhalten zu einer Eskalation um Kaliningrad beitragen, wollte sich niemand | |
in Brüssel äußern. Alle verstecken sich hinter den gemeinsam beschlossenen | |
Sanktionen und der EU-Kommission. Ein vorsichtiges Signal der Entspannung | |
kam aber vom EU-Botschafter in Moskau, Markus Ederer. Der deutsche Diplomat | |
rief die russische Regierung dazu auf, den Streit mit diplomatischen | |
Mitteln zu lösen. | |
21 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Litauen-fuerchtet-russischen-Angriff/!5841692 | |
[2] /Wirtschaftssanktionen-gegen-Russland/!5852135 | |
[3] https://twitter.com/DmytroKuleba/status/1538840467349065728 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
Eric Bonse | |
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