# taz.de -- Repression an der Columbia University: Es wird ein Exempel statuiert | |
> Proteste an der US-Universität werden mit Repression durch Trumps | |
> Regierung beantwortet: Verbote, Verhaftungen, Ausweisungen. Das Ziel ist | |
> Einschüchterung. | |
Bild: Protest in New York nach der Verhaftung des Studenten Mahmoud Khalil durc… | |
Die USA erleben in diesem Moment einen der härtesten Angriffe auf die | |
Grundwerte der Demokratie – und die aktuellen [1][Ereignisse an der | |
Columbia University in New York] stehen genau dafür als Beispiel von | |
wachsender Repression und Zensur. | |
Ich bin Forschungsdoktorandin an der Columbia University, aber gerade weit | |
entfernt von New York. Und trotzdem machen sich Menschen, mit denen ich | |
mich unterhalte, Sorgen um meine Sicherheit. Manchmal wird mir bewusst, wie | |
absurd und dystopisch solche Gespräche sind. Ich bin eine weiße, | |
europäische cis-Frau an einer privaten Universität mit über 13.700 | |
internationalen Studierenden, ich genieße ein hohes Maß an Privilegien. | |
Wieso sollte ich Hilfe oder Schutz brauchen? | |
Im vergangenen Jahr geriet Columbia in die Schlagzeilen, als Studierende | |
ein Camp errichteten, um gegen die Kriegspolitik Israels zu protestieren. | |
[2][Andere Universitäten folgten, auch in Deutschland]. Egal wie man zu den | |
heterogenen Forderungen und Äußerungen dieser Protestbewegung steht, so | |
sind sie doch durch die freie Meinungsäußerung geschützt. Bis jetzt. Am 7. | |
März verkündete die [3][Trump-Regierung, dass sie der privaten Columbia | |
University 400 Millionen Dollar an staatlichen Fördergeldern streicht]. | |
Grund sei das fehlende Eingreifen angesichts antisemitischer Vorfälle auf | |
dem Campus. Dass das ein Strohmann-Argument ist, wird durch die starke | |
Polizeipräsenz und den geschlossenen Campus ersichtlich, wie auch [4][David | |
Wallace-Wells in der New York Times] schrieb. | |
Tatsächlich wird ein Exempel statuiert: Wo es Proteste gibt, wird die | |
Regierung Repressionen folgen lassen. Diese Realität wurde spätestens am | |
14. März durch den [5][Forderungskatalog der Regierung an Columbia] klar. | |
In diesem wird unter anderem gefordert, dass | |
Universitätspräsident:innen Studierende direkt exmatrikulieren | |
können, dass die campuseigene Security Studierende festnehmen darf, dass | |
die Fakultät der Middle Eastern, South Asian and African Studies extern | |
geleitet werden soll, vermutlich durch einen regierungsnahen Angestellten. | |
Diese Forderungen sehen nicht nur Studierende und Uni-Angestellte als | |
beispiellosen Eingriff in die Unabhängigkeit der akademischen Institution. | |
## Absolvent palästinensischer Herkunft verhaftet | |
Aber nicht nur Columbia an sich steht im Visier der Regierung. Am 8. März | |
wurde [6][Mahmoud Khalil, ein Columbia-Absolvent mit palästinensischen | |
Wurzeln und ehemaliger Sprecher der Columbia-Protestbewegung], von Agenten | |
des Immigration and Customs Enforcement (ICE) verhaftet. Man informierte | |
ihn darüber, dass sein Studentenvisum widerrufen wurde – dabei besitzt er | |
gar kein Visum, sondern eine Green Card. Bei einem Radiointerview konnte | |
der neue stellvertretende Sekretär des Department of Homeland Security, | |
Troy Edgar, nicht erklären, welches Gesetz Khalil spezifisch gebrochen | |
habe, um eine Festnahme und Abschiebung zu rechtfertigen. Auf die Frage, ob | |
Aktivismus genug sei, um abgeschoben zu werden, antwortete er nicht. | |
Auch der Fall Ranjani Srinivasans zeigt, dass der bloße Verdacht auf | |
Teilnahme an den Protesten reicht, um Visa zu widerrufen. Die Studentin aus | |
Indien wurde am selben Tag wie Khalil von ICE-Agenten aufgesucht. Zwar | |
wurde sie im vergangenen Jahr bei Campusprotesten kurzfristig festgenommen, | |
doch stellte sich schnell heraus, dass sie auf dem Weg nach Hause nur in | |
den Strom der Demonstrierenden geraten war. Ihr Verfahren wurde | |
entsprechend fallen gelassen. Aber ihr Name landete im System in Verbindung | |
mit den Protesten – ihr Visum wurde nun widerrufen, und ICE sollte sie | |
verhaften. Geistesgegenwärtig öffnete ihre Mitbewohnerin nicht die Tür, und | |
[7][Srinivasan schaffte es, nach Kanada zu fliehen,] bevor die Agenten | |
zurückkehrten. Aufgrund des Widerrufs ihres Visums wurde sie automatisch | |
exmatrikuliert. | |
Khalils Verhaftung erfolgte an einem Samstag. Am Montag füllte sich mein | |
E-Mail-Posteingang mit Statements von verschiedenen Ebenen der Universität, | |
von der Interimspräsidentin Katrina Armstrong bis hin zur fakultätseigenen | |
Beauftragten für Doktoranden. Von Floskeln wie „Wir bleiben unseren Werten | |
treu“ bis hin zu Hinweisen, wie man mit ICE-Agenten umgeht. Es wurde darauf | |
hingewiesen, dass mehrere Studierende und Lehrkräfte im Internet „gedoxxt“, | |
also ihre persönlichen Daten inklusive eines Fotos veröffentlicht worden | |
sind. Der Grund: Sie haben im vergangenen Jahr an den Protesten | |
teilgenommen oder offene Briefe unterzeichnet. Manche von ihnen erhielten | |
Drohungen. Seit dem Regierungswechsel Ende Januar nahm Doxxing so stark zu, | |
dass die [8][Universität neue Richtlinien erlassen musste]. Hier zeigt | |
sich, wie die repressive Politik der Regierung Einschüchterungsversuchen | |
und Selbstjustiz Aufwind gibt. | |
Auf Social Media wird bereits nach den nächsten internationalen | |
Studierenden mit unerwünschten Meinungen gesucht: Wie Trump im Zuge von | |
Khalils Verhaftung erklärte, sollen „viele Festnahmen“ folgen. Es ist ein | |
„Versprechen“, dass man dieser Regierung durchaus abnehmen sollte. Dabei | |
ist es egal, ob man die Meinung Khalils und der anderen Aktivist:innen | |
teilt. Ihre Verhaftungen muss man im Kontext einer sich ausbreitenden | |
Repressionswelle sehen. Verhaftungen und Abschiebungen werden so zum | |
Werkzeug der Regierung, um unerwünschte Stimmen verstummen zu lassen – egal | |
ob es um den Nahost-Konflikt, Rechte für trans*Menschen oder die | |
kritische Aufarbeitung der kolonialen Geschichte des Landes geht. Von | |
[9][staatlichen Webseiten wurden solch unerwünschte Themen bereits | |
entfernt]. | |
Ich selbst bin wie gesagt in Sicherheit, in einem anderen Bundesstaat, um | |
meine Forschung abzuschließen. Danach kehre ich nach Europa zurück, um dort | |
meine Doktorarbeit zu Ende zu schreiben. Falls ich nicht schon vorher | |
ausgewiesen und exmatrikuliert werde. | |
18 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nytimes.com/2025/03/16/opinion/trump-khalil-columbia-speech.html | |
[2] /Neues-Protestcamp-an-der-FU-Berlin/!6018732 | |
[3] /Trumps-Kahlschlagpolitik/!6074189 | |
[4] https://www.nytimes.com/2025/03/10/opinion/the-problem-at-the-heart-of-trum… | |
[5] https://www.nytimes.com/interactive/2025/03/14/nyregion/columbia-letter.html | |
[6] /Trump-Regierung-gegen-Uni-Proteste/!6075092 | |
[7] https://www.nytimes.com/2025/03/15/nyregion/columbia-student-kristi-noem-vi… | |
[8] https://universitypolicies.columbia.edu/content/anti-doxing-and-online-hara… | |
[9] /Trump-verbietet-Worte/!6072566 | |
## AUTOREN | |
Amanda Althoff | |
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