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# taz.de -- Proteste in Frankreich: Jetzt wird alles blockiert
> In Frankreich weiten sich die Proteste gegen die Rentenreform noch weiter
> aus. Die Regierung ist von der Einheit der Gewerkschaften überrascht.
Bild: „Gefangene der Arbeit“: Protest gegen Erhöhung des Renteneintrittsal…
PARIS taz | Nach einem [1][Aktionstag mit einer Rekordbeteiligung] in 320
Städten des Landes, Streiks in zusätzlichen Wirtschaftszweigen und
öffentlichen Diensten, Straßensperren und anderen neuen Aktionsformen geht
der Widerstand gegen die [2][Rentenreform] in Frankreich weiter. Laut
Organisator*innen waren am Dienstag mehr als drei Millionen Menschen
auf die Straße gegangen, die Polizei sprach von 1,25 Millionen
Teilnehmer*innen.
Auch am Tag der Frauenrechte am 8. März war die Ablehnung einer Reform, die
als besonders frauenfeindlich kritisiert wird, ein zentrales Thema. Und
seit Längerem geplante Demonstrationen von Studierenden und
Mittelschüler*innen am Donnerstag werden für die Jugend von heute zum
Anlass, gegen die Aussicht auf schlechtere Renten und eine längere
Lebensarbeitszeit zu protestieren.
Die Regierung, die unbeirrt an ihrer Vorlage festhalten will, kommt unter
Druck. Um diesen aufrechtzuerhalten, haben die vereinten Gewerkschaften
bereits für den Samstag und den Mittwoch danach weitere Aktionstage
angekündigt. Die Erwartung der Staatsführung, dass die Einheit der
Gewerkschaften der Eskalation der Protestaktionen nicht standhalten werde
und dass die gemäßigteren Arbeitnehmerverbände sich gegen härtere
Kampfformen aussprechen würden, hat sich nicht erfüllt.
Sowohl für die Regierung wie für die Gewerkschaften geht es inzwischen um
viel mehr als eine strittige Reformvorlage: nicht zuletzt um die politische
Glaubwürdigkeit und Legitimität der Repräsentation.
## Benzin ist bereits knapp
Die Gewerkschaften können, unterstützt von den linken Oppositionsparteien,
Frauen- und Jugendorganisationen und auch von der öffentlichen Meinung, in
ihrer Mobilisierung noch zulegen. Sie hatten [3][ultimativ] damit gedroht,
das Land mit einem Generalstreik „zum Stillstand“ zu bringen, und damit
haben sie am Dienstag ernst gemacht.
„On bloque tout!“ („Wir blockieren alles!“), lautet in Frankreich der n…
Kampfruf bei den Protesten gegen Emmanuel Macrons Rentenreform.
Seit Dienstag sind sämtliche Erdölraffinerien von Streikenden blockiert,
damit kein einziger Lkw mehr Treibstoff von dort zu den Tankstellen bringen
kann. Vergeblich hatten Industrie und Behörden versprochen, es werde keine
Versorgungsprobleme geben. Die Autofahrer*innen glaubten ihnen kein
Wort und tankten auf Vorrat.
Daraufhin hatten bereits am Mittwoch Hunderte Tankstellen keinen Sprit
mehr. Aus Angst vor einer Versorgungskatastrophe wie bei den Streiks im
Oktober droht die Regierung mit Polizeieinsätzen und mit einer
Zwangsverpflichtung des Personals.
Wegen Streiks beim Energiekonzern EDF ist zudem die Stromproduktion um
schätzungsweise 15.000 Megawatt (laut Libération entspricht dies der
Kapazität von 10 bis 15 Reaktoren) gesunken.
## Wichtige Häfen sind dicht, der Müll wird nicht abgeholt
Blockiert waren weiterhin auch die größten Seehäfen in Marseille,
Fos-sur-Mer und Le Havre, in mehreren Großstädten wird wegen Streiks kein
Müll mehr eingesammelt, und die Verbrennungsanlagen sind stillgelegt.
Auch im Bahnverkehr halten die Ausfälle bis voraussichtlich Ende der Woche
an: Derzeit fahren bei der SNCF höchstens ein Drittel der Züge, auch
städtische Transportunternehmen wie die RATP in Paris melden stark
reduzierte Fahrpläne. Am Dienstag war der Bahnverkehr sogar fast ganz
lahmgelegt.
Die Zugänge zu rund 40 Hochschulen und zahlreichen Mittelschulen wurden
besetzt. An mindestens 20 Orten haben außerdem Lkw-Fahrer und andere
Demonstrierende Straßen und Autobahnzufahrten mit Fahrzeugen und Barrikaden
blockiert. Die werden zwar meist von der Polizei geräumt, tauchen aber kurz
darauf an anderer Stelle erneut auf.
## Mehrheit der Bevölkerung steht hinter den Protesten
Auch diese verschärften Aktionen werden laut Umfragen von einer
Bevölkerungsmehrheit – laut Institut Odoxa von 59 Prozent – gebilligt. Seit
dem Beginn der Debatte und des Konflikts lehnen 70 bis 80 Prozent der
Befragten, unter ihnen alle sozialen Schichten und Alterskategorien mit
Ausnahme der Senioren, die mit 50 zu 50 geteilter Meinung sind, die
Rentenreformvorlage ab.
Die von der Regierung beschlossene Prozedur, nach der die Vorlage
gegebenenfalls auch ohne Schlussabstimmung im Parlament per Dekret in Kraft
gesetzt werden kann, sorgt ihrerseits für Ärger – und weitere Proteste.
8 Mar 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
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