| # taz.de -- SPD und Demokratiefördergesetz: Geld gegen rechts | |
| > Diese Woche will die Regierung ein Paket gegen Rechtsextremismus | |
| > vorlegen. Die SPD kämpft für ein Demokratiefördergesetz. | |
| Bild: Kein Einzelfall: Trauer nach dem Attentat in Hanau | |
| Die Bundesregierung plant einen großen Wurf, eine starke Antwort auf den | |
| zuletzt erstarkten Hass. Am Mittwoch will der Kabinettsausschusses zur | |
| Bekämpfung des Rechtsextremismus einen Maßnahmenkatalog vorlegen. Kurz vor | |
| knapp kämpfen nun SPD und Teile der Zivilgesellschaft dafür, dass ein | |
| bereits beerdigtes Projekt doch noch in dieses Paket kommt: [1][ein | |
| Demokratiefördergesetz]. | |
| Der Kabinettsausschuss war im März, nach dem rechtsterroristischen Attentat | |
| von Hanau mit zehn Toten, gegründet worden. Für den Maßnahmenkatalog hatten | |
| sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und | |
| Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits im Oktober auf Kernpunkte | |
| geeinigt: Ein Bundesbeauftragter gegen Rassismus soll ab 2022 eingesetzt | |
| werden, der Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz raus, der Verfassungsschutz | |
| bekommt mehr Befugnisse, [2][zwei Studien] sollen Rassismus in der | |
| Gesellschaft und den Arbeitsalltag der Polizei beleuchten. | |
| Die SPD aber hatte eigentlich auch auf ein Demokratiefördergesetz gepocht, | |
| das Projekte gegen Extremismus dauerhaft absichern würde. Bisher müssen | |
| Intitiativen wie die Amedeu-Antonio Stiftung oder Aktion Sühnezeichen alle | |
| vier Jahre neue Konzepte einreichen, um eine Bundesförderung zu erhalten – | |
| eine wiederkehrende Zitterpartie. Die Projektträger fordern deshalb seit | |
| Jahren das Gesetz. Die SPD schloss sich an, allen voran Familienministerin | |
| Franziska Giffey. | |
| Merkel und Seehofer aber lehnten ein Demokratiefördergesetz ab. In der | |
| internen Einigung vom Oktober heißt es zwar, die bisherigen | |
| Demokratieprojekte seien „langfristig abzusichern“. Dafür schaffe man | |
| „verlässliche Rahmenbedingungen“. Aber: „Einer gesetzlichen Grundlage | |
| bedarf es hierfür nicht.“ | |
| ## SPD macht nochmal Druck | |
| Nun will die SPD, kurz vor der Ausschusssitzung, das Paket nochmal | |
| aufschnüren. Schon nach der Absage im Oktober hatte Giffey bekräftigt, | |
| weiter für das Demokratiefördergesetz einzutreten. Auch Justizministerin | |
| Christine Lambrecht (SPD) sprach sich weiter dafür aus. Nun macht auch | |
| SPD-Chefin Saskia Esken nochmal Druck. | |
| „Wir erleben gerade wie Rechtsextreme unsere Demokratie offen angreifen. | |
| Vor diesem Hintergrund ist die Blockade der Union beim | |
| Demokratiefördergesetz nicht nur unverständlich, sondern gefährlich“, sagte | |
| Esken der taz. Man dürfe die Menschen, die täglich die Demokratie | |
| verteidigten, nicht allein lassen. „Diese Initiativen leisten eine wichtige | |
| Arbeit und verdienen deshalb eine dauerhafte Finanzierung. CDU und CSU | |
| müssen ihre Haltung überdenken – wir müssen den Feinden der Demokratie | |
| entschlossen entgegentreten.“ | |
| ## Stärkung von Demokratieinitiativen wichtig | |
| Auch die SPD-Fraktion im Bundestag besteht auf das Gesetz, forderte dieses | |
| erst am Freitag in einer Aktuellen Stunde im Parlament ein. | |
| SPD-Vizefraktionschef Dirk Wiese verwies auch darauf, wie Rechtsextreme und | |
| Verschwörungsideologen gerade versuchten, die Demokratie „zu zerstören“. | |
| Die Stärkung von Demokratieinitiativen sei deshalb wichtig. „Die | |
| Abwehrhaltung gegen deren verstetigte Finanzierung über ein | |
| Demokratiefördergesetz ist gerade vor dem Hintergrund der aktuellen | |
| Ereignisse nicht nachvollziehbar“, kritisiert Wiese. | |
| Die Union jedoch sperrt sich. Ein Gesetz würde tief ins Budgetrecht des | |
| Bundestags eingreifen, heißt es dort. Es müsse möglich bleiben, einzelne | |
| Projekte auch nicht weiter zu fördern. Zudem habe man die Gelder für die | |
| Projekte in den vergangenen Jahren bereits von 40 auf 115 Millionen Euro | |
| erhöht. | |
| ## Abstimmungsprozess noch nicht zu Ende | |
| In Seehofers Innenministerium verwies man bis zuletzt auf die Vereinbarung | |
| mit Scholz und Merkel: Diese habe Bestand. Aktuell gibt man sich im | |
| Innenministerium zurückhaltender. Aufgrund der andauernden | |
| Abstimmungsprozesse äußere man sich nicht zu einzelnen Verhandlungspunkten, | |
| erklärte ein Sprecher. | |
| Ein Sprecher von Giffey betont: „Der ressortübergreifende | |
| Abstimmungsprozess ist noch nicht abgeschlossen.“ Das Familienministerium | |
| bemühe sich weiterhin, die Zeit bis zum Abschluss der Arbeiten des | |
| Kabinettsausschusses zu nutzen, um beim Demokratiefördergesetz doch noch | |
| weiterzukommen. | |
| ## Brief von 60 Projektträgern | |
| Auch mehrere Demokratie-Initiativen versuchen noch, die Union umzustimmen. | |
| Erst vor wenigen Tagen schickten mehr als 60 Projektträger einen Brief an | |
| die Bundesregierung, welcher der taz vorliegt. Das Engagement für | |
| demokratische Kultur werde „seit Jahren angegriffen wie nie zuvor“, heißt | |
| es darin. Eine kritische Zivilgesellschaft gesetzlich zu schützen sei in | |
| dieser Situation „wichtiger denn je für unsere liberale und offene, | |
| demokratische Gesellschaft“. | |
| Den Status Quo schildern die Initiativen – darunter die Amadeu Antonio | |
| Stiftung, die Türkische Gemeinde, Aktion Sühnezeichen oder der Zentralrat | |
| der Sinti und Roma – dagegen ernüchtert „Lassen Sie uns deutlich sagen: Die | |
| bisherige Form der Unterstützung von zivilgesellschaftlicher | |
| Demokratiearbeit ist demotivierend.“ | |
| Ohne das Demokratiefördergesetz, bei dem eine Qualitätskontrolle | |
| selbstverständlich sei, bleibe der Regierungskompromiss, die Projektarbeit | |
| langfristig abzusichern, „ohne Substanz“. Im schlimmsten Fall, so fürchten | |
| die Initiativen, könnten ab 2022 sonst wieder Gelder zusammengestrichen | |
| oder umverteilt und „die so wichtige Arbeit vieler Projekte erneut in Frage | |
| gestellt“ werden. | |
| 22 Nov 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/pressemitteilungen/offe… | |
| [2] /Studie-zu-Rassismus-in-der-Polizei/!5720286 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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